Popstar Anna Buchegger: "Die Leute wollen herausgefordert werden"
Sie singt wie eine Diva, ihre Songs passen perfekt in angesagte Klubs: Anna Buchegger spielt aber auch Hackbrett und jodelt. Ein musikalisches Phänomen.
Eine 26-jährige, studierte Musikerin vom Bergbauernhof macht derzeit Schlagzeilen. Anna Buchegger aus Abtenau hat soeben ihr zweites, hochgelobtes Album herausgebracht, wird aktuell auf Arte gefeaturet und hat den Hubert-von-Goisern-Preis gewonnen.
Einzigartig ist ihre Kombination aus lokaler Tradition und zeitgemäßen Sounds, die man so radikal bisher nur von internationalen, innovativen Stars wie Rosalía gekannt hat. Mit der freizeit sprach Anna Buchegger über ihre Musik, den Mut zum Dialekt – und die Kindheit am Bauernhof zu Weihnachten.
Vorweg erst einmal Gratulation zum neuen, fantastischen Album „Soiz“ und zu Ihrer erfolgreichen Deutschlandtour. Es war die erste?
Entspannt und locker: Anna Buchegger beim Interviewtermin
©Kurier/Nidetzky BarbaraDanke! Ja, ich war das erste Mal als Headliner in Deutschland. Also nicht im Vorprogramm einer anderen Band oder im Rahmen eines Festival-Pakets. Die Leute kamen tatsächlich nur, um mich zu sehen. Ein tolles Gefühl. Aber es war natürlich eine Klub-Tour, keine großen Hallen.
Noch nicht ... Sie singen im Dialekt. Wie funktioniert das in Hamburg oder Berlin?
Erstaunlich! Verglichen mit Ihnen klingt Ina Regen beinahe, als würde sie Burgtheaterdeutsch singen. Woher kommt diese ausgeprägte Mundart?
Ich komme aus Abtenau im Land Salzburg. Und wir sind dort durch die Osterhorngruppe und das Tennengebirge doch ziemlich eingekesselt – oder abgeschieden, wie man es halt sieht. Vielleicht liegt’s daran.
Kann man schon sagen. Sehr viel Platz, sehr viel Natur, Tiere, die mit uns am Hof lebten. Wir hatten Mutterkühe, Hühner, eine Zeit lang auch Alpacas ...
"Warum sollte man Tradition ausschließlich denen überlassen, die damit eine menschenverachtende Agenda verfolgen?"
©alex gotter(lacht) Nein, das war zu Roseggers Zeiten. Wir sind schon mit dem Auto gefahren.
An welchen Weihnachts- oder Adventbrauch erinnern Sie sich am liebsten?
Ich mochte es sehr, dass wir so Rituale wie das Ausräuchern des ganzen Hofes, inklusive aller landwirtschaftlichen Geräte und unserer zehn Kuhnasen, aufrecht hielten. Wir haben uns sorgfältig vom Keller bis in den Dachboden vorgearbeitet. Mein Papa voraus, und wenn er regelmäßig falsche Rosenkranzverse wiederholt hat, hat er dafür einen strengen Blick von der Mama bekommen. Und meine Schwester und ich konnten uns vor Kichern kaum mehr halten ...
Klingt so idyllisch, dass man am liebsten gar nicht weg möchte!
Stimmt. Aber es war dann auch ein bissl einsam, nachdem meine Schwester zum Studieren weggezogen ist.
Mit ihr hatten Sie Ihre erste „Band“, oder?
Ja – die „Buchegger-Dirndln“! Unsere Eltern wollten, dass wir Instrumente lernen. Meine Schwester spielte Gitarre, als ich vier wurde, durfte ich mir auch ein Instrument aussuchen. Und hab mich fürs Hackbrett entschieden. Ich glaube, weil’s optisch am meisten hermacht (lacht). Eine Zeit lang haben wir quasi auf allen Dorf- und Schützenfesten, Muttertagskonzerten und Hochzeiten in der Gegend gespielt. So herausgeputzt im gleichen Dirndl. Ich glaube, meine Liebe zum Performen hat damals angefangen.
Und damit war’s vorbei, als die Schwester wegging?
Genau. Und so schlitterte ich in meine Castingshow-Phase. (lacht)
Sie meinen lange vor Ihrem Starmania-Sieg, durch den Sie bekannt wurden?
Ja, der war eher ein verspäteter „Ausrutscher“. Wirklich verrückt nach Castingshows war ich, als ich noch in der Hauptschule war. Ich war so zehn, als meine Schwester wegging. Meine Eltern sind nicht musikalisch, die konnten also nicht einspringen. Und als meine Mama von der ORF-Show „Die große Chance“ hörte, dachte sie, dass mir das Freude machen würde, und fragte mich, ob sie mich anmelden solle. Und natürlich wollte ich. So war ich mit elf zum ersten Mal im Fernsehen dabei. Und ehrlich: Das alles war so groß, so surreal, dass ich mich eigentlich gar nicht daran erinnere!
