Nienke Latten und Moritz Mausser

Backstage bei Maria Theresia: So cool sind die Stars vorm Auftritt

Die "freizeit" durfte im Ronacher hinter den Kulissen Zaungast spielen, als die letzten Vorbereitungen für einen großen Theaterabend liefen.

Die steil aufragenden roten Sitzreihen unter dem prachtvollen Luster sind noch leer, die Türen für die Fans verschlossen, kein Stimmengewirr  hallt von den goldverzierten Wänden wider – und doch vibriert es Backstage im Ronacher schon spürbar. 

Ronacher,  Zuschauersaal

Beeindruckend: Der prachtvolle Zuschauersaal des Ronacher

©kurier/Martina Berger

In zwei Stunden wird sich der Vorhang heben, und viele der rund 120 Menschen, die hier für einen unvergesslichen Abend sorgen wollen, sind längst bei der Arbeit. In den verwinkelten Gängen, verwirrenden Halbstiegen und kleinen Zimmern, in denen normalerweise unsichtbar dafür gesorgt wird, dass auf der Bühne alles glänzt und strahlt, werden Perücken auffrisiert und Kostüme gebürstet, Scheinwerfer hochgezogen und jedes noch so kleine Requisit an den dafür vorgesehenen Platz gebracht. 

Wenn zu Showbeginn der Vorhang hochgeht, muss alles blind von alleine funktionieren. 

Ronacher

Manuela Widhalm, Leiterin der Ankleider

©kurier/Martina Berger

Oder es muss zumindest für die Zuschauer im Saal so wirken. Denn von alleine passiert auch im Theater gar nichts.

„Wir haben bei ,Maria Theresia’ zirka 380 Umkleidungen. Dafür haben wir oft nur 40 Sekunden für einen Umzug. Da muss jeder Handgriff sitzen“, erklärt Manuela Widhalm, die seit 30 Jahren als sogenannte Dresserin im Ronacher arbeitet und mittlerweile die Abteilung Ankleidung leitet. 

Falls jemand zu lange braucht und deshalb zu spät auf die Bühne kommt, ist der Dresser oder die Dresserin schuld. Das ist den Damen und Herren der Abteilung bewusst. Trotzdem mögen die meisten  spektakulären Stücke mit großen Kostümen und vielen Umkleidungen. 

Ronacher

Hier sorgen die unsichtbaren Helferinnen hinter den Kulissen für einen glänzenden Theaterabend: Damen-Umkleide

©kurier/Martina Berger

Manuela Widhalm zeigt uns einen meterhohen Stoß an großen Roben, die schon in der richtigen Reihenfolge geschlichtet sind, um Maria Theresias viele Verwandlungen zu gewährleisten. Um die Kleider jedes Mal extra vom Haken zu holen, dafür bleibt bei dem Stress keine Zeit. „Die Umzüge müssen mit dem Darsteller genau choreografiert werden“, erklärt  sie den Ablauf. 

Ankleiderin und Darstellerin müssen wissen, wann sie sich bücken, umdrehen, bücken, Arme ausstrecken – geredet wird dabei möglichst nicht. Der Schauspieler hat seinen Text im Kopf, seine nächste Szene, die in wenigen Sekunden starten wird – da sollte man ihn nicht rausbringen. 

Der verhexte Reißverschluss

Was ebenfalls zum Aufgabenbereich ihrer Abteilung gehört: Praktisch alle Kostüme müssen umgearbeitet werden. 

Denn sie sind zwar schön, wenn sie kommen – aber nicht unbedingt „umzugstauglich“. Dafür werden, möglichst unsichtbar,  Klettverschlüsse und Druckknöpfe eingearbeitet. Und dennoch gibt’s natürlich immer wieder diesen „verhexten“ Reißverschluss, der einfach nicht âufgehen will. 

Da hilft nur eines: ruhig bleiben. Wird der Dresser nervös, wird’s der Schauspieler auch –  und dann geht gar nichts mehr. Und der Star steht wirklich nicht rechtzeitig dort steht, wo er hingehört... 

