Von Ochsenhüfte bis Schildkröte: Alexandre Dumas' unerwartete Rolle als Kochbuchautor
Dass Alexandre Dumas auch ein Kochbuch schrieb, ist weitgehend unbekannt. Nun wurde sein Küchenlexikon neu aufgelegt.
Eine vier Kilogramm schwere Ochsenhüfte, die in eine mit Butter bestrichene Serviette eingehüllt wird, Gemüse und ein fest verschließbarer Kochtopf – viel mehr braucht ein „Ochse à l’anglaise“ gar nicht. Das zwei Stunden gegarte Gericht sei im Übrigen „nicht schlechter als ein anderes“, ist am Ende des Rezepts zu lesen. Notiert hat es, neben 1.300 anderen, der große französische Autor Alexandre Dumas in seinem „Grand Dictionnaire de Cuisine“.
Der Schöpfer von „Der Graf von Monte Christo“ oder „Die drei Musketiere“ als Kochbuchautor? Das ist vor allem im deutschsprachigen Raum unbekannt: Erst 2002 wurde das 1873 erschienene Werk erstmals auf Deutsch übersetzt. In der französischen Kochliteratur gilt das auch kulturhistorisch bedeutende Kompendium als Standardwerk.
Mit rund 3.000 Stichworten war es das erste Küchenlexikon überhaupt, dazu kommt sein kulturhistorischer Wert in die französische Alltagskultur des späten 19. Jahrhunderts. Jetzt legte der österreichische Mandelbaum-Verlag „Das große Wörterbuch der Kochkunst“ in einer neuen Auflage vor.
Obwohl eine leicht verkürzte Version, sprüht es in den rund 3.000 Stichworten nur so vor Wortwitz, Pointen – und teils noch immer erstaunlich gut nachkochbaren Rezepten.
Sofern man die richtige Topfgröße für eine vier Kilo schwere Ochsenhüfte griffbereit hat, sei an dieser Stelle hinzugefügt.
Dazu kommen alte Begriffe. Die Herausgeber Veronika Berger und Michael Baiculescu erwähnen etwa Ciboule, das Dumas häufig für Ragouts, Suppen oder Eintöpfe anführt. Auch in neueren französischen Auflagen fehlen genaue Begriffserklärungen. Es werde als Lauch oder Schalotten übersetzt – dabei handele es sich um Schnittknoblauch. Das schnittlauchähnliche Gewürz mit zarter Knoblauchnote erfährt bei uns gerade eine Renaissance als und war zu Dumas’ Zeiten offenbar ein höchst gängiges Gewürz.
Von anderen Produkten hält man heute aus guten Gründen Abstand: Im „Grand Dictionnaire“ werden Singvögel verarbeitet, auch Meeresschildkröten oder Wachtelzungen. Allerdings kann man sich im Saucen-Kapitel richtig austoben. Die Rezepte dieser Elixiere der französischen Küche füllen gut 20 Kochbuchseiten. Erstaunlich üppig gestalten sich ebenso die Röstbrotscheiben. Dumas listet 20 verschiedene Versionen auf.
Hier kommt man auch in Bekanntschaft mit Küchentechniken anno 1870. Häufig wird der Brotbelag zum Schluss mit der „roten Schaufel“ bearbeitet. Dieses langstielige, waffeleisenähnliche Metallstück wurde rot glühend erhitzt, um das mit Sauce oder Zucker benetzte Gericht zu bräunen oder zu glasieren. Anders gesagt: Eine Art Vorläufer des modernen Elektrogrills.
Genussliteratur
Was aber den wahren Charme des ungewöhnlichen Buchs ausmacht, ist seine Mischung. Es ist zwar nicht Fisch, nicht Fleisch, um kulinarisch zu bleiben. Dafür Kochbuch, Lexikon – und Literatur. Dumas’ pointierte Schreibkunst die Lektüre erst recht zum Genuss. Der koch- und reisebegeisterte Genussmensch würzte mit eigenen kulinarischen Erfahrungen, Anekdoten und durchaus spitzen Bemerkungen. So vermerkt er unter einem Krebs-Rezept: „...müssen wir feststellen, dass es die Kindheit kulinarischer Kunst noch nicht hinter sich gelassen hat“. In der Tat ist alles Wesentliche gesagt. Im Zuge des besten Verarbeitungszeitpunkts eines Fasans schreibt er: „Wenn Letzterer innerhalb von drei Tagen nach seinem Tod verspeist wird, zeichnet er sich durch nichts aus.“
Und dann wäre noch das Thema Butter zu erwähnen, das nachgerade kongenial den Literat und den Genussmensch vereint. Dumas verweist hier auf Goethes „Werther“, wo sich der Held in eine Butterbrot schmierende Frau verliebt. Der Autor gibt ebenso sein Rezept, selbst auf Reisen Butter zu erzeugen, preis. Wo möglich, habe er frische Milch (von Kuh bis Kamel) in Flaschen gefüllt und an den Hals seines Pferdes gehängt. Abends sei sie zu einem „faustgroßen Stück Butter“ geworden, „das sich selbst erzeugt hatte“.
Buch und Person
Alexandre Dumas
Der Autor (1802–1870) wurde 1827 mit dem Stück „Heinrich IIII. und sein Hof“ bekannt. Später schrieb er vor allem Abenteuerromane, sein Gesamtwerk umfasst rund 500 Bände. Über seine zahlreichen Reisen verfasste er Reportagen für Verlage.
Neuauflage
„Das große Wörterbuch der Kochkunst“ erschien im Mandelbaum Verlag (3. Auflage), 51 Euro.
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