Welterbe und Museum: das Markgräfliche Opernhaus Bayreuth

Bayreuth abseits der Festspiele: Barock, Bier und Urban Art

Bei Wagner, Wahnfried und Wilhelmine außerhalb der Festspielsaison: Ein Spaziergang durch die UNESCO-Welterbe-Stadt mit Barock und Bier, Klavierbauern und Urban Art.

Richard Wagner. Es gibt ihn als Gartenzwerg oder als Skulptur – dirigierend die Arme emporstreckend – auf Kuben entlang des „Walk of Wagner“ zwischen dem Haus Wahnfried und dem Festspielhaus. „War das ein Feuergeist, ein Revolutionär und ein Reformator der Kunst“, schwärmte Gustav Mahler über sein Vorbild.

Durch das Operngenie wurde Bayreuth Kult, durch seine Geschichte zum Mythos. Der „o-beinige Sachse“, wie ihn Oskar Werner flapsig nannte und die Filmrolle dann doch lieber Richard Burton überließ, und das oberfränkische Provinzstädtchen mit Weltruf gehören zusammen wie Tristan und Isolde.

Im Sommer übertönt das Fortissimo der 1876 gegründeten Festspiele (24. Juli bis 26. August 2026) alles, was Bayreuth sonst noch zu bieten hat: zum Beispiel Kulinarisches wie „Bareiter Kleyeß“, traditionell halb-rohe und halb-gekochte Kartoffel, wie sie hier gern zum Braten serviert werden.

Ein Besuch der 73.000-Seelen-City lohnt auch außerhalb der sechs Wochen, wenn das verschlafene Nest durch knapp 60.000 Besucher zur „Weltstadt auf Zeit“ wird, zum Schauplatz für Society-Klatsch oder zum empfindlichen Nervenzentrum deutscher Kultur.

W wie Wilhelmine

Den ersten Schritt aus der Bedeutungslosigkeit verdankt das schlichte Städtchen – Jahrzehnte vor Wagner – einer intelligenten, emanzipierten und kunstbegabten preußischen Prinzessin: Wilhelmine (1709–1758), die Lieblingsschwester Friedrichs des Großen, holt die berühmtesten Künstler Europas in die Residenzstadt. Die Powerfrau ist ein Glücksfall für Bayreuth: Die älteste Tochter des Preußenkönigs Friedrich Wilhelm I. wird zwar als zukünftige Königin von England erzogen, muss aber Friedrich III. von Brandenburg-Bayreuth heiraten. Für sie heißt das: Provinz statt Preußen, Markgräfin statt Prinzessin. Sie korrespondiert mit Voltaire, der 1743 schreibt: „Bayreuth ist eine wunderliebe Stadt. Man kann hier alle Annehmlichkeiten des Hofes ohne die Unannehmlichkeiten der großen Welt genießen.“

Sie ist von Bayreuth zunächst bitter enttäuscht, prägt aber das Stadtbild bis heute: Die Herbstsonne taucht die Sandsteinfassade in der Opernstraße 14 in mildes Licht. Von außen wirkt das markgräfliche Opernhaus fast unauffällig. Innen machen ein barocker Goldrausch bis hoch an die Decke, reich verzierte Balkonlogen, Säulen und verspielte Ornamente sprachlos. Das schönste original erhaltene Barocktheater überhaupt – Wilhelmines Spielwiese als Komponistin, Autorin von Libretti und Intendantin – wurde 1748 eröffnet zur Hochzeit ihrer Tochter Elisabeth Friederike Sophie, die Casanova als „die schönste Prinzessin Europas“ rühmte.

Es ist kleiner als gedacht, aber mindestens doppelt so beeindruckend wie erwartet und war Kulisse für den Film „Farinelli“ über den Kastraten und Gesangskünstler Carlo Broschi. Das zuletzt umfassend sanierte Theater, das auf drei Rängen fünfhundert Besuchern Platz bietet, steht seit 2012 auf der Weltkulturerbe-Liste der UNESCO. Das Festival „Bayreuth Baroque“ (4.–13. 9. 2026) holt die riesige hölzerne Klangbox einmal jährlich mit Opernraritäten aus dem musealen Schlaf.

