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Popstar Esther Graf: "Es zieht mich zurück nach Kärnten"

Vom Kärntner Bergdorf auf den Times Square: Esther Graf ist Österreichs Popstar der Stunde. Mit der "freizeit" sprach sie über den steinigen Weg zum Erfolg – und Rache-Songs.

Altersberg in Kärnten steht nicht unbedingt auf den Lifestyle-Landkarten dieser Welt. Doch mittlerweile hat die 117-Seelen-Gemeinde einen echten Gen-Z-Topstar zu verzeichnen: Esther Graf. 

Mehr als zwei Millionen Spotify-Aufrufe, ein Konzert vor 60.000 Zuschauern am Brandenburger Tor und ihr Porträt als Spotify-Face-of-the Moment  am New Yorker Times Square machen sie zu Österreichs heißestem Pop-Export.

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©APA/FLORIAN WIESER

Sie leben in Berlin. Was fehlt Ihnen dort an Kärnten – und umgekehrt?

Ich bin nach wie vor oft in meiner Kärntner Heimat, etwa alle zwei Monate zieht es mich zurück. Meine Familie ist groß, ich liebe die Berge und das Gefühl, dort wirklich abschalten zu können. Zuhause erinnere ich mich daran, worum es im Leben wirklich geht. In Berlin ist die Szene groß, mein ganzes Team ist dort und ich mag das Tempo der Stadt. In Berlin habe ich das Gefühl, dass kein Traum zu groß ist.

Ihr Stil mischt Pop, Punk, Grunge – wie kommt es zu dem ungewöhnlichen Mix? 

Ich bin mit Hannah Montana aufgewachsen, und weil meine älteren Geschwister Avril Lavigne und Green Day gehört haben, bin ich mit dieser Mischung groß geworden – das hört man auch in meiner Musik. 

Ist man als   Popstar auch selbst noch Fan? Was hören Sie am liebsten – und bei welchem Treffen wären Sie „starstruck“?

Ich hör  viel Musik. Meine Lieblingskünstlerinnen sind Holly Humberstone und Olivia Rodrigo. Im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich Cro, Nina Chuba und Montez. Meine Lieblingskünstlerin aus Österreich ist Ness. Und bei einer Begegnung mit Olivia Rodrigo wäre ich ABSOLUT starstruck!

Sie haben damals  in der Kirche, im Chor und dann in der Band Ihres Bruders gesungen. Wann kam der Moment, als Sie wussten: „Das soll mein Beruf werden“?
Ja, ich hab schon als Kind davon geträumt, auf der Bühne zu stehen. Als es dann Richtung Matura ging, war für mich klar: Danach muss ich das selbst in die Hand nehmen. Ich wollte alles versuchen, um dorthin zu kommen, wo ich hinwill – eigene Songs schreiben, sie veröffentlichen und meine eigenen Konzerte spielen.
Beinahe wären Sie noch entscheidend abgelenkt worden: Stimmt es, dass Sie auf der Mariahilfer Straße von einem Model-Scout angesprochen wurden? 

Ja, ich wurde von einer Agentur gescoutet. Es war schon verrückt, dass ich so reingerutscht bin und meine ersten Erfahrungen vor der Kamera sammeln konnte. In meinem heutigen Job als Musikerin muss ich im Grunde auch viel modeln, aber mit mehr Mitspracherecht – und das gefällt mir deutlich besser.

Sie haben dann auch erfolgreich als Model gearbeitet. Für viele junge Frauen wäre das schon die Erfüllung eines Traums!
Ja, bestimmt. Aber die Modelwelt hat auch ihre Schattenseiten, und ich bin froh, dass ich in meinem Beruf als Musikerin nicht nur auf mein Äußeres reduziert werde.
Der Weg dorthin war hart, der Erfolg kam keineswegs von heute auf morgen. Sie haben 80 Songs geschrieben, bevor der erste überhaupt veröffentlicht wurde?

