Gletscherausblick: Die Pasterze aus zwei Perspektiven
Das Biedermeier hat die Alpengletscher für die Malerei entdeckt. Bald könnten sie aber Schnee von gestern sein.
Von Ingrid Greisenegger
Im Rahmen seiner „Biedermeier“-Ausstellung hat das Leopold Museum in Wien auch eine Reihe von Alpenbildern zusammengeführt. Vom Matterhorn über den Großvenediger bis zum Großglockner: faszinierende, unberührte Gletscherlandschaften. Die Malerei, bislang von Idealbildern italienischer Landschaften geprägt, löste sich damals allmählich aus dieser geografischen Fixierung und wandte sich heimischen Motiven zu, sogar der Unwirtlichkeit der Alpen.
Befördert wurde die Bewegung von der Hocharistokratie. So scharte Erzherzog Johann von Österreich seine Kammermaler um sich, die beispielsweise seine Erkundungsfahrten durch das Salzkammergut vor Ort skizzierten und im Atelier ausführten. Es entstanden präzise Landschaftsstudien, die sich heute zum Vergleich heranziehen lassen, wenn es darum geht, das klimabedingte Schmelzen der Gletscher zu dokumentieren, die das Landschaftsbild prägen und eine entscheidende Rolle im Wasserkreislauf und für das Klima bilden.
Thomas Ender (1793–1875) hat um 1830 Österreichs größten Gletscher, die Pasterze am Großglockner, mehrfach zum Motiv gewählt (Bild oben). Im direkten Vergleich mit einem Foto aus dem Jahr 2024 aus dem Gletschermonitoring des Österreichischen Alpenvereins (Bild unten) erkennt man das drastische Ausmaß des Rückgangs der Gletscherzunge. Die Messdaten an der Pasterze reichen bis in das Jahr 1879 zurück. Seither hat sich der Gletscher um 2.293 m zurückgezogen. Allein im Jahr 2023/24 waren es minus 66,3 Meter.
„Wir setzen uns als Bildungs- und Vermittlungsinstitution bewusst mit den drängendsten Problemen der Gesellschaft auseinander“, sagt Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museums. Das hatte man auch schon vor zwei Jahren in der Dauerausstellung „Wien um 1900“ unter Beweis gestellt. Landschaftsbilder, zum Beispiel von Gustav Klimt, wurden schief gehängt, um auf die dramatischen Auswirkungen der Erderwärmung aufmerksam zu machen. In der „Biedermeier“-Ausstellung wird der Gletscherschwund bei Führungen thematisiert.
Die Ausstellung „Biedermeier. Eine Epoche im Aufbruch“ ist noch bis zum 27.7.2025 im Leopold Museum im Wiener Museumsquartier zu sehen.
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