Ronacher

Auf der Bühne: Erich Hull, Leiter der Bühnentechnik, im Gespräch mit Andreas Bovelino

©kurier/Martina Berger

Und das ist nicht nur aus Zuschauersicht wichtig für einen gelungenen Theaterabend, wie Erich Hull, Leiter der Bühnentechnik im Ronacher, betont: „In jeder Sekunde des Stückes muss jeder Darsteller am richtigen Platz stehen. Sonst kann es unangenehm werden.“ 

Warum? Weil doch fast immer etwas in Bewegung ist. Schwere Teile werden vom Schnürboden heruntergelassen, Geländer werden versenkt, Abgründe tun sich auf. Und sehr viele dieser Abläufe sind mittlerweile automatisiert, werden vorab einprogrammiert. 

Sechs Bühnentechniker und zwei Requisiteure sorgen neben und hinter der Bühne dafür, dass alles glattgeht, dazu sind noch zwei weitere und  am Schnürboden im dritten Stock für die automatisierten Bewegungen zuständig. In der „Maschine“, wie Erich Hull es in der Theatersprache nennt. 

Denn von dort oben, knapp zwölf Meter über der Bühne, werden nicht nur alle Bühnenteile, die angehoben werden müssen, gesteuert – von hier kommt hin und wieder auch der viel zitierte „Deus ex Machina“, der in letzter Sekunde eine aussichtslose Situation im Stück rettet.  Den braucht man in „Maria Theresia“ natürlich nicht – und falls doch, dürften wir das an dieser Stelle nicht verraten. 

Ronacher

Im Reich der Bühnentechnik: Kontrollmonitor an der Seitenbühne

©kurier/Martina Berger

Erich Hull ist Vollblut-Praktiker, er liebt die Herausforderungen seines Jobs, das Suchen und Finden von Lösungen, auch die Improvisation, wenn’s sein muss. „Aber wenn irgendwie möglich, nur während des Probenprozesses. Nicht bei den Aufführungen“, sagt er lachend. 

Wobei: „Es ist  trotzdem immer ein Thema, denn es gibt ja meistens noch bis zum Tag vor der Premiere Änderungen“, wie er augenzwinkernd hinzufügt.

Was Erich Hull und jedes Mitglied seines Teams ebenfalls zu jeder Zeit berücksichtigen müssen: Bei all ihren Problemlösungsaufgaben nicht überraschend selbst zum Problem zu werden. 

„Während unserer Arbeit hinter und neben der Bühne sollten auch  wir den Darstellern nicht im Weg stehen, die nach einem Abgang  oft im Vollsprint zu ihrer Umkleidestation unterwegs sind, um Sekunden später wieder aufzutreten.“

Coole Stars

Und zwei der ganz großen Stars des Musicals sind jetzt, nur mehr eine Stunde vor Showbeginn, noch entspannt genug, um in Straßenkleidung für ein paar Fotos ganz locker auf der Bühne zu posieren und sich danach zu einem kleinen Plausch in Maria Theresias keinesfalls überdimensionierten Garderobe zusammenzusetzen: Nienke Latten und Moritz Mausser. 

Und wer die holländische Musical-Darstellerin in Jeans und T-Shirt sieht, zumal als gelernter Österreicher, denkt nicht auf Anhieb an jene Kaiserin, die gern auch als Mater Austriae, als große Landesmutter, bezeichnet wird. 

Nienke Latten und Moritz Mausser

Cool auf der Bühne: Musical-Stars Nienke Latten und Moritz Mausser, eine Stunde vor Auftritt auf der Bühne des Wiener Ronacher

©kurier/Martina Berger

Vielleicht ja nur, weil man eben gerne vergisst, dass die Frau, die 40 Jahre lang das Land regiert und 16 Kinder geboren hat, auf deren Schoß der Legende nach Wolfgang Amadeus Mozart gesessen und deren „Moralpolizei“ dem armen Casanova den Besuch in der Hauptstadt des Habsburgerreichs verleidet hat, ja auch mal jung gewesen ist. 

