Dietmar Steiner: "Architektur als Therapie"

Dietmar Steiner: "Architektur als Therapie"
Dietmar Steiner, Leiter des Architekturzentrums Wien (Az W), über die Bauherren-Revolution und unumgängliche Familientherapien.

Herr Steiner, Sie sind selbst Architekt und verfolgen seit vielen Jahren die Bauaktivitäten unseres Landes. Was hat sich denn bei der Errichtung von Privathäusern im Vergleich zu früher geändert?
Man kann heute in jedem Fall von einer Revolution der Bauherren sprechen. Wer hat sich denn früher inmitten der ländlichen Idylle ein sogenanntes Architektenhaus, also eines mit planerischem und gestalterischem Anspruch, gebaut? Das war der Gemeindearzt und vielleicht irgend so ein durchgeknallter Städter, der aufs Land gezogen ist. Heute legen bei uns auch ganz normale Mittelstandsfamilien Wert auf gute Architektur - wie man sehr gut wieder am diesjährigen Preis "Das beste Haus" erkennen kann. Das ist überaus erfreulich und macht uns auch zu einer Art Vorzeigeland.

Österreichs Einfamilienhäuser waren ja sogar schon Gegenstand einer Ausstellung im Kulturforum in New York. Was ist denn das Besondere daran?
Das Besondere ist, dass in Amerika kein Mensch in dieser Einkommenskategorie und in dieser sozialen Klasse auf die Idee käme, sich ein Haus von einem Architekten bauen zu lassen. Da haben wir glücklicherweise mittlerweile eine ganz andere Kultur und das beeindruckt die Leute drüben auch immer sehr.

Gleichzeitig wird aber auch regelmäßig gegen die Zersiedlung unserer Landschaft gewettert. Wie sehen Sie dieses Problem?
Ich bin da etwas abgeklärt in dieser Frage und sehe nichts Verwerfliches in der Planung von Einfamilienhäusern. Tatsache ist doch, dass diese Wohnform weltweit seit jeher die Beliebteste ist und das wird sie auch bleiben. Ich finde außerdem, dass Österreich noch über mehr als genug unbebaute Landschaft verfügt, auch da sehe ich also keine Katastrophe nahen.

Das Einfamilienhaus zählt zu den häufigsten Aufträgen an Architekten am Beginn ihrer Karriere, später nehmen nicht mehr alle derartige Jobs an. Warum?
Es ist natürlich ein wunderbares Erprobungsfeld für Raumlösungen, für Materialien und für sehr individuelle, auf den jeweiligen Bauherren zugeschnittene Konzeptionen. Für einen Architekten ist das Einfamilienhaus allerdings auch ein unverhältnismäßiger Aufwand: Ökonomisch rechnet sich die Planung nie. Und es beinhaltet gleichzeitig eigentlich immer auch eine Familientherapie.

Es ist allerdings auch ein wunderbarer Forschungsgegenstand der Architektur: Wenn der Bauherr mitgeht, kann man durchaus an die Grenzen des Machbaren gehen.
www.azw.at

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