Ein Paar küsst sich, dargestellt in einer Herzform.

Warum Selbstmitgefühl der Schlüssel zu erfüllendem Sex ist

Kerzen, Rollenspiele, Sextoys? Kann man ruhig mal beiseite lassen. Das Sinnlichste, das wir für unser Liebesleben tun können, ist: freundlich mit uns selbst sein.

Selbstmitgefühl – noch so ein Wort, das nach Yoga-Retreat und Achtsamkeits-App klingt. Kaum eine Psychologin, kaum ein Podcast, der es nicht lobt. Doch was heißt das eigentlich für die Horizontale und im Schlafzimmer? Und was passiert, wenn wir uns beim Sex so mitfühlend begegnen, wie wir es im Alltag gern wären?

Früher hieß es: Übung macht den Meister. Heute heißt es: „Du musst dich lieben lernen.“ Beides klingt irgendwie nach Arbeit – und wer will schon „arbeiten“, wenn’s um das sexuelle Vergnügen geht? Trotzdem ist genau das der Punkt: Viele sind im Bett nicht zu wenig sinnlich, sondern zu streng. Vor allem Männer, sagen Sexualtherapeuten. Sie kommen in die Praxis mit der fixen Idee, mehr leisten zu müssen, Motto: länger, härter, besser. Dabei wäre weniger Ehrgeiz oft die Lösung. „Selbstmitgefühl“ lautet das Zauberwort – und ja, das klingt fürs erste ein wenig verschwommen, ist aber ein spannendes Konzept. Denn es heißt nicht, sich dauernd auf die Schulter zu klopfen, sondern sich in Momenten des Versagens nicht fertigzumachen. Wenn also der Penis streikt oder der Kopf zu laut mitredet, hilft keine neue Technik, sondern ein inneres: „Okay, das war jetzt nicht ideal – aber auch nicht das Ende der Welt.“

Echte Intimität beginnt nämlich dort, wo Authentizität möglich wird: also das sich- Zeigen mit allen kleinen körperlichen und seelischen Unvollkommenheiten. 

Weniger Pornologik

In einer Zeit, in der alles optimiert und gepimpt wird – Körper, Karriere, Kalorien – wirkt das fast subversiv. Sich selbst nicht zu verurteilen, ist die vielleicht radikalste Form der Entspannung. Und ohne Entspannung? Nun ja, kein Wunder, wenn die Libido streikt.

Auch die Forschung liefert Nachschub für diese Idee: Eine aktuelle Studie der Universitäten Bamberg und Halle-Wittenberg zeigt, dass Selbstmitgefühl nicht nur die eigene Beziehungszufriedenheit erhöht, sondern auch die des Partners oder der Partnerin. Besonders Männer in heterosexuellen Beziehungen profitierten, wenn ihre Partnerin selbstmitfühlend war. Zwei Menschen, die sich selbst freundlich begegnen, schaffen Zärtlichkeit statt Druck – und Nähe statt Leistung. Echte Intimität beginnt nämlich dort, wo Authentizität möglich wird: also das sich- Zeigen mit allen kleinen körperlichen und seelischen Unvollkommenheiten. 

Wie charmant: Wer sich selbst akzeptiert, muss nichts verstecken. Wer sich erlaubt, verletzlich zu sein, öffnet dem anderen die Tür zu echtem Kontakt. Menschen mit mehr Selbstmitgefühl erleben nachweislich weniger sexuellen Stress, mehr Lust und Zufriedenheit – unabhängig davon, wie oft sie Sex haben. 

Der Grund ist simpel: Sie sind im Körper, nicht im Kopf. Sie vergleichen weniger. Und sie sehen in einer missglückten Nacht keinen Weltuntergang, sondern ein Kapitel im gemeinsamen Buch der Nähe. Und ja: Vielleicht ist Selbstmitgefühl am Ende die erotischste Haltung überhaupt. Denn wer sich selbst freundlich begegnet, begegnet auch dem anderen anders – ohne den ständigen Beweiszwang, superduper sein zu müssen. Also: weniger Drill, mehr Milde. Weniger Pornologik, mehr Poesie. Und wenn’s mal nicht klappt? Dann hilft kein Coaching, sondern ein Na gut, dann kuscheln wir eben. Manchmal ist das die beste Position.

Workshops für Jugendliche

Die Wiener Gesundheitsförderung (WiG) bringt ab November ihre beliebte Reihe „Sex in 
the City“ zurück. In den kostenlosen Workshops geht’s um alles, was Jugendliche wirklich wissen wollen – von der Verhütung bis zur Beziehungskultur. Teilnehmen können Wiener Mittel-, Berufs- und Inklusionsschulen sowie Jugendeinrichtungen. Die Workshops sind kostenlos und stehen von November 2025 bis Jänner 2026 zur Verfügung.   

Gabriele Kuhn

Über Gabriele Kuhn

Seit 1995 an Bord des KURIER - erst 14 aufregende Jahre lang als Ressorleiter-Stv. im Freizeit-Magazin, dann als Leiterin des Ressorts Lebensart. Seit 2017 Autorin. Kolumnistin. Interessens- und Know-How-Schwerpunkte: Medizin, Lifestyle, Gesundheit. Und Erotik. Die ironische Kolumne "Sex in der Freizeit" gibt es seit 2002. Damit's nicht fad wird, schreibe ich seit Anfang 2012 die Paar-Kolumne "Paaradox" gemeinsam mit Ehemann und Journalist Michael Hufnagl. 2014 wurde Paaradox zum Lesekabarett - mit Auftritten im Rabenhof und auf vielen Bühnen Ostösterreichs.

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