Zwei Milliarden sind übergewichtig

Zwei Milliarden sind übergewichtig
US-Ärzte schlagen Alarm: Fettleibigkeit breitet sich weltweit wie eine Epidemie aus - die Politik muss endlich einschreiten.

Mam, warum bin ich dick?", fragt Booby (das Kind auf dem Bild unten) in einem Video seine - stark übergewichtige - Mutter. Diese seufzt nur tief, sagt aber nichts. Stattdessen wird ein Satz eingeblendet: "75 Prozent der Eltern übergewichtiger Kinder erkennen das Problem nicht." Mit einer drastischen Info-Kampagne macht der US-Bundesstaat Georgia auf die stark wachsende Zahl der von Adipositas (Fettsucht) Betroffenen aufmerksam. In der Fachzeitschrift The Lancet fordern Mediziner jetzt Maßnahmen, auch von den Vereinten Nationen - andernfalls sei die Epidemie des Übergewichts nicht mehr rückgängig zu machen.

Laut einer Studie der Uni Melbourne sind bereits mehr als 1,5 Milliarden Erwachsene übergewichtig und 500 Millionen Erwachsene fettleibig. Darüber hinaus sind 170 Millionen Kinder übergewichtig oder fettleibig. Zum Vergleich: Die Zahl der Hungernden weltweit beträgt 925 Millionen. In manchen Regionen wie etwa den USA oder dem Westen Australiens habe Fettleibigkeit mittlerweile das Rauchen als größte Gesundheitsgefahr überholt. Forscher der Harvard School of Public Health fordern unter anderem Zusatzsteuern auf Junkfood sowie Werbebeschränkungen für ungesundes Essen.

Gesundheitsproblem

Zwei Milliarden sind übergewichtig

"Die Übergewichts-Epidemie ist das Gesundheitsproblem des 21. Jahrhunderts", sagt Univ.-Prof. Kurt Widhalm von der MedUni Wien: "Ein Prozent der übergewichtigen Jugendlichen sind bereits Typ-2-Diabetiker. Seit mindestens 20 Jahren rufen Wissenschaftler nach Maßnahmen - aber bis auf wenige Ausnahmen haben die Gesundheitspolitiker weltweit fast nichts umgesetzt."

Über eine Steuer auf Lebensmittel mit hohem Fett- oder Zuckeranteil könne man diskutieren: "Es gibt wissenschaftliche Daten, dass man den Konsum dieser Produkte damit senken kann." Ihm persönlich wäre aber ein Bonus auf gesunde Lebensmittel lieber.

Auch in Österreich steigt die Zahl der Übergewichtigen: "Beim Konsum von zuckerhaltigen Getränken etwa liegen österreichische Jugendliche europaweit an der Spitze", betont der Ernährungsmediziner. Die Ausbildung der Ärzte müsste verbessert werden - so gesehen sei es unverständlich, dass der Lehrstuhl für Ernährungsmedizin an der MedUni Wien nach seiner Emeritierung im September aus Spargründen nicht nachbesetzt werden soll, so Widhalm.

Mehr Angebote

Neben konkreten Präventionsprogrammen in Kindergärten und Schulen müsste es auch mehr Bewegungsangebote geben: "Eine neue Studie hat gezeigt, dass körperlich aktive Kinder die Aufnahme des Blutzuckers in die Körperzellen mittels Insulin viel besser regulieren können: Das ist die beste Prävention von Diabetes."

Kritik übt Widhalm am "Nationalen Ernährungsplan" von Gesundheitsminister Alois Stöger. "Das sind nette Plauderrunden, aber es passiert nichts. Der Gesundheitsminister hat zu wenig Kompetenzen - er müsste sich mit den Ländern zusammensetzen und konkrete Projekte planen."

Thomas Kvicala, Sprecher des Gesundheitsministeriums, weist die Kritik zurück: "Es gibt konkrete Maßnahmen wie neue Leitlinien und Beratung für Schulbuffets. Auch die Ernährungsberatung von Schwangeren wird intensiviert. In den kommenden Jahren werden diese Projekte noch ausgebaut." In einem Punkt herrscht aber Einigkeit. Widhalm: "Es nützt nichts, den Leuten nur zu sagen, nehmt ab. Viele wollen ja - aber schaffen es alleine nicht."

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