Eine brennende Zigarre liegt in einem Aschenbecher neben einem Glas und einer Karaffe mit braunem Getränk sowie einer Zigarrenkiste.

Whisky, Zigarre, Vinyl: Die Kunst der Entschleunigung in stressigen Zeiten

Zwischen den Jahren darf die Welt warten. Das gelingt besonders gut mit Whisky, Zigarre und Schallplatte – dem Dreiklang des gepflegten Rückzugs.

Die flauschigen Pantoffeln sind angezogen, der Kimono sitzt wie angegossen. Andere kleiden sich für den feierlichen Anlass gar im Smoking.

Der Whisky ist wohltemperiert, die Zigarre glimmt verlockend im Aschenbecher der Wiener Werkstätte. Im Hintergrund entlockt der Plattenarm Miles Davis zarte Töne. „Ach!“, murmelt der Herr von Welt sodann, „die größte Freud ist doch die Zufriedenheit!“ Man hört fast Wilhelm Busch im Ohr, nur dass diesmal kein Rumms folgt, höchstens einer für Gaumen und Ohren.

Das ist vermutlich die Wunschvorstellung nicht weniger Männer: sich zwischen den Jahren zurückziehen, eine Pause vom Christbaumschleppen, vom Glitzer, vom Punsch und von den picksüßen Keksen, die schon beim Gedanken daran an den Zähnen kleben, und von picksüßen Liedern. Entschleunigung, bitte. Am besten mit Whisky, Zigarre und Schallplatte: eine kleine Dreifaltigkeit des gepflegten Rückzugs. Whisky natürlich nur in Maßen, versteht sich.

Der Markt wächst

Zu klischeehaft? Sicher. Aber am Ende des Jahres darf man sich auch einmal in die Klischees hineinfallen lassen wie in ein weiches Sofa. Und ganz nebenbei: Genau in diesen drei Premiumbereichen gab es in den vergangenen Jahren Wachstumsraten.

Whisky, Zigarre, Vinyl profitieren von Zeit, Muße und Geduld. Sie verlangen Aufmerksamkeit, Hände und Haptik. Das macht sie zu idealen Komplizen gegen ständige digitale Verfügbarkeit und Stress.

Whisky: Auf den Moment

Whisky wurde aus der Ruhe geboren. Ihn erfanden Männer, die wussten, dass man auch einmal in sich gehen muss, um Erleuchtung oder zumindest innere Einkehr  zu finden: Mönche. Ob es nun irische oder schottische waren, darüber scheiden sich die Geister.  

Und auch, ob sich das Wort Whisky vom Schottisch-Gälischen oder vom Irischen ableitet. Klar ist: In beiden Sprachen heißt es nichts anderes als „Wasser des Lebens“.
In Schottland etwa symbolisiert schon ein einziger „Dram“, also ein kräftiger Schluck, Gastfreundschaft, Kameradschaft und  „Willkommen, nimm Platz!“. Wer will, spricht diese Einladung  auch an sich selbst aus und stößt mit sich an.

Die Werbung tat ihr Übriges: Whisky wurde zum „männlichen Drink“ hochstilisiert. Mit Bildern von Leder, Holz, Anzügen und Erzählungen von späten Stunden. Der Genuss will gelernt sein, vor allem bei torfigen und rauchigen Sorten. Ein gutes Destillat muss nicht sofort gefallen. Es kratzt sogar im Hals.   Es hat schon seinen Grund, warum elegante und raubeinige Männer-Ikonen  zum Whisky greifen.  Don Draper aus Mad Men liebt nicht nur Bourbon im Old Fashioned. Selbst James Bond gibt in Ian Flemings Romanen dem Whisky manchmal den Vorzug vor Martinis, auch wenn bei ihm eher Rye oder Bourbon auf dem Tisch stehen als schottischer Scotch. 

Und das kam gut an. Brennereien schossen in den vergangenen Jahren wie Pilze aus dem Boden, neue Whiskys überschwemmten die Regale, der Boom schien endlos. Der ist nun vorbei. Gutes Destillat braucht  Zeit. 

Die richtige Trinktemperatur liegt zwischen 18 und 23 Grad Celsius. Kälte verschluckt Aromen.   „Daher ist Whisky bei Zimmertemperatur ideal, um seine Aromen und Nuancen zu genießen“, empfiehlt der irische Hersteller Jameson. 

