Divorce. Torn photograph of wedding cake topper.

Recht kompliziert: Trennung zwischen den Jahren – was jetzt?

Zwei Anwälte, zwei Ansichten, eine Rechtslage: Das Wiener Duo erzählt Geschichten aus seiner Ehe, beantwortet Fragen, die uns im Alltag beschäftigen, erklärt, was vor Gericht zählt – und wie er oder sie die Causa sehen.

Von Mag. Carmen Thornton & Mag. Johannes Kautz

Der Fall: Als die von Rene Benko gegründete Laura Privatstiftung Ende 2017 in einer Blitzaktion das bekannte Leiner-Haus in der Mariahilfer Straße erwarb, wurde über die Feiertage kurzerhand das Bezirksgericht aufgesperrt und ein Beamter aus dem Urlaub zurückbeordert, um den Deal noch rechtzeitig vor dem Jahreswechsel über die Bühne zu bringen. Für Rene Benko haben sich die Zeiten geändert, er hat mittlerweile nur bedingt Einfluss darauf, wann sich die Türen der Gerichte oder Justizanstalten für ihn wieder öffnen. Als gewöhnlicher Bürger kommt man ohnehin kaum in den Genuss dieser Form der serviceorientierten Verwaltung. Wer über die Weihnachtsfeiertage dringenden Zugang zum Recht benötigt, steht vor allem vor faktischen Herausforderungen, denn Recht zu bekommen setzt oft voraus, dass ein Anwalt erreichbar ist und Gerichte oder Behörden tätig werden. Manchmal ist das Timing sogar entscheidender als die Rechtslage.

Sie:

Auch wenn die Gerichte für Normalbürger nicht extra zu Weihnachten aufsperren, kommt man in dringenden Angelegenheiten, etwa wenn es um Gewaltschutz oder das Kindeswohl geht, auch in der besinnlichen Zeit zu seinem Recht. Im Familienrecht gibt es keine Gerichtsferien. An den Amtstagen bietet die Justiz kostenlose Rechtsberatung und eine Antragstellung vor Ort an. Und als Scheidungsanwältin muss man ohnehin in wichtigen Angelegenheiten auch am Wochenende oder an Feiertagen für die Klienten erreichbar sein. Denn familiäre Probleme treten nicht unbedingt während der Geschäftszeiten auf. Doch selbst dann, wenn kein Anwalt erreichbar ist und kein Gericht offen hat, ist man in dringenden Angelegenheiten geschützt. Gewaltschutz kennt keine Feiertage.

Die Polizei kann ohne Gerichtsverfahren, wann immer jemand in Gefahr ist, also „ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit“ bevorsteht, eine Wegweisung samt einem Betretungs- und Annäherungsverbot im Umkreis von 100 m aussprechen. Damit der Gefährder auch wirklich am Betreten der Wohnung gehindert wird, muss er die Wohnungsschlüssel abgeben. Er kann zwar in Anwesenheit der Polizei seine dringend benötigten Gegenstände mitnehmen, darf dann aber für mindestens zwei Wochen nicht mehr nach Hause zurückkehren. Inkludiert sind auch ein vorläufiges Waffenverbot und die verpflichtende Teilnahme an einer Präventionsberatung.

Polizeiliches Betretungsverbot schützt

Ein Betretungsverbot kann jede gefährdete Person erlangen, unabhängig von Verwandtschafts- oder Besitzverhältnissen. Auch wenn man nicht Mieter oder Eigentümer der Wohnung ist, in der man lebt und Schutz benötigt, kann das Betretungsverbot ausgesprochen werden. Wird in den zwei Wochen während des aufrechten Betretungsverbots eine einstweilige Verfügung zum Schutz vor Gewalt beantragt, verlängert sich der Schutz automatisch um weitere zwei Wochen. Und da die Polizei das Gewaltschutzzentrum informiert und dieses die Betroffenen von sich aus kontaktiert, ist man jedenfalls für einen Monat geschützt und kann über die Feiertage durchatmen, selbst wenn keine Anwälte oder Gerichte erreichbar sind.

Eine Frau im roten Kleid lehnt an einer Wand in einem Bürogebäude.

Carmen Thornton ist Rechtsanwältin in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

Kostenlose, anonyme telefonische Erst- und Krisenberatung bietet auch die Frauenhelpline gegen Gewalt und das rund um die Uhr 365 Tage im Jahr. Kinder und Jugendliche können sich ebenfalls rund um die Uhr bei Rat auf Draht unter 147 melden, wenn sie Sorgen und Probleme haben. 

Neubeginn zum Jahreswechsel?

