Was ist schuld am Spermien-Schwund?

Ein Milliliter Samenflüssigkeit enthält bis zu 150 Millionen Spermien
Der europäische Mann produziert immer weniger Samenzellen - woran das liegen könnte.

Um die Samenflüssigkeit europäischer Männer ist es nicht gut bestellt – zu dieser ernüchternden Erkenntnis kommen israelische Forscher in einer aktuellen Studie. Die Anzahl der Spermien von Männern aus westlichen Regionen geht demnach seit Jahrzehnten kontinuierlich zurück: Zwischen 1973 und 2011 sei die Anzahl pro Milliliter um insgesamt 52,4 Prozent gesunken, schreiben die Wissenschaftler der Hebrew University in Jerusalem im Fachjournal Human Reproduction Update – angesichts der Bedeutung für die männliche Fruchtbarkeit "ein dringender Weckruf für Forscher und Gesundheitsbehörden", warnt Studienleiter Hagai Levine.

Mit seinem Team wertete Levine 244 Spermienzählungen aus 185 Studien aus, die an knapp 43.000 Männern durchgeführt worden waren – jene, die zeugungsunfähig oder chronisch krank waren, wurden nicht mitgezählt. Dass die Spermienkonzentration sinkt, weiß man schon länger: Erst vor vier Jahren hatten Forscher nachgewiesen, dass die Anzahl der Samenzellen bei französischen Männern um zwei Prozent pro Jahr abnimmt. Die israelische Studie zeige nun erstmals, "dass der Trend stark und anhaltend ist", erklärt Koautorin Shanna Swan.

Univ.-Prof. Heinz Strohmer, Leiter des Kinderwunschzentrums Goldenes Kreuz, stimmen die Daten "bedenklich". Schuld am Defizit sei "sehr oft" der Lebensstil: "Stress, Rauchen, rotes Fleisch, Vitaminmangel, übermäßiger Alkoholkonsum, intensiver Sport, leistungssteigernde Mittel und Übergewicht können sich negativ auf die Fruchtbarkeit des Mannes auswirken." Allerdings gebe es immer noch Fragezeichen und Mythen, was den Spermien-Schwund betrifft – etwa, dass zu viel Östrogen im Trinkwasser mitschuld sein könnte. "Man weiß nicht genau, woran es liegt. Das ist ein Problem."

Ein wichtiger Faktor bei der Spermienproduktion ist die Temperatur im Hoden: Diese sollte etwa 35 Grad betragen. Vollbäder, Sauna oder der heiße Laptop auf dem Schoß sind daher kontraproduktiv. Rauchende Männer verschlechtern die Chance auf eine Schwangerschaft sogar um 50 Prozent. Forscher aus Südkorea konnten nun erstmals zeigen, dass auch nächtlicher Lärm die Fertilität der Männer erheblich einschränkt. "Stress, sei es beruflicher oder privater, lässt die Zeugungsfähigkeit sinken", so Strohmer.

Da in der israelischen Studie nur die Anzahl der Spermien, nicht aber ihre Beweglichkeit oder Form erhoben wurde, lassen sich keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit ziehen. "Hier wurden zwei Dinge getrennt, die zusammengehören", kritisiert Strohmer. "Wenn die Anzahl zurückgeht, sinkt wahrscheinlich auch die Qualität insgesamt."

Die Ergebnisse mögen ernüchternd sein, Grund zur Panik besteht aber nicht: Laut WHO sind 39 Millionen Samenzellen insgesamt erforderlich, wenn ein Kinderwunsch vorliegt – 2011 betrug die Spermiengesamtzahl westlicher Männer immerhin noch 137 Millionen.

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