Eis oder Wasser? Das ist  eine heikle Frage. Oft lautet die Antwort: Auf beides verzichten. Aber wie lautet eine Regel guter Barkeeper? „Trinken, was schmeckt“. Nur langsam. Oder wie Jameson mahnt: „Das ist kein Film.  Sie müssen nicht alles auf einmal trinken.“ 

Die Schallplatte: Gut aufgelegt

Schwarzes Gold für glänzende Momente: Die Schallplatte macht Entschleunigung zur runden Sache. Der Drink ist im Glas, die Zigarre illuminiert.  Zum  großen Glück fehlt  noch etwas Entscheidendes: der Ton, der die Musik macht. Für den Mann von Welt kommt er selbstverständlich aus dem Lautsprecher, gespeist vom Plattenspieler.
Der Tonarm senkt sich aufs Vinyl, die Scheibe dreht ihre Kreise, und der Ton knistert wohlig-warm im Raum. Klingt das objektiv besser? Manche  verweisen das gerne ins Reich der Mythen. Doch es fühlt sich auf jeden Fall richtig an. Besonders für die Herren der Schöpfung.

Ein Klischee? Eher nicht. Laut einer Studie des deutschen Bundesverbands Musikindustrie sind Plattenkunden zu 86 Prozent männlich, zwei Drittel sind über 50 Jahre alt. Fast die Hälfte des Schallplattenumsatzes entfällt auf Rock, Hard Rock und Heavy Metal, während beim Streaming vor allem Hip-Hop die Charts dominiert . Vinyl ist – das ist jetzt nichts Neues – seit Jahren ein Wachstumssegment.  Aber es ist  kein Sofort-Glück: Es erfordert Aufwand, es ist etwas für den Jäger und Sammler in einer Person. Für jemanden, der die guten Scheiben sucht, findet, hütet und streichelt.

Es hat auch etwas Sanftes.  Wenn wir also  den Abend mit Schallplatten, Whisky und Zigarren inszenieren, geht es nicht um „Männermusik“ im klischeehaften Sinn. Die Heavy-Metal-Scheibe mit dem Gruselcover bleibt im Regal. Stattdessen soll es sanft sein.   Oder zumindest ein kleines Augenzwinkern an den Connaisseur. Jazz, feine Elektronik oder Klassik passen – Musik, die schon mit dem ersten Akkord sagt: „Hallo, ich bin für Kenner und Liebhaber.“ 

Und bitte, es soll möglichst lange gehen. Niemand sollte sofort aufstehen und eine neue Platte auflegen müssen.  Da darf der Abend ruhig dauern.

Die Zigarre: Alles wegpaffen

Mark Twain spitzte es zu: „Ich verzichte auf den Himmel, wenn ich dort keine Zigarren rauchen darf.“

Gilt in der Ewigkeit Rauchverbot, kann man   getrost zu Hause bleiben. Im Idealfall in einem Raum mit großen Fenstern zum Lüften danach. Sonst droht Ungemach mit den Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern, der Geruch betört nicht alle.  Gesellschaft kann, muss aber nicht sein. Der englische Romancier William Makepeace Thackeray stellte fest: „Die Zigarre ist die duftende Gefährtin der Einsamkeit.“

Manchmal ist eine Zigarre eben nur eine Zigarre.  Zurzeit gefragt sind limitierte Editionen, handgerollte Zigarren und nachhaltig hergestellte Ware. Am besten natürlich mit dem passenden Destillat.

Der Münchner Zigarrenhändler Zechbauer schreibt auf seiner Homepage „Ein milder Whisky, etwa ein leichter Speyside Scotch oder ein irischer Single Malt, sollte mit einer milden, sanft-aromatischen Zigarre kombiniert werden. Etwa kräftige Zigarren aus Nicaragua oder mit Maduro-Deckblatt, finden ihre Entsprechung in voluminösen, torfigen Whiskys.“ Doch Gegensätze ziehen sich an: Eine dunkle, herbe Zigarre kann hervorragend zu honigsüßem Bourbon oder vanilligem Speyside passen.  

Daniel Voglhuber

Über Daniel Voglhuber

Redakteur bei der KURIER Freizeit. Er schreibt dort seit Dezember 2020 über Reise, Kultur, Kulinarik und Lifestyle. Also über alles, was schön ist und Spaß macht. Er begann 2011 als Oberösterreich-Mitarbeiter in der KURIER-Chronik, später produzierte er lange unterschiedliche Regionalausgaben. Zuletzt war er stellvertretender Chronik-Ressortleiter.

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