Seppi Kressl (l.) und Georg Bergschober im Sisi-Zimmer der Zwieselalmhütte.

Sisi auf der Alm: Wie Kaiserin Elisabeth ins Tennengau kam

Immer wieder unternahm Kaiserin Elisabeth Ausflüge in die Bergwelt. Einer ihrer Lieblingsplätze war die Zwieselalmhütte.

Oft ist ja das Erreichen des Gipfels – im Wortsinn – der Höhepunkt einer Bergtour. Dieses Mal ist es anders. Die Spannung steigt, als Josef „Seppi“ Kressl das Sisi-Zimmer seiner Zwieselalmhütte aufsperrt. Normalerweise bleibt es verschlossen. Zu sehen bekommt es nur, wer sich einer geführten Wanderung des Tourismusverbands Annaberg-Lungötz anschließt. Jetzt also: Bühne frei für Sisi. Es folgt: bürgerliches Staunen über so viel adelige Bescheidenheit. Kaum größer als das Zimmer einer Alpenvereinshütte ist das kaiserliche Gemach, dessen Herzstück – wenig überraschend – das Bett ist, zu dem später noch mehr zu sagen sein wird.

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Besitzer Kressl vor der Zwieselalmhütte

Besitzer Kressl vor der Zwieselalmhütte, die vor rund dreihundert Jahren erbaut wurde.

©Günter Kast

Doch der Reihe nach: Prinzessin Elisabeth heiratete 1854 mit nur sechszehn Jahren den österreichischen Kaiser Franz Joseph. Die naturverbundene Sisi, wie sie von ihrer Familie genannt wurde, kam nach Schloss Schönbrunn, wo sie sich der Geschichte nach nicht unbedingt wohlfühlte. Um der Enge des Habsburger Hofes in Wien zu entfliehen, unternahm die junge Kaiserin immer wieder Ausflüge. Dabei verzichtete sie gerne auf Kutsche und Geleit und tauschte das sperrige Vehikel gegen Wanderschuhe, um die Bergwelt des Salzburger Landes zu erkunden.

Porträt von Kaiserin Elisabeth

Kaiserin Elisabeth war  im Tennengau gleich acht Mal zu Gast. Ein Bild erinnert daran.

©Günter Kast

Als ihr der Hofstaat in der aristokratischen Sommerfrische in Bad Ischl, wo der Kaiser seiner Jagdlust frönte, von einer besonders schön gelegenen Alm im Tennengau berichtete, beschloss sie, von Gosau aus dort hinauf zu wandern. Ihre übergewichtige Köchin hatte darauf weniger Lust und ließ sich von Gosauer „Sesselträgern“ nach oben tragen, was für starke, aber arme Burschen in diesen Zeiten ein normaler Job war. Ebenfalls nach oben gehievt wurde ein gusseiserner Herd, denn die Köchin konnte oder wollte nicht über dem offenen Feuer kochen, wie es damals bei einfachen Leuten üblich war.

Wiederholungstäterin Sisi

„Sisi gefiel es so gut, dass sie nach ihrem ersten Besuch 1860 auch in den folgenden sieben Sommern hier herauf kam“, erzählt Seppi. Wer kann es ihr verdenken, dass sie zur Wiederholungstäterin wurde? Von der gemütlichen Almhütte, vielleicht die älteste im weiten Umkreis, blickt man bis zum mystischen Untersberg. Im Süden schraubt sich der Gosaukamm mit dem Donnerkogel in den Himmel. Wer etwas höher steigt, erreicht einen Logenplatz, von dem aus man auf den tiefblauen Vorderen Gosausee schaut, über dem der – leider zügig dahinschmelzende – Dachsteingletscher thront.

Blick zum Vorderen Gosausee

Blick zum Vorderen Gosausee 

©Günter Kast

„Was genau Sisi hier unternommen hat, wissen wir nicht mehr“, sagt Seppi, dessen Familie die Herberge als Teil einer Almgemeinschaft in fünfter Generation bewirtschaftet: „Die Hüttenbücher gehen bis 1876 zurück. Die meisten sind leider von Einbrechern im Herd verfeuert worden.“ Aus einem alten Brief weiß er allerdings, dass hier ein gewisser Michel Reit einen Ziegenstall besaß und vermutlich bereits im 18. Jahrhundert einen kleinen Ausschank betrieb.

Auf jeden Fall schien Sisi in der würzigen Bergluft ihre Alltagssorgen gut vergessen zu können. Abends sank sie dann in einen tiefen Schlaf – in ebenjenem Zimmer, das noch heute gehegt und gepflegt wird.

Allein: Das Original-Bett war verschollen und durch eine gewöhnliche Schlafstatt ersetzt worden.