Und während diese Zeit in unserer kollektiven  Maria Theresia kaum Erwähnung findet, ist sie ein wichtiger Bestandteil des Musicals. Maria Theresia war  noch keine 19, als sie Franz Stephan von Lothringen heiratete. „Eine Liebesheirat!“, sagt Nienke Latten sofort. „Maria Theresia war tatsächlich eine der wenigen Frauen ihrer Zeit, die aus Liebe geheiratet haben. Aus Liebe heiraten durften.“

Nienke Latten und Moritz Mausser

Backstage in der Garderobe der Kaiserin: Nienke Latten und Moritz Mausser

©kurier/Martina Berger

Moderne & Moralpolizei

Aber nicht nur das macht die Kaiserin für Latten, die sich durch akribisches Studium historischer Texte auf ihre Rolle vorbereitet hat, zu einer überaus modernen Frau. „Sie wollte mehr als man den – adeligen – Frauen ihrer Zeit zugestand, nämlich sticken, singen, tanzen und leichte Konversation pflegen“, erklärt Nienke Latten. „Maria Theresia wollte lernen. Und so hat sie eben heimlich Bücher gelesen und sich gebildet.“ 

Und zurecht verweist der Musical-Star auf die von Maria Theresia eingeführte Schulpflicht, die tatsächlich richtungsweisend und vor allem auch ein Schutz der Kinder vor Ausbeutung war – und auf ihren Kampf dafür, dass Eltern ihre Kinder gegen Pocken impfen ließen.
 

Nienke Latten und Moritz Mausser

Nienke Latten und Moritz Mausser im Gespräch mit Andreas Bovelino

©kurier/Martina Berger

Ihr Verhältnis zu Friedrich von Preußen wird im Stück natürlich emotional aufgejazzt, das verlangt ganz einfach die Dramaturgie. Wobei Maria Theresia durchaus emotional werden konnte, wenn’s um den großen Fritz ging. „Scheusal“ und „Monster“ hat die wohlerzogene Habsburgerin sonst niemanden genannt.

„Und es gibt schon Quellen, nach denen er eine Option als Gemahl war“, gibt Moritz Mausser, der ihn im Musical spielt, zu bedenken. Und erinnert auch an die zutiefst gestörte Persönlichkeit des Preußen-Königs, der jahrelang von seinem Vater misshandelt worden war. 

„Natürlich war er auch ein geistreicher, kreativer Mann, ganz sicher kein durch und durch schlechter Mensch“, fährt Mausser fort. „Aber im Stück sehen wir ihn eben mit den Augen Maria Theresias. Und für sie war er ein Scheusal, ein Monster.“

Nienke Latten und Moritz Mausser

Nienke Latten und Moritz Mausser auf der Bühne des Ronacher. Noch ganz privat, eine Stunde vor Beginn

©kurier/Martina Berger

Ob Maria Theresias im Alter immer strengere Moralvorstellungen auch etwas damit zu tun haben, dass ihr geliebter Franz Stephan sie ständig betrogen hat? 

„Ich glaube schon, dass sie enttäuscht war. Und dass ihr Vorgehen gegen unmoralische Tätigkeiten ihrer Untertanen –  sie hat ja auch die Prostitution eingeschränkt  –  damit zu tun hatte. Wenn dein Mann dich ständig betrügt, und du hast die Macht dazu, dann scheint es mir plausibel, wenn du sagst: Ich schaffe das ab!“, sagt Nienke Latten lachend, bevor sie dann doch endlich in die Maske muss.

Andreas Bovelino

Über Andreas Bovelino

Redakteur bei KURIER freizeit. Ex-Musiker, spielte in der Steinzeit des Radios das erste Unplugged-Set im FM4-Studio. Der Szene noch immer sehr verbunden. Versucht musikalisches Schubladendenken zu vermeiden, ist an Klassik ebenso interessiert wie an Dance, Hip-Hop, Rock oder Pop. Sonst: Texte aller Art, von philosophischen Farbbetrachtungen bis zu Sozialreportagen aus dem Vorstadt-Beisl. Hat nun, ach! Philosophie, Juristerei und Theaterwissenschaft und leider auch Anglistik durchaus studiert. Dazu noch Vorgeschichte und Hethitologie, ist also auch immer auf der Suche einer archäologischen Sensation. Unter anderem.

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