Tourism rowing boat in Mekong delta, Vietnam.

Mekong-Delta: Eine Reise im Strom der Zeit Vietnams

Ein Holzboot voller Ananas, Krokodile als Haustiere und Elefantenohr-Fisch auf dem Teller: Willkommen im Mekong-Delta.

Von Nicola Afchar-Negad

Die Bilder gleichen einander wie ein vietnamesischer Kegelhut dem anderen: Menschen – von hinten fotografiert – auf dem Sampan, dem typischen Holzboot des Mekong-Deltas. In der Hand: ein Paddel. Ringsherum: ein Mangrovenwald, der über dem schmalen Kanal wuchert. Ein Bild, das viel Sehnsucht schürt und noch mehr Erwartungen. Der Mekong gehört zu den wichtigsten Flüssen der Welt, er entspringt im tibetischen Hochland, schlängelt sich durch insgesamt sechs Länder und fließt im vietnamesischen Delta ins Südchinesische Meer.

Lage des Mekong

Lage des Mekong

©Grafik

Die Vietnamesen bezeichnen den Mekong auch als Neun-Drachen-Fluss, da er sich im Delta in neun Seitenarme aufgeteilt hatte – von denen heute noch sieben übrig sind. Andere wiederum sprechen von der "Reisschüssel Vietnams", da die Gegend so fruchtbar ist – neunzig Prozent des vietnamesischen Reisexports gedeiht hier. Wie auch immer man den Mekong und sein Delta bezeichnet – es wird sofort klar, welche Bedeutung, welche Macht er innehat. 17 bis 18 Millionen Menschen leben entlang des Deltas, wobei die Zahl sinkt, die Jüngeren ziehen immer öfter die Städte vor. Auch die schwimmenden Märkte – insbesondere der größte, Cái Răng – haben schon bessere Zeiten gesehen.

Frauen verkaufen Früchte auf einem schwimmenden Markt im Mekong Fluss

Es gibt sie noch, die schwimmenden Märkte, auch wenn sie weniger werden

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Einst konnte man hier von einer Flussseite zur nächsten gelangen, wenn man von Boot zu Boot stieg – so dicht lagen sie nebeneinander. Als Tourist weiß man davon aber oft nichts, wenn man hier um sechs Uhr morgens in den Fluss des Alltags einschert. Auf jedem Boot wird zumeist nur eine Sache verkauft, welche, das sieht man an den langen Stangen, die in die Höhe ragen. Dort baumelt etwa eine Durian-Frucht – oder was auch immer es zu kaufen gibt.

Die Durian-Frucht

Für Europäer oft gewöhnungsbedürftig, aber in Südostasien beliebt: die Durian-Frucht. 

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Wer hier am Cai-Rang-Markt in die Tagestour (oft direkt aus Ho-Chi-Minh-Stadt) startet, realisiert schnell, dass das Ganze zwar nach wie vor ein Großmarkt ist, aber doch auch touristisch – deswegen aber nicht minder spannend. Und es könnte auch sein, dass man bereits am frühen Morgen weiß, ob man aufs richtige Boot gesetzt hat. Man sieht ganze Armadas von Ausflüglern in orangen Rettungswesten, die mit einem Megafon beschallt werden. Dazu die laut knatternden Motoren der Boote – idyllisch ist das nicht. Diese Gruppen werden dann auch nach Schema F auf die vielen kleinen Inseln entlang der Route geschleppt, ob sie wollen oder nicht. Die Kokoszuckerl-Farm, die Kakaoplantage, die Reisnudel-Fabrik – es hat schon etwas von einer Heizdeckenfahrt in der Tropenvariante.