Sie kamen als jüngste Teilnehmerin immerhin ins Halbfinale! Und begannen mit einer Klavier- und Gesangsausbildung.
Ich nahm Klavierstunden und ging hin und wieder zu einer Gesangslehrerin im Ort, stimmt. Gesangsausbildung ist vielleicht übertrieben. Die begann erst so richtig, als ich dann mit 15 nach Salzburg zog, um aufs Gymnasium zu gehen. Da war ich im musischen Zweig mit klassischem Gesang als Schwerpunkt.
Wollten Sie tatsächlich klassische Opernsängerin werden?
Ganz ehrlich? Ich hab mich sogar im Mozarteum angemeldet und eine Aufnahmeprüfung gemacht. Ausschlaggebend war aber vielleicht eher meine Liebe zu Salzburg und dem Leben in der Stadt – ich wollte unbedingt dort bleiben ... Dafür hab ich sogar neben der Schule noch klassischen Gesangsunterricht genommen. Der war unglaublich streng – aber ich wollte es eben auch unbedingt.
Ein alpiner Paradiesvogel? Anna Bucheggers Bühnenfigur ist durchaus exzentrisch
©alex gotterDas hört man tatsächlich in einigen Ihrer Songs! Wie lief’s am Mozarteum?
Ja, bei manchen Songs zwitschere ich schon ein bissl rauf... (lacht) Im Endeffekt ist es am Mozarteum dann nichts geworden, weil sie bei der Aufnahmeprüfung gemerkt haben, dass mein Interesse an der Oper selbst eher marginal war. Ich wusste nicht einmal, aus welchem Stück die Arie war, die ich vorgesungen hab. Sonst hätte es schon gepasst, denke ich, also Klavier, Gehörprüfung und so.
Deshalb sind Sie also in Wien gelandet?
Ja. Seit sechs Jahren jetzt schon. Und noch immer begeistert.
Und ausgerechnet hier hat Sie dann der Dialekt Ihrer alten Heimat eingeholt?
Na ja, tatsächlich hat er mich nie wirklich verlassen (lacht). Ich hab in Wien meinen Master gemacht. Ich glaube, wenn man aus einer Bauernfamilie kommt wie ich, dann ist studieren schon ein echtes Ziel. Aber auf meinem Weg zur Akademikerin hab ich bemerkt, dass Dialekt an diesen Institutionen nicht erwünscht ist. Wer intellektuell sein will, muss Hochsprache sprechen. Dialekt wird mit Kleinbürgerlichkeit gleichgesetzt. Ich hab mich also lange bemüht, meine Herkunft nicht durch meine Aussprache zu verraten – was mir nur in Maßen geglückt ist. Bis ich mir gedacht hab: Vielleicht muss ich das ja gar nicht verstecken, vielleicht sollte ich es ganz im Gegenteil wertschätzen ...
Als künstlerischen Ausdruck verwenden?
Ja, die Vision war schon länger da. Ich hab mich nur nicht getraut, sie umzusetzen. Bis ich bei einem Konzert mit Ina Regen im Konzerthaus Backstage David Wöhrer, den Schlagzeuger und Produzenten, kennengelernt hab. Ich hab ihm davon erzählt – und er war augenblicklich begeistert.
Ihr Ansatz ist ja insofern ungewöhnlich, als wir Dialekt und Jazz zwar schon seit Marianne Mendt verbinden, auch mit Austropop und sogar Rock. Das sind allerdings traditionelle Genres, während Sie clubtaugliche Beats und elektronische Sounds damit kombinieren.
Musikgenres entwickeln sich weiter. Und ich entspreche jetzt halt dem Sound meiner Generation. Was ich ohne die Vorarbeit einer Marianne Mendt oder eines Hubert von Goisern nicht könnte. David und ich tüfteln sehr viel rum, verwerfen auch vieles wieder. Es ist ein schmaler Grat mit Dialekt und Pop, das kann schnell „schlageresk“ werden.
Anna Buchegger: „Mein Bühnenoutfit entwerfe ich selbst. Das Extravagante macht Spaß. Aber privat will ich nicht unbedingt auffallen.“
©Kurier/Nidetzky BarbaraDamit könnten Sie es sich auch leichter machen: Eine eingängige Melodie, dazu Ihre Stimme, ein wenig Jodeln ...
Ja, aber das Ziel ist ja nicht, dass man sich's leicht macht. Ich glaube, man darf auch das Publikum nicht unterschätzen. Die Leute wollen schon herausgefordert werden – und sie verdienen es, dass man sich die Mühe macht. Wer es sich leicht macht, traut dem Publikum zu wenig zu.
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