Asexualität und Sex-Pausen: Warum Lust nicht alles ist
Asexualität ist keine Krankheit, phasenweise fehlende Lust ebenfalls nicht. Vielleicht ist es an der Zeit, Nähe neu zu denken.
Die Frage ist, ob das Thema tatsächlich hierher gehört. Nein, nicht weil es zu heiß oder zu heikel erscheint – diese Kolumne hat schon alles gesehen, inklusive Menschen, die dachten, ihr Orgasmusproblem ließe sich durch ein anderes Duftkerzensortiment lösen. Sondern weil der Begriff Asexualität auf den ersten Blick nach etwas klingt, das man sich von einer sehr geduldigen Apothekerin erklären lassen müsste. Doch dann stolperte ich über das Buch „Kein Bock Club“ von Maria Popov und ihre erfrischende Feststellung im SZ Magazin: „Keinen Bock zu haben, ist kein Problem“. Da war klar: Wenn dieser Satz irgendwo hingehört, dann in diese Kolumne.
Asexualität ist nämlich überhaupt nicht das, was viele glauben. Sie ist keine Krankheit, kein Libido-Winterschlaf, kein hormonelles Burn-out. Vor allem aber keine Phase im Stil von „Ich trinke ab Jänner nie mehr Alkohol“, um dann im März doch wieder am weißen Spritzer zu schlürfen. Asexualität ist eine sexuelle Orientierung, die zwar selten ist – doch es gibt sie, und man sollte sie ernst nehmen. Rund ein bis vier Prozent der Bevölkerung verspüren laut Studien nie sexuelle Anziehung. Was aber nicht heißt, dass Asexuelle gefühlsarme Monolithen wären. Im Gegenteil. Viele von ihnen führen enge und romantische Beziehungen, aber ohne sexuelle Komponente. Manche erleben nie sexuelle Anziehung, andere nur selten, wieder andere erst nach einer starken emotionalen Bindung. Das Spektrum ist breit – und das Problem ist nicht die Orientierung, sondern die Umwelt. Asexuelle hören oft ihr Leben lang, sie hätten „halt noch nicht den Richtigen gefunden“, oder sie werden schlicht für „verklemmt“ gehalten.
Was aber nicht heißt, dass Asexuelle gefühlsarme Monolithen wären. Im Gegenteil. Viele von ihnen führen enge und romantische Beziehungen, aber ohne sexuelle Komponente.
Lust - kein Sollwert
Blöd, denn mitunter sind wir doch alle irgendwann einmal ein bisschen „asexuell“. Aber was passiert, wenn einer Lust hat und der andere nicht? Popov sagt im Interview, dass sich monogame Beziehungen in der Praxis oft am höheren Bedürfnis ausrichten würden – der mit weniger Lust solle sich gefälligst anpassen.
Ehrlich: Warum eigentlich? Warum nicht umgekehrt? Warum nicht einmal ausprobieren, wie eine Beziehung funktioniert, in der Lust kein Sollwert ist, sondern ein Kannwert? In der Nähe nicht automatisch Penetration bedeutet und in der ein „Nein“ nicht als persönlicher Angriff gewertet wird, sondern als ehrliche Information über den eigenen Istzustand. Vielleicht wäre die wahre Revolution im Schlafzimmer ja nicht die Frage, wie wir Lust maximieren können, sondern wie wir den Druck reduzieren. Weg von der Performance, hin zur Authentizität. Die Forschung zeigt ohnehin, dass häufiger Sex ab einer gewissen Rein-Raus-Schwelle nicht viel glücklicher macht. Es ist also durchaus möglich, dass ein Paar, das selten Sex hat, zufriedener ist als eines, das ihn zweimal pro Woche plant wie ein Zoom-Meeting. Ein befreiender Gedanke und eine Erinnerung daran, dass Intimität viele Formen annehmen kann – und Sexualität nur eine davon ist. In diesem Sinne ist es völlig legitim, wenn der Körper nicht akut in Flammen aufgeht und man in den Ad-hoc-Hechelmodus switcht, sobald jemand charmant lächelt oder die richtige Playlist anwirft.
Trend
„Kinky“ ist angesagt: Laut JOYclub ziehen Partys mit dem Begriff im Titel deutlich mehr Menschen an – bei BDSM-Fetisch-Events im Schnitt +82 Prozent, bei Dancepartys +64. Sie locken vor allem Jüngere und mehr Solo-Gäste an und dienen vielen als Einstieg in die erotische Partyszene – als wär’s eine sehr spezielle Klubnacht. „Kinky“ steht also weniger für Nische, sondern mehr und mehr für einen neuen Mainstream.
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