Das soll jetzt aber nicht heißen, diese Stopps wären per se etwas Schlechtes, ganz im Gegenteil. Man tut nur gut daran, das Tempo rauszunehmen – und das ist durchaus bei einer Tagestour möglich. Es gilt das Gleiche wie überall auf der Welt: recherchieren, andere Reisende um Tipps bitten (z. B. Frau Ha in Can Tho – sie führt ein eigenes Guesthouse), auf kleine Gruppen setzen. Wer etwa in der Regenzeit (Mai bis November) herumschippert, schwimmt oft oben auf. Zum Beispiel mit gerade mal vier Liegestühlen auf dem Deck – und ganz viel Bewegungsfreiheit auf einem Boot, das fast schon als luxuriös durchgeht. Und der Guide, der liegt entspannt in der Hängematte, während er wie nebenbei erzählt, wie das Leben hier so spielt.

Lotusernte im Mekong

Ein Traum für Fotografen: die Lotusernte im Mekong. Die Blumen werden im Wasser ausgebreitet, um sie länger frisch zu halten Blumen 

©mauritius images / Alamy Stock Photos / Vu Khoa Nguyen Khanh/Alamy Stock Photos / Vu Khoa Nguyen Khanh/mauritius images

Seltsamste Lebewesen

Flüsse sind so viel mehr als Wasserstraßen, sie sind Erzählstränge, Lebensadern, Zeitfenster. Sie entschleunigen, wenn man sie adenn lässt. "Schon sehr braun, das Wasser" ist ein Gedanke, den vermutlich die meisten haben, wenn sie an den Stelzenhäusern vorbeigleiten. Kinder springen ins Wasser, Fischer richten ihre Netze aus, und man lernt, dass dieses Schlammige eine gute Sache ist. In der Regel ist es ein Zeichen für einen lebendigen, nährstoffreichen Fluss, man muss sich vorstellen: Der Mekong ist Heimat von weit über 1.000 Arten.

Zum Vergleich: In Österreichs Gewässern ist die Zahl zweistellig. Die Zeiten, in denen Krokodile als Haustiere gehalten und Piranhas gezüchtet wurden, sind zum Glück vorbei, aber ein gewisser Hang zum Abenteuer wird auch heute noch befriedigt. So kann man sich etwa in der Schlammspringer-Jagd üben. Die Rede ist von kleinen schlauen Tierchen, die regelmäßig in Rankings der seltsamsten Lebewesen auftauchen. Es sind Fische – aber sie haben Beine, und mit denen klettern sie auch Bäume hinauf. Sie zu fangen ist ein skurriles Happening, das auch von manch einem Resort angeboten wird. Richtig gelesen: Resort.

Aufnahme eines Schlammspringer Fisch, der die Sonne auf einem Ast genießt

Seltsames Wesen? Der Schlammspringer ist ein Fisch, der auf Bäume klettern kann

©Getty Images/lovelypeace/istockphoto

Aus Braun wird Gold

Es findet sich zwar kein Park Hyatt oder Hilton Hotel im Mekong Delta, aber sehr wohl Resorts, die man hier so eher nicht erwarten würde. Die Region besteht aus kleinen inselartigen Landabschnitten, auf denen Lambro Tuk Tuks über die Straßen holpern und Kinder den Drachentanz für das Neujahrsfest üben. Wer etwa in der Can Tho Ecolodge (die Bungalows sind aus heimischen Mangrovenholz) oder der Mekong Lodge in Cái Bè eincheckt, bekommt das große Ganze. Man kann im Pool schwimmen (im Fluss selbst ist das eine ganz schlechte Idee) und bekommt den Sonnenuntergang über dem Mekong mit, die einzige Zeit des Tages, an dem er eher golden als braun schimmert.

Die "Mekong Lodge" in Cái Bè

Die "Mekong Lodge“ in Cái Bè – im Pool schwimmen, mit Blick auf den Mekong, dessen Wasser sich dafür nicht eignet

©Mekong Lodge

Aber vor allem: Diese Bungalow-Hotels eignen sich hervorragend, um ins Leben abseits des längsten Flusses in Südostasien einzutauchen. Radtouren führen zu Reisfeldern, vorbei an Folksängern und zu Kochkursen. Wer in der Can Tho Ecolodge absteigt, kann etwa – insbesondere rings um das Neujahrsfest, das 2026 auf den 17. Februar fällt – das Ba Bô Blumendorf andenken und den ablegenden Sampans zusehen, die bis auf den letzten Quadratzentimeter mit Sonnenblumen und Chrysanthemen beladen sind.

