Proschat Madani lächelt in einem Restaurant in die Kamera.

Proschat Madani: "Viel mehr zu bieten, als nur schön zu sein"

Die Schauspielerin über ihr neues Buch, die Gier nach Applaus und das Älterwerden in einer Branche, die süchtig nach Jugend ist.

Das Blitzlicht der Fotografen, ein roter Teppich, Interviews: Gemeinhin nimmt man an, dass Schauspieler es furchtbar genießen, im Mittelpunkt zu stehen. Bei Proschat Madani ist das anders, zumindest ein bisschen. Zu ihrem Beruf geht sie auf eine gewisse Distanz. Darüber hat die Schauspielerin, bekannt aus Serien wie „Der letzte Bulle“ oder „Vorstadtweiber“, jetzt ein Buch geschrieben: In „Leben spielen“ geht sie auf die „Opfer der Gefallsucht“ ein, behandelt Themen wie Identität, Selbstvertrauen, Ablehnung und Empathie oder Authentizität. 

Es ist ein Einblick in die Gedankenwelt einer Schauspielerin, die mehr ist als ihre Rollen und ihren Gefühlen tief auf den Grund geht. Zum Interview treffen wir Proschat Madani an einem Vormittag im Café Sperl. Ein Gespräch wie eine Großaufnahme – auch über Einsamkeit, ewige Schönheit und Kollegen mit Allüren.

Sie haben lange Zeit benötigt, bis Sie offen aussprechen konnten, dass Sie Schauspielerin sind. War Ihnen Ihr Beruf peinlich?

Dieser Beruf hat Tiefe, aber gleichzeitig ist vieles daran oberflächlich. Das Klischee vom Schauspieler stimmt durchaus: Er will permanent beklatscht und bewundert werden, im Mittelpunkt stehen, erkannt und gelobt werden. Das sind keine Eigenschaften, die ich per se als besonders begehrenswert oder reif einstufe. Ich denke mir öfters: Kinder, werdet mal erwachsen. Und nehme mich selbst dabei keineswegs aus.

Sie wollten nie im Mittelpunkt stehen?

Zwei Seelen schlagen in meiner Brust. Einerseits genieße ich es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen. Alles andere zu behaupten wäre kokett. Andererseits will ich nicht auffallen, bin gern in der Beobachterrolle. Das hat sicher mit meinem Migrationshintergrund zu tun. Als Kind habe ich mich sehr fremd gefühlt. Wenn ich aufgefallen bin, war es, weil ich etwas falsch gemacht hatte. Das hat mich geprägt. 

Proschat Madani sitzt in einem Café.

Schauspielerin werden, um dazu zu gehören. „Als Kind habe ich mich sehr fremd gefühlt. Wenn ich aufgefallen bin, war es, weil ich etwas falsch gemacht hatte. Das hat mich geprägt“, so Proschat Madani

©Barbara Nidetzky

Sind Schauspieler so etwas wie nie erwachsen gewordene Kinder?

Was das Spielerische des Kindseins anbelangt, sicher. Davon könnten jene, denen ich in mancher Abendgesellschaft begegne, auch profitieren. Steuerberater oder Rechtsanwälte etwa, Menschen mit richtigen Jobs. (lacht) Es würde vielen guttun, weniger seriös und dafür etwas offener, kreativer, neugieriger, freier zu sein. Dafür haben jene in ihren Berufen den Vorteil, nach klaren Maßstäben gemessen zu werden. Schauspieler hingegen sind immer Geschmacksfrage.

Sie waren ein introvertiertes Kind, woher kommt Ihre Freude am Spiel?

Es gab zwei Initialzündungen: das Musical „Der Mann von La Mancha“ mit Peter O’Toole und Sophia Loren sowie die Aufzeichnung von „Viel Lärm um nichts“ mit Boy Gobert und Christine Ostermayer. Beides hat mich begeistert. So große Gefühle , das wollte ich auch. Aber als Akteurin.

Proschat Madani steht in einem Café.

Madani: „Ich wollte nie ein Opfer sein.“ Und: „Ich will niemandem mehr etwas beweisen müssen“ 

©Barbara Nidetzky

Sie schreiben, Sie wollten den Beruf auch ergreifen aufgrund der Ablehnung, die Sie als Kind erfahren haben. Sie wollten dazugehören.

