Eine stilisierte Darstellung von zwei sich umarmenden Personen mit dunklen Fingernägeln.

Von 'Mumu' bis 'Pussy': Wie Sprache das Selbstbewusstsein formt

Es ist nicht egal, wie Frauen ihre Genitalien benennen. Kindliche Begriffe schaden dem Körpergefühl, vulgäre fördern die Lust.

Es gibt Dinge, über die wird nur ungern gesprochen. Steuererklärungen, das Abstimmen von Wandfarben mit dem Partner – und wie man seine eigenen Genitalien nennt. Wobei Letzteres offenbar ein Fehler ist.  Eine neue Studie im Fachjournal Sex Roles zeigt nämlich: Die Wörter, die Frauen für ihr Geschlecht verwenden, sagen mehr über Körpergefühl, Sexualität und Selbstbewusstsein aus, als man vielleicht vermuten würde. Sprache macht Lust – oder sie macht klein.

Rund 450 Frauen wurden befragt, wie sie ihre Genitalien im Alltag und beim Sex nennen. Das Ergebnis: tagsüber eher „Vagina“ oder „Vulva“, nachts häufig „Pussy“. Und jetzt kommt’s: Jene, die im Alltag zu kindlicher oder verspielter Sprache greifen – Stichwort „Mumu“ – berichten signifikant öfter von einem negativen Körpergefühl. Die Folgen: Schlechteres Körperbild, mehr Sorge um das Aussehen, weniger Selbstbewusstsein. Kurz: Wer sich klein redet, fühlt sich auch kleiner.

Und die Männer? Die kommen in der Studie zwar nicht vor, aber grundsätzlich gilt: Auch sie haben Kosenamen für ihr bestes Stück – „Johannes“, „Spatzi“, „Schniedelwutz“. In der Regel bleibt’s jedoch bei Penis.

Dirty Talk als Empowerment

Und jetzt kommt’s: Beim Sex dreht sich das Bild komplett. Da war die häufigste Bezeichnung tatsächlich die vulgäre Variante – „Pussy“ on top. Frauen, die solche Begriffe verwenden, gaben an, mehr Lust, häufigere Orgasmen und mehr Spaß an Oralverkehr zu haben. 

„Dirty Talk“ als Empowerment – warum nicht? Die Studienautorin sagt jedenfalls, dass viele Frauen Begriffe wie „Pussy“ inzwischen bewusst als etwas Lustvolles, Kraftvolles nutzen. Was man aus der Studie ebenfalls gelernt hat: Der gute alte Euphemismus – „da unten“, „mein Intimbereich“ – wirkt harmlos. Kein schlechteres Körpergefühl, kein negativer Effekt. Ein bisschen verschwommen, aber kein Drama. 

Es sind tatsächlich die verniedlichenden Begriffe, die mit mehr Scham und Unsicherheit einhergehen. Natürlich weiß die Forschung nicht, was Ursache und was Wirkung ist. Fühlen sich Frauen unwohl und greifen daher zu kindlichen Wörtern – oder umgekehrt? Möglich ist beides. Entscheidend ist: Worte prägen das Gefühl und offenbar auch den Spaß.

Das Erfreuliche daran: Frauen sprechen heute um so viel offener, anatomisch klarer, differenzierter über ihre Körper. „Vulva“ wird häufiger genannt, „Klitoris“ ebenso. Nach Jahrhunderten weiblicher Unsichtbarkeit im Anatomieatlas ein sehr wichtiger Fortschritt. 

Und die Männer? Die kommen in der Studie zwar nicht vor, aber grundsätzlich gilt: Auch sie haben Kosenamen für ihr bestes Stück – „Johannes“, „Spatzi“, „Schniedelwutz“. In der Regel bleibt’s jedoch bei Penis. Wurscht wie: ihr Körperbild leidet unter „Spatzi“ nicht wirklich. 

Schlussgedanke: Man muss daraus keine Wissenschaft des „richtigen“ Genital-Wortschatzes machen, doch es lohnt sich, darüber nachzudenken, was man seinem Körper sprachlich zumutet. Wenn man seinem Geschlechtsteil im Alltag endlich einen erwachsenen Namen gibt und im Bett die Unschuld ablegt, könnte das ein Mini-Beitrag zur sexuellen Selbstbestimmung sein. Kürzer gesagt: Die Vagina ist korrekt. Die Vulva präzise. Und die Pussy ist offenbar die prägende Führungskraft in Sachen Lust und Orgasmus.

Spieleabend.

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Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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