Warum die Biobank Graz die beste Europas ist

Fachgerecht gefroren, ist Gewebe wichtig, will man Krankheiten erforschen.
7,5 Millionen Gewebeproben lagern in Graz und stehen Forschern aus aller Welt zur Verfügung. Das ist preiswürdig.

Gerne erzählt Berthold Huppertz eine Anekdote, in deren Mittelpunkt eine alte Dame steht: Besagte Dame betrat seine Biobank und erkundigte sich, wo der Schalter sei, an dem sie Geld einzahlen könne. "Damit die Biobank das dann in nachhaltige Projekte investieren kann."

Ja, es gibt Aufklärungsbedarf, sagt Huppertz. Und nein, seine Währung ist nicht der Euro, sondern menschliches Gewebe. Blut, Haut, Hirn, Plazenta, Speichel, Urin; erkrankt oder gesund – Huppertz, der Direktor der Biobank, hat alles. "Wir haben hier die größte akademische Biobank Europas – siebeneinhalb Millionen Proben." Das spricht sich langsam herum: Unlängst wurden die Grazer unter 13 Mitbewerbern zur besten akademischen Biobank in Europa gekürt. Vergeben wurde die Auszeichnung von der britischen Global Health & Pharma", einer globalen Medizin-Plattform. Mit dem International Life Sciences Award sollen jene Institutionen geehrt werden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, innovative und neue Wege im Life-Science-Bereich zu beschreiten.

Apropos schreiten

Womit wir auf einem Rundgang durch das Reich des Direktor Huppertz wären. Seit dem Umzug in den Neubau auf dem Gelände des Landeskrankenhauses Graz sind seine Räumlichkeiten nicht mehr so weit verstreut. "Doch die Lager sind noch immer über den Campus verteilt", erzählt der Zellbiologe. Gefrierschränke doppelt-mannshoch, mit unabhängigem Stromsystem, das die Kühlung auch im Notfall sicherstellt, stehen herum. Es wird gefroren und in Paraffin gepackt.

Warum die Biobank Graz die beste Europas ist
Biobank Graz, honorafrei
Unter minus 110 Grad kommen alle biologischen Prozesse zum Erliegen, so weit der aktuelle Wissensstand (Bild oben). "Blutproben können, sofern keine Zellen mehr drinnen sind, bei minus 80 Grad gelagert werden", sagt er und freut sich über ein neues Lagersystem für diese Proben, das gerade aufgebaut wird. "Weil alles voll automatisiert funktioniert, ist dann auch die Kühlkette gesichert", erzählt der Direktor. Lagern, raussuchen, verpacken – alles bei weit unter null Grad.
Warum die Biobank Graz die beste Europas ist
Biobank Graz huppertz
"Gewebe mit Zellen muss dagegen bei minus 150 Grad gelagert werden", sagt Huppertz im Lagerraum mit dem flüssigem Stickstoff (Bild oben), um zum Schluss auch noch den voll automatisierten Raum mit den Paraffin-Proben zu zeigen.

Das Sammeln und Analysieren biologischer Proben wie Blut, Serum, Plasma, Urin, Gewebe, Zelllinien ist von essenzieller Bedeutung, will man Krankheiten erforschen und Therapien entwickeln. Das war bis vor gut zwei Dekaden nicht selbstverständlich und ist es mancherorts heute noch nicht. Viele der kostbaren Proben wurden vernichtet. "1993 stand ein Riesen-Container vor dem Institut, beladen mit Paraffin-Proben, die zerstört werden sollten", erzählt der Grazer Pathologe Kurt Zatloukal. Und erinnert sich, wie er "Halt!" geschrien hat.

Bis dahin wurde alles weggeworfen, was älter als zehn Jahre war. Man hatte keine Ahnung, wie viele Informationen in diesem Material stecken. Stichwort DNA-Analysen. Später haben externe Gutachter den Proben großes Potenzial attestiert, ein Potenzial, das kein anderes Land hat.

Netzwerk aufgebaut

Zatloukal wurde in internationale Gremien entsandt. "Man stellte fest, dass man eine Forschungsinfrastruktur für die medizinischen Proben brauchen wird. "Die Idee der Biobanking and Biomolecular Resources Research Infrastructure (BBMRI) war geboren. Heute ist Zatloukal Österreich-Direktor.

"Die sitzen vier Etagen über uns", erzählt Huppertz und lobt die kurzen Wege, die es jetzt im Neubau gibt. Das Biobanken-Netzwerk BBMRI wird von Graz aus koordiniert sowie von der EU gefördert und führt die über Europa verteilten Sammlungen zu einer einzigen virtuellen Biobank zusammen. So ist die weltgrößte biologische Proben-Bank entstanden.

Wie das in der Praxis funktioniert, erklärt Huppertz am Beispiel eines Forschers aus Indonesien. Der arbeitet in der Krebsmedizin und meldet den Kollegen von der Biobank Graz, dass er Proben in verschiedenen Stadien, mit und ohne Metastasen, mit genetischen Unterschieden benötigt. Innerhalb von 42 Stunden bekommt er Antwort, und die Proben werden verschickt. Wenn der Wissenschaftler 100 verschiedene Proben einer seltenen Krebsart braucht, Graz aber nur 27 hat, kommt das Netzwerk ins Spiel. Huppertz: "Die Anfrage geht weiter nach Lissabon, Helsinki, Manchester, London. Da sind fünf, dort 13 etc.". Schnell hat man die 100 zusammen. "Und Graz ist der Knotenpunkt dafür."

Eigentlich unglaublich.

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