Natur und Fantasie im Neuen Schloss

Einen anderen Blick in eine vergangene Welt sollte man nicht verpassen: Mit Geschmack und verspielter Rokoko-Eleganz hat Wilhelmine auch das Neue Schloss am Hofgarten als Bayreuther Residenz ausgestattet. Durch die bewusste Fragmentierung statt klassischer Symmetrie skurril und fremd wirkt das Spiegelscherbenkabinett.

Im Japanischen Zimmer „fliegen“ Vögel an den Wänden, ein märchenhafter Versuch, Natur und Fantasie ins Schloss zu holen – wie das Palmenzimmer mit Nussholzvertäfelung, goldener Stuckdecke und geschnitzten Palmenmotiven – verspielt und voller subtiler Details.

Hier ist die Vergangenheit ein Reiseziel: die Eremitage bei Bayreuth, 1735 ein Geschenk des Markgrafen zu Wilhelmines 26. Geburtstag. Sie baut den romantischen Landschaftspark vor der Stadt zum Gartenparcours aus: mit Grotten, Wasserspielen vor dem Sonnentempel und der Orangerie, „Ruinen-Theater“ und „Eremitenhäuschen“, Arkaden und Pavillons. Visuell überraschend und fast surreal: das chinesische Spiegelkabinett als Mix aus Barock, asiatischem Stilgedanken und einem avantgardistischen Spiel mit Licht, Raum und Spiegelung.

verkleidete Frauen in der Eremitage Bayreuth

Der Dresscode zu Wilhelmines Zeit in der Eremitage.

©Werner Rosenberger

W wie Wagner

Kein Weg führt vorbei am Haus Wahnfried: früher Residenz des deutschesten aller Dichterkomponisten und Geschenk von König Ludwig II., heute Wagner-Museum und nach einem Bombentreffer im Krieg mehr Rekonstruktion als Original.

Farbenprächtig das Erdgeschoß: das Karmesinrot der Eingangshalle, das helle Grün im „Saal“ zum Garten hin, das Lila der filigranen Tapete des Salons, die Grautöne im Speisezimmer.

„Hier, wo mein Wähnen Frieden fand“, steht über dem Portal, „Wahnfried sei dies Haus benannt.“ Erweitert um einen flachen modernen Glasbau ist das Ensemble weit davon entfernt, das „Ärgersheim“ zu sein, wie von Wagner so genannt in den Jahren der Errichtung ab 1872.

Villa Wahnfried

Villa Wahnfried: Zuerst Richard Wagners „Ärgersheim“, dann  seine Residenz  von 1874 bis 1883.

©Werner Rosenberger

Im Untergeschoß sind Wagners schwarzes Barett, sein Reisekoffer, Partituren und das Sterbesofa aus Venedig ausgestellt. Originalkostüme von Rudolf Schock bis Grace Bumbry und Bühnenbildmodelle illustrieren die Festspielgeschichte.

Im Garten ist Wagner beerdigt, wo der gutmütige schwarze Neufundländer- Rüde Russ „ruht und wacht“, wie auf der kleinen Steinplatte daneben steht. Noch heute zur Festspielzeit liegen da Kränze. Auf Wagners Grab (ohne Namen) und – manchmal mit Kauknochen – auf Russ’ letzter Ruhestätte.

„Wagner ist nie auserzählt“, sagte Katharina Wagner, Urenkelin des Opern-Giganten und seit 2008 Leiterin die Bayreuther Festspiele. Das 150-Jahr-Jubiläum steht 2026 bevor. „Es ist ein Innehalten, ein Zurückblicken, ein Vorausschauen.“ Aufgeführt werden dabei erstmals alle zehn von Wagner selbst für das Haus am „Grünen Hügel“ vorgesehenen Werke und eine szenische Neuproduktion des bisher nie im Festspielhaus gezeigten umstrittenen Frühwerks „Rienzi“.

Info

Anreise Per Bahn (Umstiege in Regensburg und Weiden); oder bis Nürnberg und weiter mit dem Bus nach Bayreuth, oebb.at

Hotel Im historisch-traditionellen Haus Goldener Anker, sehr zentral gelegen bei der Oper, haben schon viele Prominente übernachtet – von 
Richard Strauss bis Romy Schneider, Mark Twain und Wim Wenders. Opernstraße 6;  Tel.: +49 (0) 921 / 78 77 74-0, anker-bayreuth.de

