Wenn der Stress einmal nachlässt

Wenn der Stress einmal nachlässt
In den USA sterben zu Weihnachten und Neujahr mehr Menschen. Generell ist im Winter die Sterblichkeit etwas höher.

Jopie Heesters (108), Versandhändler Werner Otto (102), Jazz-Legende Sam Rivers (88): „Es ist auffallend, dass rund um die Feiertage besonders viele ältere Menschen sterben“, sagt ein Notfallmediziner. In den USA steigt zu Weihnachten und zu Neujahr die Zahl der Todesfälle in den Notaufnahmen und auf dem Weg zum Krankenhaus signifikant an, so eine Studie. Eine für Autor David Phillips plausible These: Viele Menschen ignorieren akute Symptome, um eine Unterbrechung des Urlaubs zu vermeiden.

„Ich konnte in den vergangenen Jahren und kann auch heuer bisher diese alarmierenden Berichte aus den USA in unserer Notfallaufnahme nicht beobachten“, sagt Univ.-Prof. Anton Laggner, Vorstand der Uni-Klinik für Notfallmedizin am Wiener AKH: „Es gibt in den USA im Rettungswesen keine Notärzte wie bei uns und die Emergency Departments behandeln gleichzeitig Unfälle und Notfälle – bei uns ist das getrennt. Möglicherweise treten dadurch bei erhöhtem Patientenaufkommen die Probleme in den USA auf.“

Jeannette Klimont von der Statistik Austria: „Bei den Sterbefällen pro Tag zeigt sich in Österreich in den vergangenen Jahren kein eindeutiger Trend.“ Zwar war 2009 und 2010 jeweils ein Weihnachtstag ein starker Sterbetag (siehe Grafik) – 2010 aber gab es die meisten Todesfälle im Dezember am 11. 12. und 2009 am 29. 12.

„Die Anzahl der Einsätze ist über die Feiertage nicht höher als sonst“, sagt Ronald Packert, Sprecher der Wiener Berufsrettung: „Allerdings haben wir aufgrund des üppigen Essens mehr Einsätze wegen Magen-Darm-Beschwerden und wegen Stoffwechselproblemen bei Diabetikern.“ Auch die Zahl der Herzinfarkte sei etwas erhöht – „ob dies etwas mit dem Weihnachtsstress zu tun hat, ist nicht erwiesen“.

Winterschlaf

Wenn der Stress einmal nachlässt

Laut dem Physiologen Univ.-Prof. Wolfgang Marktl ist generell in den Wintermonaten die Sterberate etwas höher. „Im Winter ist der Einfluss des Parasympathikus – des Ruhenervs – größer. Er reguliert die Organfunktionen hinunter. Bei einem gesunden Menschen hat das einen erholsamen Effekt. Aber bei altersschwachen Menschen, die ohnehin schon reduzierte Organfunktionen haben, kann das ausschlaggebend sein, dass es zu einem Organversagen kommt.“ Das dürfte einer der Gründe sein, warum Menschen, bei denen der Tod mehr aus Altersschwäche denn wegen einer konkreten Krankheit eintritt, häufiger im Winterhalbjahr sterben. „Möglicherweise spielt auch der Lichtmangel eine Rolle.“

Andere äußere Einflüsse – Ernährung, aufgebrauchte Nährstoffreserven, Kälte – seien heute hingegen nicht mehr von Bedeutung. Marktl sieht aber auch eine Parallele zum Winterschlaf bei Tieren: „Schlafforscher bezeichnen ihn als todesähnlichen Schlaf. Es hängt von den Reserven der Tiere ab, ob sie ihn überleben. Auch wir haben noch Relikte des Winterschlafs in uns. Möglicherweise bewirken sie, dass Menschen, deren innere Uhr abgelaufen ist, eher um diese Zeit sterben.“

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