Hiking Path, Cliffs nearby Xlendi Tower bei Gozo, Malta

Hier steht die Zeit still: In vier Etappen durch Gozo

Fünfzig Kilometer voller Ruhe, das Meer zur Linken, malerische Kulissen zur Rechten: Das ist Gozo. Eine Umrundung in vier Etappen.

von Lisa Rieger 

 

Katrin nimmt ihren Pfirsichkern in die Hand. Dann holt sie aus, wirft den Kern so weit sie kann, er fällt in die Tiefe. Dass ihn die Wellen nach einem langen Flug verschlucken, lässt sich nur erahnen. Zu tief geht es bergab. 145 Meter, um genau zu sein. Die Augen können zwar nicht dem Kern folgen, sie können aber die Klippen entlangwandern und das spektakuläre Naturschauspiel bewundern. 

Dramatisch klatschen die Wellen an die schroffen Felsen, die so weit emporragen, dass alle Wanderer, die oberhalb unterwegs sind, wie winzige Marienkäfer aussehen. Die Ta’ Ċenċ-Klippen bei Sannat sind nur ein Highlight der Gozo-Umrundung.

Vier Tage dauert es, die kleine Schwester von Malta zu Fuß zu umkreisen. Knapp fünfzig Kilometer werden zurückgelegt. Fünfzig Kilometer, die eine einzigartige Perspektive auf die Insel ermöglichen und durch unberührte Natur, malerische Dörfer und vorbei an spektakulären Klippen führen. 

Gozo, auf der Kalypso Odysseus gefangen gehalten haben soll, wirkt mancherorts, als wäre die Zeit stehen geblieben und verbreitet eine entschleunigende Ruhe fernab von Maltas Partytrubel. 

Etappe 1: Mgarr – Xlendi 

Ausgangspunkt der Umrundung ist die Hafenstadt Mgarr, wo auch die Fähre aus Valletta anlegt. Der Name bedeutet „geschützter Hafen“ – passend, denn 1798 leisteten die Bewohner erbitterten Widerstand gegen Napoleons Eroberung. 

Sobald die Stadt mit ihren sandfarbenen Häusern endet, öffnet sich die Landschaft: Sanfte Hügel in sattem Grün, terrassenförmige Äcker und ein majestätischer Blick auf das tiefe Blau des Meeres. Nicht selten wird Gozo mit Irland verglichen, was besonders Besucher im Frühling und Herbst nachvollziehen dürften. 

Der Weg führt entlang der Küste, vorbei am Mgarr ix-Xini-Turm. Darin wartet Joe aus Kanada, der mit seiner Frau nach Gozo zog und sich nun hier als Freiwilliger engagiert. Er erzählt: „Dieser Turm ist einer der größten Küstenwachtürme, die die Johanniter-Ritter verteilt auf der Insel bauten. Mithilfe dieser hatten sie einen 360-Grad-Blick auf die umliegenden Gewässer.“ 

Die Felsformation Wied il-Milah im Sonnenlicht

Die Felsformation Wied il-Milah ist das neue Markenzeichen von Gozo

©Getty Images/iStockphoto/Ramon Portelli/iStockphoto

Die gleichnamige Bucht hinter dem Turm erinnert an einen Fjord, soweit ins Land mündet die Meereszunge. Nach einem Abstecher ins Landesinnere geht es mit der dramatischen Aussicht auf 145 Metern über dem Meer weiter – auf den Ta’ Ċenċ-Klippen. Am Ende des Tages  belohnen einen  deliziöse Meeresfrüchte-Gerichte zwischen den Felswänden der engen Bucht von Xlendi (sprich: Schlendi), einem einstigen Fischerdorf, heute ein touristisches Zentrum mit hohen Hotelbauten. Wer ein Zimmer mit Meerblick ergattert, wird Zeuge, wie der Sonnenuntergang die Bucht in goldenes Licht taucht.

Etappe 2:  Xlendi – Gharb 

Am zweiten  Tag geht es sportlich los. Steinstufen führen aus Xlendi hinaus, hoch zu den Klippen, wo, wie auf der ganzen Strecke, wieder ein roter Punkt als Wegweiser dient. Heute ändert sich die Landschaft zuweilen radikal. 

Höhepunkt sind Globigerinenkalksteine, die bizarre Gebilde formen, die an Pilze erinnern. Tagesziel ist das Dorf Gharb im Landesinneren mit seinen knapp 1.550 Einwohnern, darunter viele Ausländer, die sich hier eine Sommerresidenz gönnen. 

