Wie Maria Sibylla Merian der Vogelspinne ihren Namen gab
Als Humboldt und Darwin um die Welt segelten, waren sie Jungspunde, ausgestattet mit Forschungsgeldern der Mächtigen. Vor allem aber waren sie Männer. Maria Sibylla Merian ist 52 Jahre alt, als sie ohne die schützende Hand eines Auftraggebers oder der Spende eines Mäzens samt Tochter nach Surinam, Südamerika, segelte. Was heute als Sabbatical gilt, war zu Merians Zeiten fast ein Skandal. Doch sie scherte sich kaum um Konventionen.
Das tat sie bereits als Kind. Die jüngste Tochter von Matthäus Merian d. Ä., einem Kupferstecher und Verleger, kam am 13. April 1647 in Frankfurt zur Welt. Als Jugendliche sammelte sie Würmer. Die Natur zu beobachten sollte ihre Leidenschaft werden. Genauso wie die Malerei. Der zweite Mann ihrer Mutter, ein Blumenmaler, förderte sie.
Im Garten
Es ist das Zeugnis ihrer empirischen Studien, erklärt Thomas Schmitt, Leiter des Senckenberg Deutschen Entomologischen Instituts. "Sie hat sich die Mühe gemacht, den Lebenszyklus der Arten zu verstehen, ihn dokumentiert. Das war eine Neuerung und eine der wissenschaftlichen Pionierleistungen." Noch heute sei die Insektenkunde eine Männerdomäne – umso mehr fasziniere den Experten Merians Engagement. Das zu dieser Zeit sicher nicht unumstritten war. Man stelle sich vor: eine Frau, die im Garten Raupen-Larven sammelte und versuchte, sie bis zum Erwachsenenstadium aufzuziehen. Auch anderes Getier weckte Merians Neugier: An drei toten Vögeln, die man ihr brachte, fand sie siebzehn dicke Maden – "sie hatten keine Füß, und kundten sich doch fest an den federn halten." Neben solchen Studien lehrte sie andere Frauen das Malen, führte eine eigene "Compagnie".
Im Dschungel
Zwei Jahre lang durchforstete sie den Urwald. Dort beobachtete und zeichnete sie, wie eine Spinne einen Kolibri verzehrte. Diese Darstellung findet sich später in ihrem berühmten Werk Metamorphosis insectorum Surinamensium ("Die Verwandlung der surinamischen Insekten"). Und sie entging auch dem schwedischen Naturforscher Carl von Linné nicht. Er stellte gerade sein taxonomisches System auf, inspiriert von Merians Stich benannte er die Spinne als "Vogelspinne". Linné war für viele der Pionier, doch die Vorarbeit leistete Merian. "Der gute Mann hat auf dem Wissen aufgebaut, das damals zur Verfügung stand. Und in etlichen Fällen verweist er auf den Band von Merian", sagt Schmitt. Bezahlt haben sich ihre Bücher nicht gemacht. Maria Sibylla Merian lebte von ihrem Unterricht und dem Verkauf von Malutensilien. Sie starb verarmt am 13. Jänner 1717 mit 69 Jahren. Ihr Grab gilt als unauffindbar. Ihr Name findet sich hingegen in sechs Pflanzen, neun Schmetterlingen und zwei Käfern.
Schneider Verlag (WBG); 149 €
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