Man darf sich nicht wundern, wenn es ab und an über einem surrt, Drohnen ziehen ihre Kreise. Und das hat nicht immer mit Influencern zu tun, vielmehr sind es die Bauern der Gegend, die damit zum Beispiel Pflanzenschutzmittel auf ihren Feldern verteilen. "Smart Agriculture"-Programme könnten die Landflucht der neuen Generation Delta nicht stoppen, aber eindämmen.

Vietnamese dish Pho soup in a cafe

Nationalgericht: die Pho-Suppe, hier in der Pho Bo Variante, also mit Rindfleisch  

©Getty Images/ArtMarie/istockphoto

Man setzt auch auf ein Reis-Garnelen-System, soll heißen: Während der Regenzeit wird Reis angebaut – ist es trocken, (Salzwasser-)Garnelen auf denselben Feldern. An allen Ecken und Flussufern wird versucht, sich auf das Leben mit der permanenten Krise – mal zu viel, mal zu wenig Wasser – einzustellen. Die Nachbarländer mit ihren eigenen Interessen – etwa Dämmen zur Energiegewinnung – machen es nicht unbedingt einfacher, das Mekong-Delta ist das letzte Glied in der Kette. Es ist zauberhaft, aber zerbrechlich.

Anreise

Die meisten reisen von Ho-Chi-Minh-City (früher Saigon) mit dem Bus ins Mekong Delta. Neben kurzen Ausflügen ist aber durchaus auch denkbar, den Mekong als Reiseroute zu betrachten. Sprich: Man fährt mit einem größeren Schiff etwa weiter nach Siem Reap (Angkor, Kambodscha) oder Phnom Penh (Hauptstadt Kambodschas). 

Tipps

Bootstouren 

  • Mekong Eyes: Zweitägige Delta-Tour auf einem 39 Meter langen umgebauten Reisfrachter. Übernachtung an Bord in einer der 14 Kabinen. mekongeyes.com
  • Basaac Cruise: Charmantes Holzboot für 12 (Basaac I) bis 24 Passagiere (Basaac III). Mahlzeiten für die Zwei-Tagestour werden frisch an Bord gekocht., z. B. über mekongcruise.com
  • Aqua Mekong: Die Luxusvariante –  mit modernem Design. Drei Decks, vierzig Gäste, vierzig Crew-Mitglieder. Ab drei Nächten Routen z. B. nach Kambodscha oder Laos. aquaexpeditions.com

Hotels

  • Can Tho Ecolodge: 48 Zimmer in zwölf Bungalows, allesamt aus lokalen Materialien errichtet. Die Stadt Can Tho befindet sich direkt am größten Seitenarm des Mekong. cantho.ecolodge.asia
  • Legacy Mekong: 2,5 km vom Stadtzentrum in Can Tho – und nur unweit des Mekong-Geschehens. Ein durch und durch entspannter Ort.
  • Mekong Lodge: Nur 2,5 Stunden von Ho-Chi-Minh-Stadt entfernt. 26 Bungalows und ein Pool mit Traumblick auf einen der Delta-Hauptarme. 
    mekonglodge.com

Erlebnisse

  • Mystic Sampan: Zweistündige Bootstour zur goldenen Stunde. Es muss ja nicht immer der Markt frühmorgens sein, z. B. via mekong-delta.com 
  • Foto-Tour: Das Ausbreiten von Lilien auf dem Wasser ist ein bekanntes Fotomotiv und man kann das als  Fototour buchen, z. B. momentlives.com 
  • Reispapier-Werkstatt: Im Cai Be-Bezirk: Reispapier-Werkstatt von Frau Năm. z. B. über tnktravel.com

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