Vegetarier in Österreich: Fleischlos aus schlechtem Gewissen

Vegetarier in Österreich: Fleischlos aus schlechtem Gewissen
Eine neue Studie gewährt Einblicke in die Lebenswelt der heimischen Vegetarier und Veganer.

Wer einen Blick in die Supermarktregale oder sozialen Medien wirft, könnte meinen, halb Österreich ernähre sich mittlerweile fleischlos. "Gefühlt gibt es einen starken Anstieg an Vegetariern und Veganern", sagt Jürgen König vom Department für Ernährungswissenschaften. "Und es stimmt: Die Zahl derer, die sich fleischlos ernähren, wächst. Dramatisch ist der Anstieg aber nicht."

Knapp sechs Prozent der Österreicher leben als Vegetarier oder Veganer, verzichten also auf Fisch und Fleisch oder generell auf tierische Produkte – dies geht aus einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts Marketagent hervor. Dabei wurden vor allem die Motive der "Veggies" erforscht: Die Hauptauslöser für eine Ernährungsumstellung haben demnach keinen gesundheitlichen, sondern einen ethischen Hintergrund. Fast die Hälfte verzichtet wegen Berichten über Massentierhaltung oder Schlachtungen auf Fleisch. "Beim Vegetarismus geht es in erster Linie um die Themen Tierwohl und Nachhaltigkeit", beobachtet auch Jürgen König.

Als wesentlichen Vorteil einer vegetarischen Lebensweise empfinden die Befragten – neben einem gesteigerten Wohlbefinden – das Schonen der Ressourcen. Ein wesentlicher Punkt, betont Christian Halper, Inhaber des vegetarischen Gourmet-Restaurants Tian: "Würden sich mehr Menschen vegetarisch ernähren, wäre die Welt eine friedlichere. Es ist bewiesen, dass 20 Prozent der globalen Erwärmung auf die Viehzucht zurückzuführen sind. Zudem werden alle acht Stunden mehr Tiere getötet als in beiden Weltkriegen zusammen. Meine Vorstellung von Weltfriede sieht anders aus", so Halper. Das Argument der geschmacklichen Eintönigkeit lasse er nicht gelten: "Bei pflanzlichen Lebensmitteln können wir aus 7000 Sorten wählen. Bei Fleisch nur aus 35 Arten."

Vielfältig ist mittlerweile auch das Angebot für Veggies in den Supermärkten. Man beobachte eine "steigende Nachfrage nach Lebensmitteln für besondere Ernährungsbedürfnisse und eine bewusste Lebensweise" und werde das Angebot an vegetarischen und veganen Produkten daher weiter ausbauen, heißt es etwa bei Hofer. Auch die Spar-Eigenmarke "Veggie" wurde seit 2012 "deutlich" erweitert: "Der Umsatz steigt jährlich; allein 2016 um 13 Prozent, was den anhaltenden Trend zur fleischlosen Ernährung bestätigt", heißt es aus dem Unternehmen.

"Die großen Supermärkte sind auf den Trend aufgesprungen", sagt Ernährungswissenschaftler Jürgen König. "Die Produktpalette nimmt zu, die Wahlmöglichkeit für Vegetarier und Veganer wächst. Das wäre nicht so, wenn diese Produkte niemand konsumieren würde."

Wie sich die Zahl der Vegetarier langfristig entwickeln wird, sei schwer zu sagen, meint König. "Dazu reicht die Datenlage nicht lang genug zurück." Er geht davon aus, dass der Fleischlos-Trend weitergehen und sich auch auf sozial schwächere Schichten ausbreiten werde. "Dabei wird es nicht unbedingt mehr strenge Vegetarier oder Veganer geben. Sondern mehr ‚Flexitarier‘: Menschen, die nur selten Fleisch essen, und dann nur solches, das bestimmte Kriterien erfüllt."

Diese Ernährungsweise deckt sich jedenfalls mit den Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (OEGE): Demnach sind zwei bis drei Portionen (fettarmes) Fleisch pro Woche ideal. Für die Gesundheit – und fürs Gewissen.

Vegetarier und Veganer sollten besonders auf eine ausgewogene Ernährung achten, damit ihr Körper ausreichend mit Vitamin B12, Eiweiß und Eisen versorgt ist. Das gilt speziell für Säuglinge und Kinder. Für sie kann vegane Ernährung sogar lebensgefährlich sein.

Dass eine einseitige Ernährung nicht nur Auswirkungen auf den Körper hat, zeigt eine Studie der University of Bristol (Großbritannien). Die Wissenschaftler haben gezeigt, dass ein Vitamin-B12-Mangel zu Depressionen führen kann. Vegetarier und Veganer leiden darunter signifikant häufiger als Fleischesser. Mehr noch: Je länger sich Probanden vegetarisch ernährten, desto stärker zeigte sich der Unterschied.

Allerdings: Wer fleischlos lebt, leidet seltener unter Diabetes und Herzerkrankungen. Die gesündeste Ernährung bleibt laut Experten aber die "Mittelmeer-Diät" mit einem hohen Anteil an Obst, Gemüse, Fisch, Nüssen und ungesättigten Fettsäuren wie Olivenöl.

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