© Michael Andrusio

Reportage

Goodwood Festival of Speed: Das Woodstock für Autofans

Jedes Jahr wird das Anwesen des Earl of March zum Treffpunkt für Autofans. Wir waren dort.

von Michael Andrusio

07/05/2016, 12:23 PM

Einmal muss man es erlebt haben. Sonst lässt sich der Irrsinn des auf den gräflichen Liegenschaften des Earl of March stattfindenden Festival of Speed nicht begreifen. Jedes Jahr strömen Ende Juni 180.000 autonarrische Briten (aber nicht nur) in die Gegend von Chichester rund eine Autostunde südlich von London, um auf dem Boden und in der Luft Vehikel zu sehen und zu hören, die vor allem eines sind - stark, schnell, laut und selten. Von (fast) aktuellen Formel-1-Autos bis zu nie gesehenen, schrulligen, motorgetriebenen Machwerken.

Sonst ist die Gegend rund um das Anwesen von Goodwood, so der Name der gräflichen Liegenschaft, friedlich, mit sanften Hügeln, grünen Wiesen inklusive grasenden Schafen und verschlafenen Ortschaften. Außer an den Tagen des Festival of Speed mit von Autokolonnen verstauten Straßen.

„Das Festival of Speed ist eines der erfolgreichsten Events, das in den vergangenen 50 Jahren erfunden wurde… ein wundervoller Ort“, sagt beispielsweise Milliardär Richard Branson über das Event.

Was abseits des Festivals stattfindet, interessiert hier niemanden – Brexit, Fußball-EM? Alles kein Thema.

Earl of March

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Seit 1993 veranstaltet der Earl of March sein Festival of Speed, seine Familie lebt seit über 300 Jahren im Goodwood House. Sein Vater ist der 10. Herzog von Lennox, Gordon und Aubigny und mit seinem 1989 verstorbenen Ur-Großvater hat die Auto-Leidenschaft in der Familie Einzug gehalten. Er fuhr Autorennen, war Pilot in der Royal Air Force und baute den Westhampnett Flugplatz zum Goodwood Motor Circuit um.

Die Location blieb praktisch unverändert, gewachsen sind Starterfeld und Zuschauerzahlen. Und mittlerweile hat die Veranstaltung so einen Stellenwert, dass die großen Autokonzerne gerne ihre neusten Supersportwagen vorführen. Das heißt, was vor kurzem noch wohlbehütet im Scheinwerferlicht eines Autosalons stand, wird hier vom einem professionellen Testfahrer, den so genannten Hill Climb, eine 1,9 Kilometer lange, sanft bergauf führende Strecke mitten durch das Anwesen, hinaufgescheucht. Und zwar so schnell es geht, alles andere würde die Zuseher enttäuschen. Aber auch das „Familiensilber“ wird hervorgeholt – sprich Autos , die sonst nur im Museum stehen, werden angeworfen und einem Rennfahrer des Vertrauens überantwortet.

Das heißt im Fall des Mercedes-Formel-1-Rennautos, dass man schon Nico Rosberg oder Lewis Hamilton heißen muss, um ins Lenkrad greifen zu dürfen. Und diese Herrschaften kommen auch nach Goodwood, um hier zu fahren. Oder es sind die Formel-1-Fahrer von einst wie Jackie Stewart, Stirling Moss oder Jochen Mass, die zur besonderen Freude der Fans Gas geben (und die Herrschaften schonen weder sich noch ihre Vehikel). Oder es kommt ein Hollywoodstar wie Keanu Reeves mit seinem Motorrad vorbei, rast durch den Park und freut sich dann über die Benzingespräche mit Nico Rosberg oder Ken Block.

Oft weiß man ja gar nicht, wo man hinschauen soll, vor allem, wenn gleichzeitig ein Eurofighter der britischen Luftwaffe oder die Kunstflugstaffel Red Arrows ihre Displays fliegen.

Das Ganze hat einen Stellenwert, der über ein gewöhnliches Oldtimer-Meeting hinausgeht. Nicht nur, dass man jedes Jahr ausverkauft ist (bei Ticketpreisen zwischen 32 und 360 Pfund). Per Livestream können Fans aus der ganzen Welt das Spektakel rund um die Uhr verfolgen und Autohersteller und Sponsoren laden die VIPs in ihre Lounges. Dort werden dann Sandwiches mit Entenbrust und Lachsbrötchen gereicht, dazu schlürft man Champagner. Im Gegensatz dazu sprechen die meisten Fans eher dem englischen Bier und Hotdogs zu.

Strohballen als Sicherung

Die Briten haben einen sehr entspannten Zugang zum Thema, das Festival of Speed ist nicht nur eine Veranstaltung für hartgesottene Fans, sondern für die ganze Familie – wobei die Jüngsten allesamt mit Gehörschutz ausgestattet werden. Die Strecke des Hill Climb führt einige Kilometer durch die gräfliche Parklandschaft, abgesichert wird sie mittels Strohballen. Es passiert nix, außer, dass dem einen oder anderen das Talent ausgeht und die Fahrt im Strohballen endet. Wenn es ein rares Auto betrifft, tut das den Enthusiasten weh, aber es bleibt im schlimmsten Fall bei der Kaltverformung der Autos. Den Streckenrekord hält übrigens Nick Heidfeld mit einem Formel-1-Auto von McLaren mit knapp über 40 Sekunden.

Nirgendwo sonst kommt man den Maschinen und den Menschen, die sie berühmt gemacht haben, so nah wie hier, sagen die Veranstalter - und Recht haben sie.

Was es alles zu sehen gibt, lässt sich ohnehin nicht aufzählen. Thematische Highlights waren aber sicher die Parade der Autos von James Hunt: Alles, was der charismatische Brite gefahren ist, wurde angekarrt – vom privaten Porsche 911 bis zu den McLaren- und Hesketh-Rennautos. Oder das 100jährige Firmenjubiläum von BMW, dem auch die spektakuläre Skulptur vor dem Goodwood House gewidmet war.

„Man hört nicht auf zu spielen, nur weil man älter wird, man wird älter, wenn man zu spielen aufhört“, sagen sie in Goodwood. Und deswegen bereitet man für September schon das Goodwood Revival vor, wo alle Besucher angehalten sind, in historischen Kostümen zu erscheinen.

Bilder vom Festival of Speed 2016

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