Spitalsaufenthalt: Fragen bringt mehr Sicherheit

Symbolbild
60 Prozent der "unerwünschten Ereignisse" gehen auf Kommunikationsfehler zurück. Eine neue Initiative soll sie reduzieren.

Es sind zwei ganz konkrete Beispiele aus dem Krankenhausalltag: Eine ältere Patientin bekommt täglich drei bzw. vier Tabletten in ihr blaues Medikamentenschachterl. Eines Tages sind es fünf. „Sie denkt sich, das wird schon seinen Grund haben, fragt aber nicht nach und schluckt alle fünf Tabletten“, erzählt Brigitte Ettl, ärztliche Leiterin des Krankenhauses Hietzing in Wien und Obfrau der „Plattform Patientensicherheit“.

Der zweite Fall betraf ihren eigenen Schwager. „Im Vorgespräch für eine Handoperation klärte ihn der Chirurg darüber auf, dass eine Vollnarkose notwendig sein wird. Unmittelbar vor dem Eingriff sagt aber der Anästhesist, dass nur eine regionale Anästhesie der Hand durchgeführt wird. Mein Schwager dachte sich zwar ,Aha, eigentlich war etwas anderes ausgemacht‘, hat das aber trotzdem nicht angesprochen. Die Folge war, dass er dann überflüssigerweise zwei Anästhesien bekam – die regionale und eine Vollnarkose.“

Vermeidbar

Spitalsaufenthalt: Fragen bringt mehr Sicherheit

In Europa kommt es laut OECD-Studie bei acht bis zwölf Prozent der Spitalsaufenthalte zu unerwünschten Ereignissen – das kann eine Nebenwirkung einer Therapie ebenso sein wie ein tatsächlicher Behandlungsfehler. „Die Hälfte dieser unerwünschten Ereignisse ist vermeidbar.“ Und rund 60 Prozent sind auf Kommunikationsfehler zwischen Gesundheitspersonal und Patienten zurückzuführen.

Ein neues Patientenhandbuch soll jetzt dazu beitragen, die Sicherheit im Spital zu erhöhen: Es enthält eine Vielzahl von Empfehlungen und Anregungen, wie Patienten sich auf Gespräche mit Angehörigen von Gesundheitsberufen vorbereiten und einen Beitrag zur Vermeidung von Fehlern leisten können.„Es geht nicht darum, den Patienten den Schwarzen Peter zuzuschieben“, betont Ettl: „Aber der Patient sieht sehr viel.“ In einer internationalen Studie wurden 13 Fälle von Leitungsanästhesien im Bereich der Füße oder Hände analysiert, bei denen die Körperseite verwechselt wurde. „Bei der Nachanalyse hat sich gezeigt: Sieben Patienten haben gemerkt, dass die falsche Körperseite therapiert wird, sagten aber nichts, weil sie glaubten, dass das einen Grund hat.“

In einer Pilotphase wird das Handbuch ab Februar 2012 in einigen Abteilungen des Krankenhauses Hietzing, des Kaiser-Franz-Josef-Spitals und einer Privatklinik verteilt. Gleichzeitig wird auch das Personal geschult: „Es muss lernen, damit umzugehen, wenn Patienten vermehrt Fragen stellen, etwa, ob die Hände desinfiziert worden sind.“

„Das Handbuch soll es den Menschen erleichtern, sich an die ungewohnte Umgebung eines Spitals anzupassen“, betont Gesundheitsminister Alois Stöger, der das Projekt unterstützt. „Studien zeigen, dass die Patientenzufriedenheit am höchsten ist, wenn der Arzt den Patienten den Freiraum lässt, zu fragen“, sagt Ärztekammer-Präsident Walter Dorner. – Ursula Frohner, Präsidentin des Gesundheits- und Krankenpflegeverbandes: „ Nicht nur für die Vermeidung von Fehlern, auch für die Akzeptanz einer Behandlung ist es wichtig, dass Patienten und pflegende Angehörige wie Partner eingebunden werden.“

 

 

Patientenanwalt: „Ein ganz neuer Zugang“

Checklisten für Operationen, (anonyme) Meldesysteme für Fehler, Überprüfung von spitalsinternen Abläufen durch externe Experten: „In den vergangenen Jahren hat sich punkto Patientensicherheit auf Expertenebene einiges getan“, sagt Gerald Bachinger, Sprecher der Patientenanwälte. „Dass man jetzt auch die Patienten mehr einbezieht, ist ein neuer Zugang, den es in anderen Ländern bereits gibt, der aber für Österreich ganz neu ist.“

Es solle jetzt aber nicht der Eindruck entstehen, dass die Verantwortung für die Sicherheit im Spital auf den Patienten abgeschoben werde: „Darum geht es überhaupt nicht. Aber die Patienten sehen sehr viel und diese Ressource kann man gezielt nützen.“

Wichtig sei, dass das Personal Patienten, die sich aktiv einbringen, nicht als Angriff sieht, sondern als eine Ergänzung der eigenen Handlungen zur Verbesserung der Patientensicherheit. „Denn die Patienten sind das letzte Sicherheitsnetz, bevor es zu einem Schaden kommt.“

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