Stresshormon: Risiko für Demenz

Stresshormon: Risiko für Demenz
Eine Wiener Studie liefert aufsehenerregende Ergebnisse. Jetzt droht ein abruptes Ende.

Je höher der Spiegel des Stresshormons Cortisol im Blut, desto höher das Demenzrisiko: Das ist das jüngste Ergebnis der VITA-Studie des Ludwig Boltzmann Institutes für Altersforschung. Dabei handelt es sich um eine der weltgrößten Untersuchungen zur Früherkennung von Alzheimer sowie zur Erforschung von Risikofaktoren. „Die Cortisolspiegel lagen zwar alle im Normalbereich“, sagt Studienleiter Univ.-Prof. Peter Fischer, Vorstand der Psychiatrie im Donauspital SMZ Ost in Wien. „Trotzdem hatten die Studienteilnehmer mit den höchsten Werten ein rund doppelt so hohes Demenzrisiko wie jene mit den niedrigsten.“

606 Bewohner des 21. und 22. Bezirks nahmen an der Studie teil. Zu Beginn im Jahr 2000 waren sie 75 Jahre alt. Drei Mal wurden sie im Abstand von je zweieinhalb Jahre nachuntersucht – psychologische Tests wurden ebenso gemacht wie Blutbefunde und Magnetresonanztomografie-Untersuchungen des Gehirns. Von den im Jahr 2000 gesunden Teilnehmern erkrankten in den darauffolgenden acht Jahren rund 25 Prozent an Demenz. Einige Ergebnisse:

Depression

Studienteilnehmer mit einer Depression in ihrem Lebenslauf hatten ein bis zum Dreifachen erhöhtes Demenzrisiko. „Derzeit werden nur rund zehn Prozent der Depressionen ausreichend behandelt“, sagt Fischer. „Die Frage, die sich aufdrängt: Könnte man mit einer flächendeckenderen Depressionstherapie Demenz-Neuerkrankungen reduzieren?“

Folsäure

Je höher der Folsäurespiegel im Blut, desto geringer war das Demenzrisiko. „Viele Teilnehmer an unserer Studie hatten gerade noch normale, aber doch schon recht niedere Folsäurewerte.“ Folsäure ist notwendig, damit Enzyme, die Gen-Schäden im Hirn reparieren, optimal arbeiten können. Folsäure ist u. a. in grünem Blattgemüse, Vollkornprodukten und Nüssen enthalten.

„Schutzgen“

Bei 36 Studienteilnehmern mit ersten Alzheimersymptomen zeigte sich im Studienverlauf eine überraschende Verbesserung der geistigen Leistungen: Sie waren ausnahmslos Träger eines Typs des sogenannten APOE-Gens, der einen gewissen Schutzfaktor darstellt. Fischer: „Diese Erkenntnis könnte man für die Entwicklung neuer Medikamente nützen. Andererseits könnte man diesen Menschen bei der Diagnose erster Alzheimer-Symptome mitteilen, dass sie einen schützenden Gen-Typ haben und deshalb eine Lebensstiländerung und Therapie möglicherweise mehr Chancen auf Erfolg hat.“ Drei Teilnehmer belegten dies besonders eindrucksvoll: „Sie haben mehr Bewegung gemacht, geistige Aktivitäten gesetzt – und hatten zweieinhalb Jahre später bei der nächsten Untersuchung deutlich bessere kognitive Werte.“ – „Der Rückgang der Hirnmasse in jenem Areal, das für die geistige Leistungsfähigkeit mitverantwortlich ist, setzte sich zwar fort“, so die Radiologen Univ.-Prof. Walter Hruby und Doz. Wolfgang Krampla vom Donauspital: „Dass aber trotzdem diese Leistungskapazität wieder etwas besser werden kann – das war auch für uns völlig neu und überraschend.“

„Wir haben erst die Spitze an Daten der VITA-Studie ausgewertet“, sagt Fischer. Doch durch die Schließung des Boltzmann-Institutes (siehe re.) fehle für den Rest des Daten-Eisbergs das Geld: „Vielversprechende Untersuchungsthemen gäbe es aber noch mehr als genug.“

Stresshormon: Risiko für Demenz
Die VITA-Studie war das größte Projekt des Boltzmann-Institutes für Altersforschung: 1971 wurde es durch Univ.-Prof. Karl Fellinger gegründet: „Er hat damals die Bedeutung der Altersforschung erkannt“, sagt Univ.-Prof. Karl Heinz Tragl (im Bild). Der langjährige ärztliche Direktor des Wiener Donauspitals (SMZ-Ost) übernahm 1992 die Gesamtleitung des Instituts. Seit 1971 konnten 458 wissenschaftliche Arbeiten in renommierten Journalen publiziert werden. Mit Jahresende wird das Institut geschlossen: „Angesichts der steigenden Lebenserwartung der Bevölkerung finde ich das sehr schade“, sagt Tragl. „Vielleicht findet sich noch ein Geldgeber, der es wieder zum Leben erweckt.“

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