Ich bin als Vierjährige nach Österreich gekommen, konnte kein Wort Deutsch. Ich habe die Sprache sehr schnell gelernt, dennoch hatte ich das permanente Gefühl, so wie ich bin, bin ich nicht richtig. In der Schule wurde ich nicht glimpflich behandelt, Kinder sind nicht immer sehr nett, meine Volksschullehrerin mochte keine Ausländer. Don Quijote wurde mein Held – er kämpfte gegen Windmühlen, trotz Ablehnung blieb er sich treu. Das hat mir imponiert. Das Musical hat das verstärkt. Das war bunt und groß und leidenschaftlich – mein Leben dagegen war klein und eng und grau und voller Unfreundlichkeiten.

Jung und schön zu sein ist ein ewiges Thema für Frauen. Ist man schön, wird man freundlicher behandelt, bekommt mehr Aufmerksamkeit, womöglich mehr Filmrollen. Zu erleben, wie das mit den Jahren sukzessive schwindet, erfordert sich im Loslassen zu üben.

Proschat Madani

Diese Flucht vor der Realität hat sie resilient gemacht. Ist aus der Ablehnung der Gedanke entstanden: jetzt erst recht?

Wahrscheinlich. Ich wollte nie ein Opfer sein. Es entstand die Sehnsucht, sich nicht brechen zu lassen – und sich nicht zu dem machen zu lassen, was die anderen aus einem machen wollen. Aber ich will niemandem mehr etwas beweisen müssen. Zumindest bemühe ich mich darum. Warum nicht als freies Element mein Leben gestalten? Immer weniger irgendwo dazugehören müssen? Je älter ich werde, desto mehr bewegt sich mein Leben in diese Richtung.

Proschat Madani

Proschat Madani

Proschat Madani wurde 1967 in Täbris, Iran, als jüngstes von vier Kindern geboren und ist in Wien aufgewachsen. Sie ist bekannt durch Rollen in Fernsehserien wie „Der letzte Bulle“, „Vorstadtweiber“ oder  „Walking on Sunshine“. 2013 erschien ihr Buch „Suche Heimat, biete Verwirrung“. Sie ist liiert mit dem Regisseur Harald Sicheritz und hat eine Tochter. 
 

Was gab Ihnen den Impuls, über all das in Ihrem Buch zu schreiben?

Um herauszufinden was ich denke, ist Schreiben eine wunderbare Möglichkeit. Ich schreibe über Themen wie Empathie, Loslassen, Authentizität und vieles mehr und lege dabei wie eine Archäologin Schicht um Schicht in mir frei. Schreiben ordnet meine Gedanken, gibt ihnen Struktur.

Sie beschreiben auch, dass man als Schauspielerin zwar alt werden darf, alt aussehen ist allerdings nicht erlaubt.

Jung und schön zu sein ist ein ewiges Thema für Frauen. In meinem Beruf besonders. Ist man schön, wird man freundlicher behandelt, bekommt mehr Aufmerksamkeit, womöglich mehr Filmrollen. Zu erleben, wie das mit den Jahren sukzessive schwindet, erfordert sich im Loslassen zu üben.

Frauen fürchten das Älterwerden, wie Studien belegen, weil sie es als gesellschaftliches Stigma empfinden.

Altern ist ein natürlicher Prozess, der nun mal mit einem gewissen Verfall einhergeht. Wir Frauen empfinden diesen Prozess jedoch oft als persönliches Versagen, als hätten wir uns zu wenig bemüht, jung und schön zu bleiben.

Wie lösen Sie es?

Ich bin es müde, mir ständig hinterherzuhecheln und meine Energie in Verbesserungsarbeiten zu stecken. Das habe ich lange genug gemacht. Der Kampf gegen die Natur erfordert viel Aufwand. Gewinnen kann man ihn ohnehin nicht. Da investiere ich meine Energie lieber in die oft nicht leichte Übung, mich anzunehmen, wie ich bin. Wir haben so viel mehr zu bieten, als nur schön zu sein. Menschen, die mich faszinieren, tun das selten wegen ihres Äußeren, viel eher weil sie klug, kreativ oder lustig sind.

Proschat Madani sitzt an einem Tisch in einem Café.

"Ich möchte niemandem die Tür vor der Nase zuschlagen, selbst wenn sich Überzeugungen unterscheiden", so die Schauspielerin

©Barbara Nidetzky

Im Buch erzählen Sie auch über Ihre Einsamkeit und wie Ihre Umwelt und Sie auseinander gedriftet sind. Gleichzeitig brauchen Sie dieses Alleinsein.

