Was Ötzis Magen über Völkerwanderungen verrät

"Ötzi ist als Untersuchungsobjekt einzigartig", sagt Bioinformatiker Thomas Rattei.
Der Eismann litt an Helicobacter pylori und war Nachkomme asiatischer Migranten.

Ötzis Erforschung ist ein globales Projekt. Wissenschafter aus der ganzen Welt beteiligen sich, auch österreichische. Das bisher letzte heimische Projekt wurde vom Bioinformatiker Thomas Rattei von der Universität Wien mit durchgeführt. Zielobjekt: Ötzis Magenkeime.

Was jetzt ein wenig abwegig klingt, versucht Rattei im KURIER-Interview sinnvoll einzuordnen: "Ötzi ist als Untersuchungsobjekt einzigartig. Es gibt weltweit keinen zweiten so alten, gut erhaltenen Verdauungstrakt." Und dort wollte der Bioinfomatiker Helicobacter pylori nachweisen.

Was Ötzis Magen über Völkerwanderungen verrät
Ötzi Gletscher Mumie Rekonstruktion
Dieser Krankheitserreger begleitet den Menschen schon seit etwa 100.000 Jahren. Jeder zweite ist damit infiziert. "H. pylori macht nur einen kleinen Teil von uns krank. Wir geben ihn aber in den Familien weiter", sagt Rattei und hat das Bakterium tatsächlich im Eismann-Darm entdeckt, indem er einen molekularbiologischen Magneten baute, mit dem er gezielt die genetische Information von H. pylori aus der Vielzahl anderer menschlicher und nichtmenschlicher Darm-DNA herausfischte.

Als der Bioinformatiker die Steinzeit-DNA von Ötzis Helicobacter pylori in der Hand hatte, verglich er sie mit ihrem Pendant in heute lebenden Menschen. Das Ergebnis war eine Überraschung: "Wir hatten erwartet, dass sein Krankheitserreger der ist, den wir heute auch in Europa kennen. Aber Ötzi trug eine asiatische Variante in sich. Das bedeutet nicht, dass er aus Asien kam, sondern, dass die Ahnen der Gletschermumie wohl Migranten aus Asien waren und vor 8000 bis 10.000 Jahren über Kleinasien Europa besiedelten."

Rattei ist sich jetzt sicher, dass frühe Einwanderer aus Asien bei der Besiedlung Europas eine zentrale Rolle gespielt haben und der Hauptteil der afrikanischen Bevölkerungskomponente erst nach Ötzis Lebenszeit, also in den letzten 5000 Jahren, eingewandert ist.

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