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Alles LANG: Die unbekannte Seite von Helmut Lang

Der Wiener Modepionier, dessen eine Gesichtshälfte weltbekannt ist, revolutionierte eine ganze Generation. Eine Ausstellung im MAK Wien zeigt sein unbekanntes Werk.

Die großzügigen Vitrinen in der hellen Ausstellungshalle sind schwarz und wirken auf den ersten Blick wie Monolithe. Minimalistisch eben – oder essenziell, wie MAK-Kuratorin Marlies Wirth erklärt. „In den  Geschäften  wurden sie als Auslage für Kleidung verwendet, in der Ausstellung  werden sie zu skulpturalen Installationen und dienen als Vitrinen für das  originale Archivmaterial“, erläutert Wirth das Konzept der Ausstellung  „Séance de Travail“. Helmut Lang ist als Modeschöpfer den meisten ja bekannt. „Wir haben im MAK das  größte öffentlich zugängliche Archiv zu seinem Werk, das seit 2011 Teil der MAK-Sammlung ist. In dieser Ausstellung soll das gezeigt werden, was man von Helmut Lang noch nicht kennt: seine radikale Vision von Design und Identität zwischen 1986 und 2005“, so Wirth. 

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Helmut Lang Store mit Kunstinstallation von Louise Bourgois

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Konzipiert als Mixed-Media-Präsentation  mit maßstabsgetreuen Installationen, wird gezeigt, was rund um seine Modekollektionen noch alles passierte. „Lang ist Essentialist der ersten Stunde, das möchten wir mit dieser Ausstellung sichtbar machen“, sagt die Kuratorin. 

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 Langs Entwurf seiner „Made to Measure“-Studios in New York. Maßstabsgetreu nachgebaut in der Ausstellung 

©MAK Helmut Lang Archiv. Courtesy of hl-art.

Langs Konzept von Reduktion, Funktionalität und Subversion erlangte in den 1990er-Jahren Kultstatus. Lilli Hollein, Generaldirektorin des MAK, erklärt die Essenz der Ausstellung: „Sie zeigt Langs präzise, künstlerische Herangehensweise, die nicht nur für die Entwicklung einer Marke wesentlich war, sondern eines Lebensgefühls, und die es Besuchern ermöglicht, tief in dieses besondere Gefühl einzutauchen.“

Modevisionär und Vordenker

Neben Kampagnen, Flagship-Stores und der Zusammenarbeit mit Künstlern wie Jenny Holzer oder Louise Bourgeois entwickelte Lang mit „Séance de Travail“ auch ein neues Modenschauformat. Kuratorin Wirth greift Langs Konzept der „Arbeitssitzung“ auf, die ab 1988 den klassischen Laufsteg ersetzte.

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Die legendäre Show der Herbst/Winter-Kollektion 1994/95

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In dem Lang Damen- und Herrenmode gemeinsam von Models und Freunden unterschiedlicher Herkunft, Geschlechts und Alters am Catwalk vorführen ließ. Entlang der Themen „Identity“, „Space“, „Séance de Travail“, „Media & Cultural Presence“, „Artist Collaborations“ und „Backstage“ wird Helmut Langs Modeschaffen als verflochtenes System sichtbar, das Mode, Zeitgeist, visuelle Konzepte,  Architektur und  Kunst als Teil einer kulturellen Botschaft vermittelt.

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Auch die Séance de Travail der kultigen Fall-Kollektion 93/94 mit Elfie Semotan als Model ist zu sehen

©MAK Helmut Lang Archiv. Courtesy of hl-art.

Bereits Anfang der 1980er-Jahre war die Wiener Avantgardeszene ganz verrückt nach seiner „Anti-Couture“ und seinem intellektuellen „Made to Measure“-Service, der sich vom Glamour der Überinszenierung und den Statussymbolen der 1980er-Jahre abgrenzte, und pilgerte zu „Bou Bou“, Langs erster Boutique. 

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 Taxi-Werbung 1998 in New York Ausstellung „Séance de Travail“

©MAK/Christian Mendez

Seine erste Kollektion zeigte er 1986 in Paris, 1997 verlegte er sein Modelabel nach New York und zeigte als erster Designer seine Show im Internet. Die Website bewarb er mit über 1.000 Werbeschaltungen auf New Yorker Taxi-Tops, die zum Markenzeichen Manhattans wurden. Aber noch etwas hatte Helmut Lang allen voraus: einen präzisen minimalistischen Stil, nämlich die Helmut-Lang-Identität.

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Werbesujet-Probedruck aus den Kollektionen HW 02/03 & SS 02

©MAK Helmut Lang Archiv, LNI 1778-4-22. Courtesy of hl-art.

„Die Begeisterung für Helmut Lang, gerade im Hinblick auf den in der Ausstellung abgebildeten Zeitabschnitt, und das große Interesse an ihm, auch in einer heutigen Modeszene, belegen seine Relevanz. Sein Einfluss, und wie sehr er viele Designer inspiriert hat, kann man bis heute deutlich ablesen“, so Lilli Hollein.

