Der Gebäude-Versteher

Ein Mann mit Bart steht vor einer Betonwand, sein Schatten ist auf einer Glasscheibe zu sehen.
Die Bauten des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld können von Sao Paolo über Barcelona und, wenn es nach den Plänen der Bauherrn geht, auch ab 2023 am Wiener Heumarkt betrachtet werden.
Ein Mann mit Bart steht vor einer Betonwand, sein Schatten ist auf einer Glasscheibe zu sehen.

„Diese Moderne gibt es in Wien so nicht“, zitiert Daniela Enzi den Architekturexperten Dietmar Steiner. Sie war nicht stimmberechtigtes Mitglied der 13-köpfigen Jury, die den Entwurf des brasilianischen Architekten Isay Weinfeld zum Sieger des internationalen Architekturwettbewerbs für das Heumarkt-Areal kürte.
Ein offener Wohnbereich mit Holzterrasse und Blick in einen üppigen Garten.

„Er überzeugte die Jury durch seine behutsame und sensible Herangehensweise an das Projekt und den besonderen Standort im dritten Wiener Gemeindebezirk. Der Entwurf berücksichtigt auch die umliegenden Gebäude und integriert sich perfekt in die Umgebung“, erzählt Enzi.
Die Fassade der Buchhandlung „Livraria Da“ mit einem Baum im Vordergrund.

Das Dreigestirn aus Hotel, Eislaufplatz und Konzerthaus werde geöffnet und bildet ein Ensemble. Eine zusätzliche Stadtterrasse multipliziert den öffentlichen Raum, wodurch „ein Gefühl von Leichtigkeit und Durchlässigkeit entsteht“, so Enzi weiter.
Eine Ansicht des Wiener Konzerthauses und des umliegenden Platzes mit neuen Gebäuden.

Als zurückhaltend und elegant bezeichnet Markus Allmann, der Jury-Vorsitzende, die Arbeiten des Architekten in einer Aussendung. Seine Herangehensweise sei einzigartig und von einer Selbstverständlichkeit geprägt. Er frage sich, warum nicht jeder solche Entwürfe präsentiert, sagt er weiter.
Ein Reiter auf einem Schimmel vor einem modernen, eingeschossigen Gebäude.

Das Geheimnis seiner Entwurfsideen verrät der Architekt in der neuen Monografie „Isay Weinfeld – An Architect from Brasil“, das vom Verlag Gestalten herausgegeben wird. „Ich höre so lange zu, bis ich eine Idee bekomme und mit dem Projekt beginnen kann“, erzählt Weinfeld darin.
Ein Restaurant mit Gewölbedecke und Holztischen wirkt einladend.

Das Haus seines Bruders „Casa Marrom“ habe er beispielsweise entworfen, nachdem er ihm jahrzehntelang zugehört hat. Durch das Zuhören findet Weinfeld heraus, was die Menschen wirklich wollen. In seinen Projekten versucht er, die Persönlichkeit seiner Auftraggeber in die Architektur zu übersetzen und widerzuspiegeln.
Die Fassade eines modernen Gebäudes mit vertikalen Lamellen und üppiger Bepflanzung im Vordergrund.

„Nach 45 Jahren in diesem Beruf sehe ich mich zu 95 Prozent als Psychoanalytiker und zu fünf Prozent als Architekt“, erzählt Weinfeld.
Eine Wendeltreppe aus Holz und Metall, umgeben von Palmen, in einem hellen Gebäude.

Der Brasilianer stellt sich ganz in den Dienst seiner Auftraggeber und nimmt sich selbst sehr zurück. Dabei vereint er Kontraste, löst Grenzen zwischen Innen- und Außenräumen auf und schenkt jedem noch so kleinen Element volle Aufmerksamkeit.
Ein begrünter Innenhof mit Säulen und einem geschwungenen Dach.

Das bestätigt auch Daniela Enzi: „Seine Mitarbeiterin hat erzählt, dass er sogar die Steckdosenabdeckungen im Keller eines Projekts selbst ausgesucht hat.“ Es gebe keine Entscheidung, an der er nicht beteiligt ist. Das kostet viel Zeit und Energie. Daher wählt er seine Projekte sorgfältig aus.
Eine gelbe Wendeltreppe führt zu einem Schwimmbad, umgeben von üppigem Grün.

„Ich halte nichts von Architektur, bei der sich der Urheber als Genie sieht. Ich bin ein guter Zuhörer, der die Fähigkeit besitzt, das Gehörte in etwas Gebautes zu verwandeln. Und ich bin ein verdammt guter Zuhörer.“ sagt Isay Weinfeld.

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