Wie Opfern von häuslicher Gewalt geholfen werden kann

Opfer von Gewalt wünschen sich routinemäßige Unterstützung durch Gesundheitspersonal.
Gesundheitspersonal soll auf gewaltbetroffene Frauen zugehen. Expertinnen fordern Schulung.

"Gewalt macht krank." Diese Tatsache, die 20 Prozent aller Frauen betrifft, war am 17. September 2015 Thema einer Fachtagung in Wien. „Beziehungsgewalt, familiäre Gewalt und sexualisierte Gewalt zerstören die Gesundheit der Betroffenen, sie benötigen nachweislich mehr medizinische Betreuung und haben ein lebenslanges Trauma zu tragen“, sagt Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Jede 5. Frau in Österreich hat seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexualisierte Gewalt erlebt, das zeigen die Ergebnisse einer EU-weiten Studie.

Die Fachtagung stellte ein Signal an den Gesundheitsbereich dar. Expertinnen aus Berlin und aus Wien widmeten sich der Frage, welche Maßnahmen sich bewähren. Univ.-Prof. Karin Gutierrez-Lobos, Vizerektorin der Medizinischen Universität Wien, betont: „Gerade für die Medizin ist es wichtig, die Gewaltproblematik schon bei der Diagnose mitzudenken. Gewalterfahrungen wirken sich auf die körperliche, soziale und psychische Gesundheit aus." Die Psychiaterin weiß um die traumatisierenden Folgen von Gewalterfahrungen wie Angststörungen, Depressionen bis hin zum Suizid. Deshalb sind Früherkennung und Frühintervention ein medizinisches wie gesellschaftspolitisches Anliegen.

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Gesundheitsbereich sind aufgerufen, bei der Früherkennung mitzuhelfen: „Machen Sie den ersten Schritt. Fragen Sie Ihre Patientin, ob sie Hilfe braucht“. Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger sagt: „Frauen sollen wissen, dass sie sich ihrer behandelnden Ärztin bzw. Arzt anvertrauen können.“

Folgen von Gewalt an Frauen

Die Daten der EU-Grundrechteagentur verdeutlichen die Dimension des Problems. Selbst während der Schwangerschaft erleiden zwanzig Prozent der gewaltbetroffenen Frauen körperliche Gewalt durch den Partner. Dies führt nachweislich zu Frühgeburtlichkeit, Abort sowie neonatalen Gesundheitsproblemen des Babys.

38 Prozent der Österreicherinnen sind psychischer Gewalt durch den (Ex-)Partner ausgesetzt. „Die Frauen werden sozial isoliert, vom Partner ständig kontrolliert, gedemütigt“, resümiert Frauengesundheitsbeauftragte Beate Wimmer-Puchinger die Ausmaße psychischen Leides in Gewaltbeziehungen aus einer Studie an Frauen im Frauenhaus.

Die gesundheitlichen Auswirkungen physischer, sexualisierter und psychischer Gewalt gegen Frauen und Mädchen schätzt die WHO als gravierendes Public Health-Risiko ein: Neben Verletzungen und bleibenden körperlichen Behinderungen können u.a. chronische Schmerzen, sexuell übertragbare Krankheiten, Abortus und Frühgeburten, Posttraumatisches Stresssyndrom, Angststörungen, Depressionen, Suchterkrankungen auf eine Gewalterfahrung zurückgehen. Dem Gesundheitssystem entstehen hohe Folgekosten, die durch rechtzeitige Früherkennung und Therapie gesenkt werden könnten.

Nachfragen

Denn Krankenhaus- und Gesundheitspersonal sind häufig die ersten Anlaufstellen für ein Gewaltopfer: 27 Prozent der gewaltbetroffenen Frauen in Österreich suchen nach dem gravierendsten Vorfall von Beziehungsgewalt ein Spital oder eine Arztpraxis auf. „Das bedeutet allerdings eine große Herausforderung für das Gesundheitspersonal, da es Frauen in der Regel schwer fällt, von sich aus über Gewalterfahrung zu sprechen“, sagt Beate Wimmer-Puchinger. „Wir können zum Wohle der Frauen die Chance nützen, wenn wir Ärztinnen und Ärzte sowie Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeiter durch Schulungen darin unterstützen, auf die Frauen aktiv zuzugehen. Dies deckt sich laut Studie mit den Erwartungen der Frauen: 82 Prozent der Österreicherinnen würden es begrüßen, wenn eine Ärztin bzw. ein Arzt bei entsprechenden Hinweisen die Patientin routinemäßig fragt, ob sie von Gewalt betroffen ist.

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