
Weekender im Kleinwalsertal: Wandern und Walser-Tradition erleben
Wandern, regionale Küche, lebendige Walser-Tradition und das alles bei klarer Höhenluft. Ein perfekter Kurztrip für alle, die Natur und Erholung suchen.
Überblick
Nur eine Straße führt ins Kleinwalsertal – und zwar von Deutschland aus. Von Wien aus fährt man 6 Stunden und 45 Minuten über die Westautobahn.
Von Marlene Penz
Nur eine Straße führt ins Kleinwalsertal – und zwar von Deutschland aus. An deren Ende: pure Alpenidylle. Diese macht das Vorarlberger Tal mit rund 1,7 Millionen Übernachtungen jährlich zur drittgrößten Tourismusregion Österreichs.
"Herunten haben wir 14 Grad, oben am Berg 12 Grad – das sind nur zwei Grad Unterschied, das deutet darauf hin, dass das Wetter heute stabil bleibt. Ich würde sagen Himalaya-besteigungsfähiges Bergwetter“, erklärt Klaus Kessler (74) die Morgenlage vor den Gästen des Naturhotel Chesa Valisa in Hirschegg. Seit über 20 Jahren liefert der Seniorchef die Wetterprognose zum Frühstück. Als gebürtiger Walser und Segelflieger ist er ein Fachmann dafür.

Spektakulär: Die Breitachklamm ist die tiefste Felsenschlucht Mitteleuropas. Hier ein Blick vom Zwingsteig in den brodelnden Abgrund
©kleinwalsertal tourismus/dominik berchtoldDie Gäste – der Großteil Deutsche und Niederländer – sind keine Experten und Expertinnen für typisch alpines Wetter und nehmen die Auskunft dankbar an. Danach werden die Pläne gestaltet – geht es mit dem Wanderrucksack in noch luftigere Höhen (Hirschegg, eine der vier Ortschaften im Kleinwalsertal, liegt auf rund 1.250 Metern) oder etwa zur Breitachklamm.
Letztere ist die tiefste Felsenschlucht Mitteleuropas und je mehr Wasser dort fließt, desto imposanter ist sie – rauschend und tobend. Im Sommer bietet sie Abkühlung und weil man bei einem Besuch ohnehin nass wird, ist sie auch schlechtwettertauglich. Oder wintertauglich, wenn glitzernde Eiszapfen und erstarrte Wasserfälle sie in eine Märchenlandschaft verwandeln. Kein Wunder, dass die Klamm eines der beliebtesten Ausflugsziele im Allgäu ist – und im Kleinwalsertal. Sie liegt in Deutschland und Österreich – der Einstieg ist bei der „Walserschanz“ möglich.

Gewaltige Bergmassive trennen das Kleinwalsertal und Österreich – und bieten Gelegenheit für viele wunderschöne Gipfeltouren
©frank drechsel - kleinwalsertal tourismusSagenhafte Wanderwege
Dort befindet sich auch der Grenzgasthof Walserschanz, direkt daneben das blaue Schild mit den goldenen EU-Sternen in dessen Mitte Republik Österreich steht und darunter ein weiteres mit dem Vorarlberger Landeswappen, unweigerlich kommt man hier vorbei, wenn man ins Kleinwalsertal will, denn hierhin führt nur eine einzige Straße.
Es ist die Kleinwalsertalstraße (L 201), eine Verlängerung der deutschen Bundesstraße 19. Das Kleinwalsertal ist eine Enklave, die nur von Deutschland aus erreichbar ist – zwischen dem Tal und Restösterreich liegen teils massive Berge – der mächtigste ist der Große Widderstein mit seinen 2.533 Metern. Die Kleinwalsertalstraße ist 13 Kilometer lang und führt durch die Ortschaften Riezlern, Hirschegg und Mittelberg, danach: Sackgasse im idyllischen Ort Baad am Fuße des Widdersteins. Hier geht es nur noch zu Fuß oder mit dem Mountainbike weiter – sternförmig starten zahlreiche Wanderwege in unterschiedliche Richtungen.

Tiefe, wie von Riesenhand gezogene Furchen im Stein prägen das Bild des Gottesackerplateaus. Und seinen Namen
©hans wiesenhofer - kleinwalsertal tourismusHat man die weißen Häuser entlang der Hauptstraße passiert, gelangt man zu einem weiten Steinstrand, das Baden ist hier aber aufgrund der ständigen Brandung zu gefährlich. Die mächtigen Betonpfeiler, die aus dem Wasser ragen, sind ein Relikt aus der ertragreichen Zeit des Bananenbooms von 1900 bis 1950. Da das Straßennetz damals noch nicht so gut ausgebaut war, wurde ein Schiffsanleger errichtet, den man aber schließlich wieder aufgab und der jetzt als Ruine von den Wellen umspült wird. Im Ortskern von Agulo, dem Nachbarort von Hermigua, zeugen zweistöckige Bürgerhäuser aus dem 19. Jahrhundert von der damaligen wirtschaftlichen Blütezeit, besonders beeindruckend sind die Fassaden mit Fensterläden und aufwendigen Holzarbeiten.
Beachtliche 185 Kilometer markierte Wanderwege führen mal steil zu den Gipfeln, mal gemütlich zu Alpe und Berghütte und durch die Seitentäler – etwa das Schwarzwassertal. Es ist mit 13 Kilometern das längste im Kleinwalsertal und beginnt dort, wo der Schwarzwasserbach in die Breitach in Riezlern mündet. Wenn es wenig regnet, ist der Schwarzwasserbach an manchen Stellen vollkommen ausgetrocknet, regnet es hingegen viel, gibt es sogar Wasserfälle zu sehen und man kann das Spiel der Wassermassen in Strudellöchern beobachten.

