
Vea Kaisers Kolumne: Wenn sich die Eltern Necken
Ein paar Spekulationen über das Geheimnis der großen, unzerstörbaren und seit Jahrzehnten andauernden Liebe
Seit 40 Jahren sind meine Eltern verheiratet und glücklich. Nur selten jedoch erlebte ich, dass sie einander mit romantischen Gesten verzückten oder verliebt anschmachteten. In ihrem alltäglichen Aggregatzustand diskutieren sie, widersprechen einander und sekkieren sich.
Zuletzt wollte mein Vater mit meiner Mutter auf Kur fahren. "Sicher nicht! Ich will nicht mit Pensionisten im luluwarmen Chlorwasser hocken und mich fadisieren!", sagte sie – die im Gegensatz zu meinem Vater schon lange in Pension ist. Er entgegnete, dass bei einer Gesundheits-Erhaltungs-Kur nicht "gehockt", sondern Sport getrieben werde, und die Langeweile würde er schon zu verhindern wissen. Doch meine Mutter blieb stur. Mein Vater auch – und fuhr allein.
Dass sie einander daraufhin mit Fotos bombardierten, wie gut es dem jeweils einen ohne den anderen ging, kam mir fast trotzig vor: Mein Vater erzählte von seinen neuen "Kur-Freunden", meine Mutter reiste spontan mit einer Bekannten in eine Therme. "Also zum luluwarmen Chlorwasser voller Pensionisten?", fragte ich. "Ich bin nur ins unbeheizte Sportbecken gegangen, um dort Längen zu ziehen."
Allzu erbaulich dürfte der Thermenurlaub nicht gewesen sein, denn wenige Tage später fuhr sie meinen Vater besuchen. Fortan fügte er den Bildern von seinen Nordic-Walking-Runden durch die Weingärten den Zusatz hinzu, dass es schön sei – aber mit meiner Mutter dann doch schöner wäre.
Als er Wochen später zurückkehrte, verzichteten meine Eltern auf große, leidenschaftliche Begrüßungsszenen. Aber ich beobachtete an diesem Abend, dass sie doch ständig nebeneinander saßen und unter dem Tisch Händchen hielten. Wahrscheinlich ist der Treibstoff glücklicher Superlangzeit-Beziehungen nicht die große, dramatische Romantik. Sondern das Feuer, das man stetig schürt und so am Leben hält. Gelegentlich halt auch mit spitzem Haken.
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