Architektur frei Haus

Das Open-Source-Haus ist ein außergewöhnlicher Blickfang
Das französische Büro Studiolada Architects greift den Trend des Teilens auf und stellt die vollständigen Unterlagen für ein modernes, platzökonomisches Einfamilienhaus zum kostenlosen Download bereit.

Ursprünglich war das 117-Quadratmeter-Haus, das Architekt Christophe Aubertin entwarf, für ein älteres Ehepaar in der ostfranzösischen Stadt Baccarat gedacht. Nur für dieses Ehepaar. Während der sechsmonatigen Planung und der anschließenden Bauphase hatte Aubertin allerdings die Idee, seine Entwürfe und Überlegungen zu diesem durchdachten Gebäude zu teilen. Im Internet – und zwar vollkommen kostenlos.

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Das Häuschen ist ein außergewöhnlicher Blickfang: Fassade und Dach sind aus schwarzem Wellblech. Steht man vor der großen südseitigen Glasfront und blickt in das Innere, hebt sich dieses schlichte Schwarz des Außenbereichs vom hellen Fichtenholz ab, das weite Teile des Innenbereichs auskleidet.

Aber nicht nur die Optik ist an Aubertins Konstruktion erwähnenswert, sondern auch der kompakte, funktionale Aufbau und die vergleichsweise einfache Errichtung. Träger und Balken, die vorgefertigt gekauft werden können, stützen das Haus, dazwischen werden Betonelemente eingebaut. Da die gesamte Nordseite fensterlos ist, kann das Haus so nah an die Grundstücksgrenze gebaut werden, wie es das Gesetz erlaubt.

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Warum sollten nicht andere „Häuslbauer“ von diesem Entwurf profitieren?, fragte sich Aubertin also während der Arbeit. Nur die Pläne als PDF online zu stellen, war dem Architekten aus Nancy zu wenig. „Mit einem Plan alleine hat man nicht ausreichend Informationen. Es ist wichtig, alle Details zur Verfügung zu stellen, Unterlagen zu den eingesetzten Materialien, den Verbindungsstellen und den Belastungspunkten“, sagt Aubertin.
Über Monate bereitete er die Unterlagen so auf, dass sie auch für Laien verständlich sind – und stellte sie auf die Webseite seines Büros Studiolada Architectes. Der Franzose greift damit einen Trend auf: Open-Source, also die Ökonomie des öffentlichen Teilens. Im Software-Bereich ist diese Form der „offenen Quelle“ bereits weit verbreitet, andere Industrien ziehen nach. Vorbilder für Aubertin sind etwa die Architekten Laurie Baker in Indien und Alejandro Aravena in Chile, die kostenlos Häuserdesigns als Wohnkonzepte für untere Einkommensschichten zur Verfügung stellen.

Die Reaktionen seiner Kollegen sind durchwachsen. „Viele finden es positiv. Andere aber sorgen sich, dass unser Job überflüssig werden könnte“, sagt Aubertin. „Dabei bauen viele Familien ohnehin ohne Architekten.“ In Frankreich engagieren nur fünf Prozent der Häuslbauer einen Architekten, auch in Österreich wird oft darauf verzichtet. „In den vergangenen dreißig Jahren sind so Häuser entstanden, die nicht klug aufgeteilt sind“, so Aubertin. Man verwende immer die Standardmaterialien: Zement, Kunststofffenster und Styropor-Dämmstoff. „Die Häuser ähneln einander. Um sich dann abzuheben, wählen Bauherren ein extravagantes Dach oder einen überdimensionalen Eingangsbereich. Das Endergebnis mag zwar anders sein, ist aber selten stimmig.“

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Mit seinem Open-Source-Haus möchte Aubertin zu einer besseren Qualität der Einfamilienhaus-Architektur in Frankreich beitragen – und auch Ideen für Häuslbauer weltweit liefern. „Die meisten Menschen verwenden Gipskartonplatten an den Wänden, schlicht und einfach weil sie Hemmungen haben, andere Materialien einzusetzen. Oft glauben sie, es könnte sonst teuer werden.“

In seinem 59-seitigen Dokument sind alle Komponenten des Open-Source-Hauses detailliert aufgelistet. In dieser originalen Variante kostet der Quadratmeter netto 1250 Euro. Um Design zu diesem Preis möglich zu machen, hat Aubertin einen klugen Mix aus Materialien gewählt. Das schwarze, extrem pflegeleichte Wellblech außen ist etwa kostengünstig, dafür geht sich ein teurerer natürlicher Dämmstoff im Budget aus.

>Ein Betonfundament sorgt dafür, dass das Haus allen Witterungen standhält. Nicht vorgesehen ist ein Keller, der tiefe Aushub würde zu Buche schlagen. „Ich wollte, dass das Wohnzimmer auf Gartenniveau ist, um einen fließenden Übergang zwischen Innen- und Außenbereich zu gewähren. So entsteht auch ein Zusammenspiel der Natur draußen mit dem Holz im Interieur“, sagt Aubertin. Betont wird diese Verbindung auch durch ein Rankgitter für Pflanzen an der Südseite, das im Sommer einen natürlichen Sonnenschutz für Wohnzimmer und Terrasse schafft. In den kühleren Monaten wird das Haus effizient beheizt. Ein einziger Pelletofen wärmt alle Räume: den offenen Wohn-Ess-Bereich, die beiden Schlafzimmer und das Bad.

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„Mir geht es darum, die Vorteile dieses Designs zu kommunizieren und auf Möglichkeiten aufmerksam zu machen“, sagt der Planer, der übrigens nie erfahren wird, wie oft sein Entwurf tatsächlich umgesetzt wird. „Wenn mich jemand kontaktiert, weil er Fragen hat, bitte ich ihn immer, mir ein Foto von seinem fertigen Haus zu schicken.“ Ein Wunsch, der sehr gut nachvollziehbar ist. Und den ihm jeder, der seine Pläne nutzt, gerne erfüllen sollte.

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Zum Büro

Studiolada Architectes ist ein Architektenbüro in Nancy, Frankreich. Christophe Aubertin (37) ist einer von sechs Partnern. Das Portfolio umfasst Einfamilienhäuser wie auch öffentliche Gebäude, darunter Schulen und Ärztezentren. 2014 wurde das Büro mit dem „AJAP“-Preis des französischen Kulturministeriums ausgezeichnet.
www.studiolada.fr

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