Vea Kaisers "Fabelhafte Welt": Leitungssteuerung
Warum es schwer ist, manche Vorsätze noch im alten Jahr umzusetzen, obwohl die Zeit dafür reichen würde
Noch habe ich Zeit für meinen 2025er-Vorsatz: die Zentralsteuerung unseres potenziell sehr smarten Zuhauses endlich in Betrieb zu nehmen. Die Knochen unseres Hauses sind alt, seine Venen und Arterien jedoch sehr modern. Das Hirn des Hauses könnte mein Smartphone sein, von dem aus sich Heizung, Licht und sogar die Waschmaschine steuern ließen – würde irgendjemand all diese Geräte programmieren.
Die vergangenen drei Jahre habe ich vergeblich versucht, diesen irgendjemanden zu finden. Es soll Frauen geben, die auch deshalb in klassischen Paarbeziehungen leben, weil der Partner technische Probleme stillschweigend löst. Mir kann man das nicht unterstellen: Ich heiratete meinen Mann, weil er so schön ist. Zwar kennt er sich hervorragend mit Leitungen aus – vorausgesetzt, sie führen von Blase, Niere oder Prostata des Menschen weg. Hängt kein menschlicher Urogenitaltrakt daran, ist er heillos überfordert.
Und da ich nie die Prinzessin sein wollte, die auf den rettenden Technikritter wartet, promovierte ich im Lesen von Bedienungsanleitungen. Inzwischen unterstehen mir sämtliche Geräte im Haus. Das hat Vorteile: Allein ich entscheide, wie lange die Toilettenlüftung in meinem Drei-Männer-Haushalt nachläuft, ohne Rücksicht auf die Temperatur am stillen Ort und der Mannen Klagen, dass es beim Meditieren zieht. Der Nachteil ist, dass mich all das überhaupt nicht interessiert.
Ich würde lieber einen Roman lesen als noch ein Handbuch. Aber offenbar ist das der Preis der technischen Selbstermächtigung: Man darf alles steuern – nur nicht, womit man seine Zeit lieber verbringen würde, und muss jenen Dingen Aufmerksamkeit schenken, die man eigentlich deshalb automatisieren will, weil man sie ja gar nicht beachten will.
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