Georg Bergschober, Autor Günter Kast und Hüttenwirt Josef Kressl

Georg Bergschober, Autor Günter Kast und Hüttenwirt Josef Kressl

©Günter Kast

Wie das Bett hierher kam

Georg Bergschober, der in seiner Zeit als Obmann des Tourismusverbands Annaberg-Lungötz die geführte Wanderung auf Sisis Spuren initiiert hatte, wusste jedoch: „Die Kaiserfamilie konnte sich den Luxus größerer Betten leisten.“ Und deshalb nahm er mit dem Hause Habsburg Kontakt auf und berichtete vom Sisi-Zimmer auf der Hütte. „Ich wurde in der ehemaligen Kaiservilla in Bad Ischl von einem direkten Nachkommen von Kaiser Franz Joseph empfangen und zum Kaffee eingeladen.“

Kurze Zeit später durfte er ein Bett aus der Sisi-Epoche abholen und auf den Berg bringen lassen. „Die Habsburger waren wirklich sehr freundlich. Haben nie nachgefragt, ob das auch alles stimmt, was ich ihnen erzähle.“ Ob Sisi früher einmal in genau diesem Bett schlief? Georg winkt ab: „Ich will da nichts hinein interpretieren.“ Man wisse eben nicht sehr viel über Sisis Zeit auf der Alm.

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©Grafik

Wunderliche Wände

Was man weiß: Die Wände wurden nie verändert, sind aus geschlagenem (nicht: gesägtem) Holz, das erstaunlich hell ist. Ein Pilz? Die Aura der Kaiserin? Was Georg auch weiß: Die Schuhe neben dem Bett stammen aus dem Heimatmuseum Annaberg. Er hat sie schließlich selbst besorgt. Außerdem hat er mit Seppi vereinbart, dass dieser das Sisi-Zimmer nicht an Hausgäste vermietet. Es soll etwas Besonderes bleiben. Für den entgangenen Umsatz gibt’s vom Tourismusverband eine kleine Entschädigung.

Derweil legt Seppi im Ofen des von der eigentlichen Hütte getrennt stehenden Küchengebäudes Holz nach. „Der stammt von 1941 und ist der direkte Nachfolger des Sisi-Ofens“, sagt er und lässt die Kaspressknödel vorsichtig in die Brühe gleiten.

Er liebt, genau wie Sisi seinerzeit, die Ruhe hier oben. Er will den Alpenvereinshütten keine Konkurrenz machen, er braucht nicht Tausende von Übernachtungsgästen jeden Sommer, und er will auch kein Restaurant mit einer großen Speisekarte sein. Seine Familie vermietet unten im Tal Ferienwohnungen, seine Frau ist Lehrerin und er als erfahrener Metzger Direktvermarkter seiner eigenen Tiere. Die Zwieselalmhütte, die er 2018 von seiner Tante Margit übernahm, nachdem er sie zuvor drei Jahre lang gepachtet hatte, ist quasi das Tafelsilber der Familie, das man nie verkaufen würde.

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Die Zwieselalmhütte

©Günter Kast

Info

Zustieg 
Von Annaberg-Astauwinkel: Nach der Auffahrt mit der Donnerkogelbahn (Betriebszeiten beachten) wandert man von der Bergstation zur Rottenhofhütte  und weiter über saftige Almböden zur Zwieselalmhütte. Alternativ kann man auch von Gosau/Gosausee aufsteigen.

1.440 Meter hoch liegt die Zwieselalmhütte im Tennengau. Die Hütte (nicht zu verwechseln mit der Zwieselalm im bayerischen Chiemgau) liegt im Bereich des Skigebiets Dachstein-West am nördlichen Ausläufer des Gosaukamms und ist Teil der Almgemeinschaft Zwieselalm, zu der drei weitere Grundbesitzer gehören, die dort oben ein Weiderecht haben und Gebäude besitzen dürfen. Kapazität der Hütte: Matratzenlager und 14 Betten in sechs Zimmern. Tel.
+43 664 4328819, E-Mail: pensionjaeger@aon.at

Klettersteig und Touren
Die Almhütte ist ein guter Ausgangspunkt für den Donnerkogel-Klettersteig und für die Umrundung des Gosaukamms, für die man zwei Tage einplanen sollte. Geführte Sisi-Wanderungen (mit Zimmer-Besichtigung)   im Sommer. Gehzeit: 2,5 Std.  
annaberg-lungoetz.com/de

Ob er damit einige Euro mehr oder weniger verdient, ist nicht so wichtig. Wenn viel los ist, hilft die ganze Familie mit: Tante Margit, seine Schwester Brigitte. Und die Söhne verbringen natürlich die Sommerferien hier oben und packen mit an. Apropos Nachwuchs: „Meine Mission ist klar“, sagt Seppi. „Die Alm für die nachfolgenden Generationen erhalten.“

Das hält ihn aber keineswegs davon ab, die Freiheit und die Ruhe hier oben zu genießen, sein eigener Herr zu sein. Sisi hätte das sicher verstanden: „Ich will frei sein, ohne Zwänge“, lautete ihr sehnlichster Wunsch.

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