Ein deutscher Milliardär verschwand spurlos: Bruder angezeigt

Ein deutscher Milliardär verschwand spurlos: Bruder angezeigt
Der Ex-Tengelmann-Chef verschwand 2018 am Matterhorn. Unfallspuren gab es keine, dafür viele Theorien. Die Anzeige einer Journalistin sorgt für neue Debatten.

Es zählt zu einem der gefährlichsten Gletschergebiete der Welt, das Schweizer Matterhorn. Am 7. April 2018 brach Ex-Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub zu einem Trip auf, von dem er nie zurückkehrte.

Kurz darauf kam es zur größten Such- und Rettungsaktion in der Region. Keine Unfallspuren, keine Leiche - viele Fragezeichen. Im Mai 2021 erklärte das Amtsgericht Köln Haub offiziell für tot. Das war aber nicht das Ende der Geschichte. Immer wieder kursierten neue Theorien zu den Umständen seines Verschwindens. Googelt man den "Fall Tengelmann", berichten diverse Medien wie Bild, Stern oder die ZEIT über verschiedene Theorien. Eine davon besagt, Haub habe den Unfall inszeniert, um sich abzusetzen

Keine Spuren, keine Anhaltspunkte, keine Leiche

Im April 2018 war der damals 58-jährige Karl-Erivan Haub alleine zu einer Skibergtour am Matterhorn aufgebrochen. Er galt als ein erfahrener Skibergsteiger, der schon viele Touren gemeistert hatte. An dem Tag verschwand er jedoch spurlos. 

Haub war gemeinsam mit seinem Bruder Christian geschäftsführender Gesellschafter der Tengelmann-Gruppe. Eine große Unternehmensgruppe, zu der Diskonter wie Kik oder die Baumarktkette Obi gehören. Die Firma macht pro Jahr um die 8 Milliarden Euro Umsatz. Somit war Karl-Erivan Haub einer der reichsten Männer Deutschlands.

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Die Suche in den Schweizer Alpen.

Als Haub nach der Bergtour nicht im Hotel erschienen war, setzte seine Familie alles in Bewegung, um ihn zu finden. Auch der Konzern-Sicherheitschef und ein Krisen-Manager wurden damit beauftragt, den mutmaßlichen Bergunfall zu untersuchen. Man fand: nichts - keine Spuren, keine Anhaltspunkte, keine Leiche. Und Haubs Handy war ausgeschaltet. 

Nach wochenlangen Suchaktionen stellten auch die Behörden die Fahndung ein. Man ging davon aus, dass Haub ums Leben kam. Im Mai 2021 wurde er für tot erklärt

Eine Spur führt nach Russland

Die Investigativjournalistin Liv von Boetticher beschäftigt sich seit Jahren mit der Akte Tengelmann und hat mittlerweile ein Buch dazu veröffentlicht. Sie vertritt die These, dass Karl-Erivan Haub nicht bei einem Bergunfall ums Leben gekommen ist. Sie verweist unter anderem auf eine mögliche Spur nach Russland. Monatelang sei Haub etwa mit einer Russin im Kontakt gewesen. An ihre Agentur in St. Petersburg seien auch Gelder geflossen. Und: In der Nacht vor seinem Verschwinden sollen die beiden telefoniert haben. 

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 Tengelmann-Eigentümer: Karl-Erivan, Georg und Christian Haub

Undurchsichtige Geldflüsse

Die Tengelmann-Gruppe operierte schon länger geschäftlich in Russland - nicht ungewöhnlich für ein deutsches Unternehmen. Seit Anfang der 2000er Jahre machte man das erfolgreich mit der Baumarktkette Obi. 2010 wollte Karl-Erivan Haub außerdem mit der Supermarktkette Plus nach Russland expandieren. 

Es bildeten sich Joint Ventures mit russischen Geschäftspartnern - aber eine Filiale vor Ort wurde nie eröffnet. Von Boetticher verweist auf interne Dokumente, wonach die interne Revision Alarm geschlagen habe. Mitarbeiter sollen angegeben haben, dass Gelder versickert seien.

Die Unternehmensgruppe Tengelmann gehörte drei Brüdern: Georg, Christian und Karl-Erivan Haub. Christian und Karl-Erivan führten das Unternehmen gemeinsam, bis letzterer verschwand. Dann kümmerte sich zunächst dessen Frau Katrin Haub um die Unternehmensanteile. Katrin Haub weigerte sich lange, ihren Ehemann für tot zu erklären. Schließlich kam es zur alleinigen Konzernführung durch Christian Haub und damit auch zu einem Zerwürfnis innerhalb Familienunternehmens, da der Erbfall überraschend kam.

Umstände bis heute mysteriös 

Die Reporterin gab außerdem an, sie hätte Ende 2022 Fotos einsehen können, auf denen eine Person in einem südlichen Bezirk von Moskau zu sehen war, die wie Karl-Erivan Haub aussieht. Diese hätte sie auch Christian Haub vorgelegt, der nie reagierte. Im Mai 2023 stellte das Team der Journalistin dann eine Strafanzeige gegen Christian Haub

Eine Falschaussage?

Seit Mitte April ermittelt nun die Staatsanwaltschaft Köln gegen den Bruder des Verschollenen. Es geht um mögliche falsche Versicherung an Eides gegen den aktuellen Chef der Tengelmann-Gruppe. Christian Haub weist den Vorwurf zurück.

Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer teilte der Deutschen Presse-Agentur mit: "Aufgrund einer erstatteten Strafanzeige wird dem Vorwurf nachgegangen, der Bruder des Verschollenen, Christian Haub, habe im Mai 2021 vor dem Amtsgericht Köln eine Versicherung an Eides statt abgegeben, die teilweise falsch gewesen sei. In der Strafanzeige ist unter anderem vorgetragen worden, dass dem Beschuldigten - entgegen seinen Angaben - belastbare Hinweise darauf vorgelegen hätten, dass der Verschollene Karl-Erivan Haub noch leben könnte."

Die Ermittlungen dauerten an. "Auf die für den Beschuldigten geltende Unschuldsvermutung wird ausdrücklich hingewiesen." Die Staatsanwaltschaft wies außerdem darauf hin, dass bisher kein Anlass bestehe, die Aufhebung der Todeserklärung für Karl-Erivan Haub zu beantragen. Hierfür müsste feststehen, dass der Verschollene die Todeserklärung überlebt habe. "Dies ist derzeit nicht der Fall", betonte Bremer.

Christian Haubs Anwalt Mark Binz wies den Vorwurf unrichtiger Angaben jedenfalls zurück. "Selbstverständlich ist an dem Vorwurf nichts dran", teilte er mit. "So hat es bis vor wenigen Wochen auch noch die Staatsanwaltschaft Köln gesehen und daher die Aufnahme von Ermittlungen abgelehnt."

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