(lacht) Wow, ihr habt gut recherchiert! Ja, ich glaube, es waren MINDESTENS  80 Songs. Der härteste Weg ist wirklich, seinen eigenen Sound zu finden – die Art, wie man schreibt, und vor allem einen Wiedererkennungswert zu entwickeln.

Inzwischen sind Ihre Songs so gefragt, dass Sie auch für andere Künstler schreiben und mit Stars wie Alligatoah und Sido zusammenarbeiten. Wie läuft das so ab?

Mit Sido und Alligatoah waren das Kooperationen für mein eigenes Projekt. Da geh ich komplett nach meinem persönlichen Geschmack und Stil. Tatsächlich läuft jedes Feature aber anders ab – man ist nicht immer im selben Raum, wenn der Song entsteht. Manchmal schickt jemand eine Skizze, manchmal schreibt man vom ersten Ton an gemeinsam.

Sie schreiben  aber auch für „artfremde“ Künstler wie Beatrice Egli. Fällt es Ihnen leicht, Schlager zu schreiben?

Schlager zu schreiben ist total witzig und für mich eine echte Herausforderung – einfach, weil es außerhalb meiner Komfortzone liegt. Der  Fokus ist auf ganz andere Dinge gerichtet.  Schlager ist anders aufgebaut als Pop: oft dramatischer, aber teilweise auch komplizierter. Auch in der Promophase läuft vieles anders.  TV und Radio sind wichtig, während Streaming dort eine kleinere Rolle spielt. Beatrice Eglis Fans kaufen noch richtig CDs, was ich irgendwie schön finde.

Den erfolgreichen Song „Red Flags“ haben Sie aus Wut nach einer Trennung aufgenommen. Was halten Sie von der Queen of Post-Break-up-Songs Taylor Swift? 

Ich liebe Taylor Swift – für mich ist sie das, was für andere „Star Wars“ ist. Eine der tollsten Songwriterinnen, die wir haben. Ich liebe auch ihre ganzen Easter Eggs in den Alben und dass sie uns so sehr an ihrem Privatleben teilhaben lässt. Man hat wirklich das Gefühl, sie wie eine Freundin zu kennen.

Haben Sie schon mal einen Song geschrieben, nur damit sich jemand schlecht fühlt?

So würd ich das nicht sagen. Aber manchmal nutze ich meine Position schon, um Dinge anzusprechen, bei denen ich das Gefühl hatte, nicht gehört zu werden. Bestimmt fanden das schon manche unfair, weil sie dazu nichts sagen konnten und die Menschen dann nur meine Seite hören. Aber so ist das halt, wenn man sich mit einer Musikerin anlegt. (lacht)

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©APA/FLORIAN WIESER

Haben Sie sich beim Songwriting eigentlich schon mal gedacht „Boah, das kann ich eigentlich niemandem zeigen“?

Das war bei meinem Song „was ich fühl“ so. Da singe ich zum ersten Mal über unerwiderte Liebe. Ich bin selbstbewusst, rechne eher mit einem Ex ab als traurig zu sein. Und so war ich mir echt nicht sicher. Ich hab ihn dann ganz spontan gepostet –  und er wurde schnell zu einem der Lieblingssongs meiner Fans. 

Esther Graf

Esther Graf

©Annika Yanura

Wann haben Sie bemerkt, dass der Traum des Mädchens aus dem Dorf wahr wird? 

Das war bei meiner ersten Headliner-Tour 2023. Zu sehen, dass sich Menschen wirklich ein Ticket holen, nur um meine Musik zu hören – das war einfach crazy! Da hab ich echt gemerkt, dass ich gerade etwas lebe, wovon ich früher nur geträumt habe. Ich bin so dankbar, dass es Menschen gibt, denen meine Musik etwas bedeutet.

Wie war es dann erst, als  ihr Gesicht riesengroß am Times Square zu sehen war? 

(lacht) Das kann man fast gar nicht glauben, weil es so absurd ist – sein eigenes Gesicht mitten am Times Square zu sehen!  Aber ja, pure Dankbarkeit – und ein bisschen stolz. 

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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