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 Werbeumschlag der international Herald Tribune

©MAK Helmut Lang Archiv, LNI 536-170. Courtesy of hl-art

Von sich selbst zeigte er der Öffentlichkeit stets nur eine Gesichtshälfte, fotografiert von Elfie Semotan. Versehen mit minimalistischer Typografie, setzte er Fotografie als konzeptuelles Element und als Teil seines Marken-Statements ein.  „Im Kapitel ,Identity’ haben wir dem Thema  der kulturellen Werbung Raum gegeben. Lang nahm damals zum Beispiel ein Bild von Robert Mapplethorpe oder von einer US-Flagge und setzte es quasi als Vignette unter seinen Namen im Weißraum ein, etwa bei  der New Yorker Werbekampagne für Denim“, sagt Wirth.

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 Lang Werbung als Parfum-Sachet

©MAK - Österreichisches Museum f/MAK Helmut Lang Archiv, LNI 572-2-3. Courtesy of hl-art.

Dadurch bekam seine Mode eine neue kulturelle Bedeutung und rief Emotionen hervor. So stand erstmals nicht die Mode im Vordergrund, sondern die Identität und Aussage des Trägers. „Lang hat mit Weitsicht Orte und Situationen geschaffen, die den Menschen und seine Erfahrung  in den Vordergrund stellen und nicht das Produkt und den Konsum“, so Wirth. „Strategien, die bei Helmut Lang künstlerisch waren, werden heute von Luxusmarken vereinnahmt, wie etwa Künstlerkooperationen. Auch das zeigt, wie avantgardistisch Helmut Langs konzeptionelles Denken war“,  erklärt Hollein.

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 Dekonstruierte Mode aus einem Lookbook

©MAK Helmut Lang Archiv, LNI 563-69. Courtesy of hl-art.

In den Vitrinen sind auch hybride Objekte ausgestellt. Accessoires zwischen Kleidung und Objekt, etwa Halfter, Gurte, dekonstruierte Tanktops. Sie entschlüsseln Langs Mindset: nur das, was unbedingt notwendig ist, wurde verwendet. Sein reduzierter Stil, der durch die Verbindung von Streetwear, subkulturellen und folkloristischen Einflüssen, maßgeschneiderter Kleidung und Abendmode als codierte „Uniform“ entstand, gab  der damaligen  kreativen Generation eine neue Identität.

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 Look für die Show: Polaroid von Stella Tennant

©MAK Helmut Lang Archiv. Courtesy of hl-art.

Auch der Begriff „Backstage“ bekam unter dem Wiener Modedesigner eine neue Bedeutung:  In der Ausstellung werden Konzepte, Fotografien, Skizzen und über 3.000 Polaroids und Filme gezeigt, die klarmachen, welche Prozesse notwendig sind, um solche kulturellen Systeme überhaupt aufbauen zu können.

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Originale Showvideos können in der Ausstellung angesehen werden

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Am Catwalk mit Helmut Lang

Besucher können im MAK in digitalisierten Lookbooks stöbern, Fitting- und Run-of-Show-Polaroids betrachten, sowie die Unmittelbarkeit von Backstage-Fotografien, originalen Runway-Videos, Castinglisten und Showabläufen, die die Atmosphäre der 1990er- und 2000er-Jahre wiedergeben, hautnah miterleben.

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Helmut Lang Archiv: Look von Sophia Coppola

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In diesem „emotionalen“ Archiv zeigt sich der „Backstage“-Bereich als subversiver Raum, in dem Besucher bekannte Gesichter der Zeit entdecken können: von Supermodels wie Kate Moss bis zu Langs Freunden wie Model Cordula Reyer, die von Juergen Teller bis Elfie Semotan abgelichtet wurden. Auch ein Stück seiner ikonischen Herbst/Winter-Kollektion 1994 ist ausgestellt. „Es geht weniger darum, was Helmut Lang im Einzelnen gemacht hat, sondern darum, wie er gedacht hat. Sein Mindset soll künftige Generationen inspirieren“, so Wirth.

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Die Ausstellung ist vom 10.12.25 bis 3.5.26 im Wiener MAK zu sehen

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„Lang ist weitsichtig und sehr bescheiden und war immer schon ein Künstler“, erzählt die Kuratorin, die Lang in seinem Haus auf Long Island besuchte. Der Ausstellungstitel „Séance de Travail“ steht für den Arbeitsprozess an sich. „Das ist in seiner Arbeit immer spürbar. Alle Lookbooks wurden von ihm zusammengestellt und hatten fast den Charakter von Editorials. Es geht um ein lebendiges Archiv, das dazu anregen soll, immer Neues auszuprobieren. Das gilt für alles im Leben, nicht nur für die Mode“, erklärt Marlies Wirth.

Ausstellung 

HELMUT LANG. SÉANCE DE TRAVAIL 1986–2005, EXCERPTS FROM THE MAK HELMUT LANG ARCHIVE 

10.12.2025–3.5.2026 

MAK, Stubenring 5, 1010 Wien 

Florentina Welley

Über Florentina Welley

Mag. Florentina Welley schreibt seit 2006 als Lifestyle-Autorin über ihre Lieblingsthemen: Mode, Reise, Design und Kunst. Darüber hinaus konzipiert sie Shootings, kuratiert auch Kunst- und Designevents. Auch Film-Erfahrung hat sie, etwa als Co-Produzentin für den Spielfilm „Die toten Fische“, darüber hinaus ist sie in Werbung und Medien bekannt für Konzepte, Textierungen jeden Genres und Modeproduktionen samt Styling, Regieassistenz, Ausstattung und Kostümbild.

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