Vom Zentrum öffnet sich ein schöner Blick auf die Basilika ta’ Pinu, zu der es jährlich eine Wallfahrt gibt, die auf eine Marienerscheinung zurückgeht. Von Gharb lohnt sich ein abendlicher Ausflug zum Wied il-Mielah-Window – eine imposante Felsformation, die als nachfolgendes Wahrzeichen des 2017 eingestürzten Azure Window gehandelt wird. 

The Basilica of the National Shrine of the Blessed Virgin of Ta' Pinu in Gozo island, Malta

Das Dorf Gharb bietet einen fantastischen Blick auf die Basilika ta’ Pinu bei der es eine Marienerscheinung gegeben haben soll.

©Getty Images/wildart/istockphoto

Etappe 3: Gharb – Marsalforn 

Zurück an der Küste bieten die Salzpfannen der Xwejni-Bucht (sprich: Schwejni) einen faszinierenden Anblick: sandfarbene, schachbrettmäßig angeordnete Becken, die schon die Römer in den Kalkstein schlugen und in denen bis heute Salz gewonnen wird. „Die Familie Cini etwa macht das schon in fünfter Generation“, erklärt Johnny, der aus der Region kommt und Touristen gerne Geschichten erzählt. 

„Das Salz aus Gozo ist besonders weich und magnesiumhaltig.“ Im  beschaulichen Küstenort Marsalforn,  für viele der schönste Platz in Gozo, wartet Unterkunft Nummer drei – etwa bei den charmanten Schwestern Maria und Giovanna, die gemeinsam mit ihrem dementen Vater liebevoll ein Gästehaus betreiben, und mit köstlichem selbst gemachtem Frühstück verwöhnen.

Die Route der Reise im Artikel

Etappen
· Etappe 1: Mgarr – Xlendi rund 12 km
· Etappe 2: Xlendi – Gharb rund 12 km
· Etappe 3: Gharb – Marsalforn rund 12 km
· Etappe 4: Marsalforn – Qala/Mgarr rund 16 km
· Die Etappen sind als leicht bis mittelschwer eingestuft
 

©Grafik

Anreise: Mit Austrian Airlines Nonstop von Wien nach Malta und dann weiter via Fähre von Valetta nach Mgarr. Die Schnellfähren legen stündlich ab und brauchen in etwa 20 Minuten.

Hotels: 

  • Xlendi: St. Patrick’s Hotel direkt im Zentrum mit einem fantastischen Blick über die Bucht, es gibt eine Dachterrasse mit Pool und Sonnenliegen, die zum Verweilen einlädt.
  • Gharb: Grotto’s Paradise, eine von Italienern geführte Unterkunft in einem alten typischen Bauernhaus aus gelbem Kalkstein.
  • Marsalforn: Maria Giovanna Guesthouse, liebevoll von zwei Schwestern geführtes Gästehaus im Zentrum von Marsalforn mit Blick auf das Meer und köstlichem Frühstück
  • Qala: L’Eremita Boutique Hotel, die Gemäuer stammen aus dem 16. Jahrhundert und bieten heute eine luxuriöse Unterkunft, wo die Seele baumeln kann. 

Etappe 4: Marsalforn -Qala/Mgarr 

Und da ist schon der letzte Tag der Umrundung angebrochen. Die letzte Etappe ist konditionell anspruchsvoll und sollte nicht bei Regen gegangen werden, da über große Strecken der Untergrund nicht felsig, sondern erdig ist. 

Orte, um während der Tour zu entspannen,  gibt es viele – etwa die Ramla Bay mit ihrem goldbraunen Sandstrand oder die Dahlet Qorrot-Bucht, wo Fischerboote in bunt gestrichenen und in Fels gehauenen Garagen festgemacht sind. Es geht  landeinwärts, vorbei an terrassenartig angelegten Feldern und Straßen, die von kleinen Steinmauern gesäumt sind. 

Dahinter  spenden Feigenkakteen Schatten, und Bäume tragen Orangen, Zitronen oder Oliven

Es bietet sich an, die letzte Nacht in Qala zu verbringen – einer 2.300-Einwohner-Gemeinde mit pittoresker Kirche und geselligen Bars – und am nächsten Morgen die letzten Kilometer nach Mġarr zu Fuß zurückzulegen, wo die Schnellfähre Besucher vollbepackt mit Erinnerungen  stündlich zurück nach Malta bringt.

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