Ich brauche viel Zeit alleine, um mich zu regenerieren. Das liegt daran, dass mich andere Menschen nicht kalt lassen, sondern stark beschäftigen. Meine Spiegelneuronen, jene Nervenzellen, die für unsere Gefühle zuständig sind, als auch die anderer registrieren, sind sehr stark ausgeprägt. Geht es jemandem schlecht, bricht mir das Herz. Dieser Umgang mit der Welt erfordert immer wieder Zeiten, in denen ich alleine bin und mich um niemanden kümmern muss. Sonst kostet es mich zu viel Kraft. Kommunikation ist generell anstrengend geworden.

Wie ist das gemeint?

Jeder lebt in seinen Echokammern und knallt dem anderen seine Meinung vor den Latz. Diskussion ist nicht erwünscht, man ist entweder Freund oder Feind. Doch man darf den anderen nicht aufgegeben. Ich möchte niemandem die Tür vor der Nase zuschlagen, selbst wenn sich Überzeugungen unterscheiden, etwas ausländerfeindlich, gegen Frauen oder homophob ist.

Sie diagnostizieren sich und Schauspielern „Opfer der Gefallsucht“ zu sein.

Als Schauspieler müssen wir gefallen. Das gehört zu unserem Beruf. Gefallen wir nicht, will uns keiner sehen. Je mehr wir gefallen, desto mehr Zuseher locken wir an, desto wichtiger sind wir in der Branche. Dann ist unser Wohnwagen am Set größer. Wir werden morgens später zur Maske bestellt als die anderen und können länger schlafen. Wir müssen uns den Wagen, mit dem wir zu den Dreharbeiten abgeholt werden, mit niemandem teilen. Die anderen hingegen müssen Fahrgemeinschaften bilden. Zu gefallen bringt viele Vorteile mit sich.

Wie nervenaufreibend ist es, ständig mit solchen Menschen zu tun haben? Erinnern Sie sich daran, dass ein Kollege besonders große Allüren hatte?

Im Großen und Ganzen hatte ich positive Erfahrungen. Aber es gibt auch andere. Ich erinnere mich an einen Dreh in Berlin, das liegt viele Jahre zurück. Eine junge, bereits renommierte Kollegin liebte das Namedropping und hat sich auch sonst gern wichtig gemacht. Noch dazu hatte sie ständig ihren Hund am Set dabei. Der hat dann eines Tages die Kostüme in der Garderobe vollgepinkelt. Anstatt aber sich dafür zu entschuldigen oder die Reinigung zu bezahlen, hat sie die Garderobiere zur Sau gemacht. Wir haben uns als Team dann bei ihr entschuldigt für dieses grauenhafte Verhalten. Die berühmte Schauspielerin hat das nicht getan.

Proschat Madani: "Leben spielen"

Proschat Madani: "Leben spielen"

Proschat Madani: „Leben spielen“. Molden Verlag, 192 Seiten, 25 Euro. Im Buchhandel ab 25. September 

Wenn Ihnen alles zu viel wird, was bereitet Ihnen im Gegenzug die größte Lebensfreude?

Das Blödeln mit nahen Menschen. Es braucht großes Vertrauen, um miteinander totalen Unsinn zu machen. Das waren immer die schönsten Momente und Abende meines Lebens: Wenn ich Tränen gelacht habe und mir der Bauch wehgetan hat vor lauter Lachen. Das kann man nicht toppen.

Alexander Kern

Über Alexander Kern

Geboren in Wien, war Chefredakteur verschiedener Magazine und stand im Gründungsteam des Seitenblicke Magazins des Red Bull Media House. 12 Jahre Chefreporter bzw. Ressortleiter Entertainment. Schrieb für 110%, das Sport- und Lifestyle-Magazin von Die Presse. Seit 2020 Redakteur der KURIER Freizeit mit Reportagen, Kolumnen, Texten zu Kultur, Gesellschaft, Stil, Reise und mehr. Hunderte Interviews, von Beyoncé und Quentin Tarantino über Woody Allen und Hugh Grant bis Jennifer Lopez und Leonardo DiCaprio sowie in der deutschsprachigen Kulturszene. Reportagen vom Filmfestival Cannes bis zur Fashionweek Berlin. Liebt Kino, Literatur und Haselnusseis.

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