Restaurant Nur ein Katzensprung von Bayreuth entfernt: Das mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnete „Aura“ der Top-Köche Alexander Herrmann und Tobias Bätz im Posthotel Wirsberg bietet ein außergewöhnliches Fine-Dining-Erlebnis für Feinschmecker –  kreativ und wunderschön präsentiert. Marktplatz 11,
Wirsberg, Tel.: +49 (0) 9227 2080; herrmanns-posthotel.de

Bier Maisel&Friends: Brauerei, Restaurant und Shop, maiselandfriends.com

Kultur und Museen bayreuther-festspiele.de, wagnermuseum.de, bayreuthbaroque.de, festival150.com, bayreuth.de

Ferien Messe Wien
Auf der Ferien Messe Wien (vom 15. bis 18. Jänner 2026) ist auch Ostbayern vertreten (Stand C-930) – und die KURIER Reise. Infos: ferien-messe.at

Kein Direktklang

Ein dunkler, hölzerner Saal und das verdeckte Orchester sind das Geheimnis der einmaligen Akustik im Festspielhaus. Die Töne, zuerst stark gemischt, strahlen so nicht direkt in den Zuschauerraum, sondern als Reflexionsklang über den Bühnenraum ins Auditorium. Und trotz mancher Krisen strömt das Publikum immer noch alljährlich zum einzigen Spielort, der dem Werk nur eines Komponisten vorbehalten ist. Und das nicht nur zur Festspielzeit.

Seit vier Generationen haben die Wagners die Macht bei den Festspielen. Bereits in der siebten Generation leitet Fanny Steingraeber mit ihrem Bruder Alban ein Familienunternehmen, das seit mehr als hundertsiebzig Jahren Pianos und Konzertflügel in Handarbeit herstellt.

An der Werkbank in der Klaviermanufaktur Steingraeber.

An der Werkbank in der Klaviermanufaktur Steingraeber.

©Werner Rosenberger

Ein Instrument besteht aus mehr als zwölftausend Einzelteilen. Bei der Führung durch die Werkstatt duftet es nach Harz, wo edel gemasertes französisches Walnussholz, Rosenholz und ostindischer Palisander lagern. Franz Liszts Original-Flügel von 1873 steht im Firmen-Palais der Manufaktur und wird noch gelegentlich in Konzerten gespielt. Wagner ließ sich von „Steingraeber & Söhne“ ein spezielles Instrument – das „Gralsglockenklavier“ – für die Tempelszenen in Wagners Oper Parsifal bauen.

Graffiti und Bier

Bayreuth ist auch ein Street-Art- und Graffiti-Spot: Besonders viel Urban Art findet sich am Gelände rund um die Bier-Erlebniswelt bei Maisel & Friends mit dem stylishen Liebesbier Hotel. Wo auch vorgeführt wird, wie aus den vier Zutaten Wasser, Malz, Hopfen und Hefe eine nahezu unendliche Vielfalt an Aromen und Biersorten entstehen kann.

Urban Art in Bayreuth

Von wegen Wagner: Bayreuth hat auch eine Passion für Urban Art von Künstlern aus aller Welt.

©Werner Rosenberger

In einer Open-Air Galerie sind rund fünfunddreißig Objekte, Skulpturen, Plastiken und Wandmalereien in der City, im Festspielpark und an der Universität versammelt. Tradition mit Innovation zu verbinden, ganz Bayreuth in ein großes Kunstwerk zu verwandeln, ist die Vision von Florian André Unterburger, Historiker und Projektleiter für das „150 Jahre Festspiele“-Jubiläum: „Wagners Festspiele waren der Höhepunkt seines Lebenswerks und eine große Innovation – eine neue Art von Event. Das Jubiläum 2026 soll diese innovative Festival-Idee aufgreifen und in die Zukunft fortschreiben.“

Werner Rosenberger wird auf der Ferien-Messe Wien von seinen Kulturreisen erzählen: Am 15.1.2026 um 16 Uhr in der KURIER Lounge.

Werner Rosenberger

Über Werner Rosenberger

Seit 1994 beim KURIER im Kultur-Ressort und Autor zahlreicher Reise-Reportagen für den FREIZEIT-KURIER. Davor hat der gebürtige Steirer zehn Jahre lang bei verschiedenen Medizin- und Wissenschaftsmedien gearbeitet, war Mitgründer und Chefredakteur einer Wochenzeitung für Ärzte, außerdem Werbetexter und Autor u. a. für GEO, Profil, Trend und Diner's Club Magazin.

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