Weniger Heroin, aber immer mehr neue Drogen

Mehrfarbige Ecstasy-Pillen mit den Aufdrucken „SKY“ und anderen Symbolen liegen auf einer schwarzen Oberfläche.
Experten alarmiert: Wirkstoffgehalt steigt, pro Woche zwei neue Substanzen entdeckt.

Die Zahl der Heroinkonsumenten in Europa ist rückläufig. Insgesamt werden die illegalen Drogen - speziell Cannabis und synthetische Drogen - immer "reiner", der Wirkstoffgehalt steigt und es kommen auch immer mehr neue synthetische Substanzen auf den Markt. Und während es in den USA den Trend zum geregelten Zugang zu Cannabis gibt, entfallen in Europa 60 Prozent aller Suchtgiftdelikte auf diese Substanz: Das sind einige der Hauptaussagen der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EMCDDA/Lissabon) in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Jahresbericht. Der Report für 2015 wurde am Donnerstag in der portugiesischen Hauptstadt präsentiert. Auf etwa 80 Seiten wird darin die Situation rund um die illegalen Drogen dargestellt.

Der Gebrauch illegaler Drogen ist kein "Randgruppenphänomen" mehr. "Unter den erwachsenen Europäern haben schätzungsweise mehr als 80 Millionen Menschen, also fast ein Viertel, bereits irgendwann in ihrem Leben eine illegale Droge konsumiert", heißt es in dem Bericht. Cannabis steht da an der Spitze. Kokain (14,9 Millionen der Erwachsenen mit Konsumerfahrung), Amphetamine (11,7 Millionen) und MDMA (" Ecstasy"/11,5 Millionen Erwachsene mit Konsumerfahrung) liegen da weit zurück.

Die vergangenen zwölf Monate

Cannabis: In den vergangenen zwölf Monaten haben 5,7 Prozent der Erwachsenen (15 bis 64 Jahre) in Europa Cannabis konsumiert, bei den jungen Erwachsenen (15 bis 34) waren es 11,7 Prozent.

Amphetamine: Der Anteil der Menschen, die innerhalb des letzten Jahres Amphetamine verwendete haben, liegt bei 0,5 Prozent (Erwachsene) bzw. einem Prozent (junge Erwachsene).

Kokain: Bei Kokain sind es in den beiden Altersgruppen ein Prozent bzw. 1,9 Prozent, bei Ecstasy 0,6 bzw. 1,4 Prozent. Damit zeigt sich auch, was viele Experten betonen: Drogenkonsum ist häufig ein passageres Phänomen bei jungen Menschen, das zumeist wieder verschwindet.

Opioide: Weiterhin am gefährlichsten sind die Opioide. 0,4 Prozent der Erwachsenen (15 bis 64 Jahre) verwenden diese Substanzen (speziell Heroin etc.), "was 1,3 Millionen problematischen Opioidkonsumenten in Europa im Jahr 2013 entspricht. Die positive Nachricht aus dem aktuellen EMCDDA-Jahresbericht: Rund 700.000 der Menschen mit problematischem Opiatkonsum befinden sich bereits in Substitutionsbehandlung (Methadon, Buprenorphin, retardierte Opiate zum Schlucken). Das sind gut 50 Prozent. Aber: 3,4 Prozent aller Todesfälle in der Altersgruppe zwischen 15 und 39 Jahren werden auf Drogen-Überdosierungen zurückgeführt. 66 Prozent aller Todesfälle durch Überdosierungen sind durch Heroin & Co. zumindest mitverursacht.

Weniger Neueinsteiger

Durchaus positiv ist derzeit die Entwicklung bei der Zahl der Opioid-Konsumenten, wie die Drogenbeobachtungsstelle betont: "Die Zahl der neuen Heroinpatienten (die sich in spezialisierte Behandlung begaben; Anm.) hat sich 2013 mit 23.000 Patienten gegenüber dem Höchstwert von 59.000 im Jahr 2007 mehr als halbiert. Insgesamt scheint es immer weniger Neueinsteiger in den Heroinkonsum zu geben, was sich nunmehr auf die Behandlungsnachfrage auswirkt."

Bedenklich könnte allerdings stimmen, dass die Opiumproduktion in Afghanistan in jüngerer Vergangenheit wieder deutlich gestiegen ist. Erstmals wurden in Europa (Spanien) im Jahr 2013 und 2014 zwei Labors ausgehoben, die Morphin in Heroin "verwandelten". Heroin wird offenbar immer häufiger neben der bekannten Balkan-Route immer häufiger via Iran und Pakistan auf dem Luft- und Seeweg über Afrika in Richtung West- und Südeuropa verschoben.

"Globalisierter Drogenmarkt"

Obwohl die Problematik des Suchtgiftkonsums primär eine gesundheitliche Angelegenheit ist, nahm bei der Vorstellung des EMCDDA-Jahresberichts in Lissabon am Donnerstag der EU-Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, Dimitris Avramopoulos, dazu Stellung: „Der Bericht zeigt, dass wir es mit einem sich rasch wandelnden, globalisierten Drogenmarkt zu tun haben.“

Sorgen bereiteten, so der EU-Kommissar, das Internet als Handelsplattform für illegale Drogen. Weiters müsse man auf neue synthetische Drogen immer schneller reagieren können. Was die Entwicklung bei den illegalen Substanzen speziell betrifft, ist der zunehmend höhere Wirkstoffgehalt ein Thema.

Höherer Wirkstoffgehalt

„Die diesjährige Datenerhebungsrunde lieferte Hinweise auf eine mittel- und kurzfristige Zunahme des Reinheitsgrads oder Wirkstoffgehalts bei allen häufig konsumierten Drogen in Europa." Dies zeige sich zum Beispiel bei aus Marokko importiertem Cannabisharz, aber auch bei synthetischen Drogen: „Nach einem Zeitraum, in dem als ' Ecstasy' verkaufte Tabletten unter Konsumenten in dem Ruf standen, von schlechter Qualität bzw. Produktfälschungen zu sein, ist hochreines MDMA (Ecstasy-Wirkstoff, Anm.) in Pulver- und Tablettenform inzwischen weitverbreitet.“ Das sei offenbar eine gezielte Strategie der Produzenten, um die Attraktivität zu erhöhen.

Immer mehr neue Substanzen

Gleichmäßig nach oben geht die Zahl der entdeckten „neuen Drogen“ aus den illegalen Labors für synthetische Substanzen. „Pro Woche wurden in den letzten zwölf Monaten in der EU zwei neue psychoaktive Substanzen (NPS oder 'neue Drogen', häufig als 'Legal Highs' verkauft) entdeckt. Insgesamt wurden dem EU-Frühwarnsystem im Jahr 2014 101 neue Substanzen gemeldet (gegenüber 81 im Jahr 2013). Die Gesamtzahl von Substanzen, die von der Beobachtungsstelle überwacht werden, steigt so auf über 450, wobei mehr als die Hälfte allein in den zurückliegenden drei Jahren identifiziert wurden“, stellte die EMCDDA fest. Jeweils fast ein Drittel machten 2014 die sogenannten Cathinone (31) und die synthetischen Cannabinoide (30) als Ersatz für Stimulanzien oder Cannabis aus.

Eine Grafik zeigt den Drogenkonsum in der EU nach Ländern und Drogenart.
Konsum von Cannabis, Kokain, Ecstasy und Amphetaminen im EU-Vergleich - EU-Karten, Tabellen Grafik 0670-15-Drogen.ai, Format 88 x 194 mm

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