Das Kleinwalsertal galt einst als Verlängerung der Salzstraße, viele Händler brachten Waren aus aller Welt. Entsprechend aufwendig sind die typischen Trachten
©kleinwalsertal tourismus/oliver farysEin weiteres sagenhaftes bzw. eher sagenumwobenes Stück Natur bietet sich beim Hohen Ifen, dem markanten Tafelberg, der mit flachem Gipfel, wie kein anderer das Landschaftsbild prägt. Nordöstlich von ihm erstreckt sich der „Gottesacker“, der am einfachsten über die Mittelstation der Ifenbahn erreichbar ist. Das ist eine graue Felswüste, kaum Leben ist sichtbar – keine Blumen, keine Wiesen, kein Bach – nur tiefe Spalten und Risse, an einigen Stellen glänzen sie schwarz vom Regen.

Bodenständigkeit und Gourmet-Küche vereint die „Kilian Stuba“ in Hirschegg. Dafür gab’s auch schon einen Stern für die Köche Sascha Kemmerer und Hans-Jörg Frick.
Das Plateau ist eine wild zerklüftete Karstlandschaft, das heute unter Naturschutz steht. Der Sage nach kam einst ein armer Bettler zu einem Bauern in dem Gebiet und bat um Essen. Der geizige Bauer schmierte Schmalz auf getrockneten Kuhmist und gab es dem Bettler. Doch der Bettler war kein anderer als Gott, der den Bauern auf eine Probe stellen wollte. Gott verfluchte den Bauern, ein schlimmes Unwetter zerstörte daraufhin das Land.
Kuriose Fakten. Wussten Sie, dass ...
… zur traditionellen Walser-Tracht Korallenschmuck gehört?
… die Orte hier eine österreichische und eine deutsche Postleitzahl haben?
… deutsche Staatsbürger, die im Kleinwalsertal von der österreichischen Polizei festgenommen werden und in eine Justizanstalt gebracht werden müssen, nicht über deutsches Staatsgebiet transportiert werden dürfen, sondern mit dem Hubschrauber ausgeflogen werden?
Tradition hat Tradition
Althergebracht wie diese vermeintliche Erklärung für das Naturphänomen, das entsteht, wenn Wasser stetig Kalkstein auflöst, ist auch die Koralle, die die Walser-Tracht ziert. Das Kleinwalsertal galt einst als Verlängerung der Salzstraße, Händler tauschten Rote Koralle aus dem Mittelmeer gegen Käse und Schmalz. Als Schutzsymbol und Zeichen für Wohlstand wurde sie zu Ketten verarbeitet. Noch heute werden sie zur Tracht getragen und von Generation zu Generation weitergegeben.

„Riebel“ sind gebräunte, runde, ungleich große Grießklümpchen, die gerne mit Apfelmus oder Kompott gegessen werden
©oesterreich werbung/hans de kortSie bleiben in der Familie, wie die Rezepte für „Riebel“. Riebel wird bzw. wurde im Tal meist zum Frühstück gegessen. Grob gesagt ist das Maisgrieß, der mit Milch und Butter aufgekocht wird. Die Masse zieht über Nacht bis sie am Morgen in einer Pfanne geröstet und – zumindest in manchen Familien – mit geriebenen und in einer zweiten Pfanne angebratenen Erdäpfeln vermengt wird. Das Ergebnis sind die eigentlichen „Riebel“: gebräunte, runde, ungleich große Grießklümpchen, die gerne mit Apfelmus oder Kompott gegessen werden.

Den Sommer verbringen die Kleinwalsertaler Kühe auf saftigen Almen – der legendäre Käse der Region reift dort in kühlen Kellern. Wie hier auf der Stutzalpe.
©Dietmar DengerNach einer Rorate-Messe zum Sonnenaufgang bringen noch heute die Frauen in Pfannen Riebel nach ihrem Familienrezept mit. Ein anderes Stück gelebte Tradition ist der Viehscheid. Nach dem Sommer auf den saftigen Almen kehren die Kühe zurück ins herbstliche Tal – und zwar geschmückt mit Kränzen und Schellen, heuer am 19. September, begleitet von Musik und Älplern in traditioneller Tracht.
… Reisepass bzw. Personalausweis – in das Vorarlberger Tal kommt man nur übers Nachbarland Deutschland.
… Sonnencreme – in diesen Höhenlagen schadet sie auch an bewölkten Tagen nicht.
… Funktionelle Kleidung – im Kleinwalsertal gibt es Aktivitäten für jeden Fitnesstyp.
Darüber, wie das Wetter an diesem Tag sein wird, informiert Herr Kessler seine Gäste. Dass es nebelfrei sein wird, weiß er mit Gewissheit schon jetzt. „Unsere Höhenlage ist im Herbst ein Vorteil, der Nebel kommt gar nicht erst so hoch“, erklärt er. Sie sei auch der Grund, warum es im Sommer nicht zu heiß werde und im Winter Schnee falle. „Das ist optimal. Ich will nirgends anders leben“, sagt der Walser bestimmt, auf seinen Lippen ein Lächeln.
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