Akute Krisen können daher unabhängig von Feiertagen und Ferien bearbeitet werden. Was man sich allerdings nicht erwarten darf, ist eine Lösung jahrelanger Krisen binnen weniger Wochen, um die Vorstellung von einem friedlichen Weihnachtsfest umzusetzen. Alle Jahre wieder kommen Anfang Dezember Anfragen von Menschen, die innerhalb von wenigen Wochen geschieden werden möchten, damit sie zum Jahreswechsel neu anfangen können, am besten noch mit einem neuen Partner. Doch die Chance, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht, ist leider unrealistisch. Denn auch wenn beide konstruktiv an einer Lösung arbeiten, lassen sich Fragen wie Aufteilung, Unterhalt, Obsorge und Kontaktrecht nur selten über Nacht umsetzen, schon gar nicht, wenn der andere die Trennung nicht möchte. Und auch einen Gerichtstermin für die Scheidung bekommt man nicht sofort. Wer dringend Schutz benötigt, kann durchaus auf den Rechtsstaat zählen. Eine dauerhafte Lösung von Krisen funktioniert leider nicht über Nacht.

Er:

Im Wirtschaftsleben ist es nicht ungewöhnlich, dass es vor Feiertagen oder verlängerten Wochenenden zum Showdown kommt. Nicht immer führt dabei der Zufall Regie, oft ist der Zeitpunkt bewusst gewählt, um sich einen Vorteil zu verschaffen und die Reaktionsmöglichkeiten der Gegenseite einzuschränken.

So kann es vorkommen, dass vor Weihnachten ein unliebsamer Mitgesellschafter oder Geschäftsführer faktisch aus der Gesellschaft geworfen und plötzlich alle Zugänge zu den E-Mail-Accounts, EDV-Systemen oder Bankkonten gesperrt werden. Wenn die Trennung unausweichlich ist, beginnt der Kampf um Know-how, Kunden und Geschäftsbeziehungen. Der Goodwill eines Unternehmens ist die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg. Und da es sich um immaterielle Werte handelt, die schwer fassbar sind, ist oft derjenige im Vorteil, der schneller reagiert und die Entscheidung des Gerichtes gar nicht abwartet, sondern einfach Fakten schafft.

Einstweilige Verfügungen oft zu spät

Das Gesetz sieht zwar weitreichende Sicherungsmaßnahmen vor. So kann der Gesellschafter einer Personengesellschaft, dem die Zugänge gesperrt wurden und der von der Geschäftsführung ausgeschlossen wird, eine einstweilige Verfügung erwirken. Auch bei der Abberufung von Geschäftsführern einer GmbH werden oft einstweilige Verfügungen erlassen. Doch diese Maßnahmen kommen oft zu spät, wenn der andere nicht sofort reagieren kann. Als Anwalt gehört es zum Job dazu, auch außerhalb der Bürozeiten für die Klienten erreichbar zu sein („selbst und ständig“), die Gerichte sperren aber nicht einfach mal so an Feiertagen oder am Wochenende auf. Und theoretisch können einstweilige Verfügungen ohne Anhörung des Gegners erlassen werden, dieser kann dann nachträglich einen Widerspruch erheben. 

Ein Mann im Anzug lehnt an einer Wand in einem Bürogebäude.

Johannes Kautz ist Rechtsanwalt in Wien.

©Thornton & Kautz Rechtsanwälte

In der Praxis ist das in Wirtschaftssachen aber eher die Ausnahme. Gerade über Weihnachten kann daher schon etwas Zeit vergehen, bis eine Sicherungsmaßnahme greift. Wenn sich der Schaden nur schwer beziffern lässt und keine Konventionalstrafen vereinbart wurden, wird manchmal Rechtstreue bestraft und Dreistigkeit belohnt. Wer sich überrumpeln lässt, gewinnt am Ende vor Gericht, steht aber trotzdem mit leeren Händen dar. In solchen Auseinandersetzungen muss man also auch Timing einkalkulieren.

Das richtige Timing bei der Kündigung

Auch die Beendigung von Arbeitsverhältnissen wird oft so getimt, dass der Arbeitnehmer keine Kunden abwerben oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mitnehmen kann. Vor allem bei Arbeitnehmern in leitenden Positionen erfolgt mit der Kündigung oft eine sofortige Freistellung und werden alle Zugänge gesperrt. Dies ist auch zulässig, denn ein Recht auf Beschäftigung gibt es grundsätzlich nicht. Der Arbeitnehmer muss zwar bis zum Ende der Kündigungsfrist bezahlt werden, er hat aber kein Recht darauf, dass er bis dahin auch Zugang zu seinem Arbeitsplatz und den Geschäftsunterlagen hat sowie Kunden und Geschäftspartner des Unternehmens betreuen darf. Er muss nur die Möglichkeit haben, private Gegenstände mitzunehmen und private Daten zu löschen. 

Und auch bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen kann der richtige Zeitpunkt die Geltendmachung von Ansprüchen erschweren oder gar verhindern. Für die Anfechtung von Entlassungen oder Kündigungen, etwa wegen Motiv- oder Sozialwidrigkeit, gelten sehr knappe Fristen von zwei Wochen. Wenn man bis nach den Feiertagen zuwartet, bevor man rechtliche Hilfe sucht, kann es schon zu spät sein.

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