Süßes Revival: Edelsüßweine für die Festtage
Früher Genussmittel, später wurden sie geschmäht: Edelsüßweine erleben eine zarte Renaissance. Gerade jetzt zu den Festtagen
Goldgelb bis bernsteinfarben funkelt er im Glas. Er ist von samtiger Textur, duftet nach Orangenblüten oder Akazienhonig und schmeckt nach Karamell und Zesten. So oder so ähnlich lässt sich Edelsüßwein beschreiben.
Einst galt er als Preziose. Wer es sich leisten konnte, trank edelsüß: Kaiser, Könige und Zaren waren hingerissen von der goldenen Essenz.
Doch zu Beginn des 20. Jahrhunderts verblasste der einstige Ruhm – nur ein paar Nostalgiker schwärmten weiter unbeirrt von dem edelsüßen Trank. Der vor einigen Jahren verstorbene, legendäre britische Weinkritiker Michael Broadbent etwa beschrieb ihn als "ambrosischen Nektar, dessen Geschmack nicht von dieser Welt ist".
Sonst blieb es weitgehend still um den noblen Wein. Seit dem Weinskandal 1985 machten auch Weintrinker hierzulande einen Bogen um Süßwein. Ausgerechnet dort, wo die besten Edelsüßweine auf natürliche Weise entstehen, wurde dazumal mit Frostschutzmittel nachgeholfen.
Nun erlebt Edelsüßwein eine stille Renaissance: Zu Käse oder Dessert, im Winter solo ein Gläschen vor dem Kaminfeuer – gute Süßweine faszinieren wieder. Denn süß ist nicht gleich süß: Edelsüße Prädikatsweine sind ein rares Geschenk der Natur und entstehen unter bestimmten mikroklimatischen Bedingungen: Bei feuchtwarmem Klima, wie es beständig im Seewinkel oder in Rust, im ungarischen Tokaji oder in der französischen Sauternes herrscht.
Nicht einfach nur süß
In anderen Anbauregionen wie etwa Wachau, Rheingau oder Mosel gelingen sie nur in manchen Jahren. Dabei lässt man die Trauben so lange am Stock, bis sie vom Edelschimmel "Botrytis Cinerae" befallen werden. Die Pilzsporen perforieren die Beerenhaut, die Flüssigkeit verdunstet und es bleibt eine Essenz aus Fruchtzucker und Säure.
Wer glaubt, Botrytissüßweine seien bloß süß, irrt: Die Balance zwischen Säure und Süße macht die Qualität aus! Das facettenreiche Spiel unterschiedlicher Aromen verleiht ihnen sowohl Komplexität als auch Anmut. Dabei besitzen sie ein Reifepotenzial wie kaum ein anderer Wein.
Die Produktion ist aufwendig, der Ertrag so gering wie kostbar. Das erkannte etwa der heimische Winzer Alois Kracher, der fast im Alleingang die heimische Preziose weltweit bekannt machte. Vor allem seine Trockenbeerenauslesen aus dem Seewinkel sorgten in der internationalen Weinwelt für Furore.
In den letzten Jahren hatten es Süßweine freilich schwer: Ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein ernannte Zucker zum neuen Feind. Dabei gilt wie immer: Die Dosis macht das Gift. Edle Süßweine säuft man nicht – man genießt sie. Sie besitzen zudem meist wenig Alkohol bei höchster aromatischer Intensität.
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