Silicon Valley: Der Traum vom ewigen Leben

Silicon Valley: Der Traum vom ewigen Leben
Sie empfinden das Altern als Zumutung und wollen den Tod besiegen. Im Silicon Valley wird aktuell sehr viel Geld in Langlebigkeitsprojekte investiert. Doch wie realistisch ist es, dass Forscher die Biologie überlisten?

Charlie: "Eines Tages werden wir sterben, Snoopy." Snoopy: "Ja, aber alle anderen Tage werden wir leben."

Es waren wohl viele Magier, die Qin Shi Huang besuchte, und die für ihn ein spezielles Elixier zusammenstellen sollten. Der erste Kaiser Chinas hatte nämlich einen Traum und der hieß Unsterblichkeit. Wie sehr ihn dieser Wunsch dominierte, zeigt die Entdeckung neuer Dokumente aus dieser Zeit. Darin steht, dass der Herrscher als obersten Befehl ausgab, eine Substanz zu suchen, die ihm ewiges Leben bescheren würde. Er verschied allerdings im Alter von 39 Jahren.

2200 Jahre später existiert der Traum von der Langlebigkeit immer noch – und auch Unsterblichkeit ist mehr denn je Thema. Einige Zukunftsforscher prophezeien gar eine Welt, in der der Tod nur mehr eine "Option" ist und der Mensch sein Sterben bewusst steuern kann.

Das Altern heilen

Von China in die USA, ins Silicon Valley, dem Epizentrum der Langlebigkeitsfantasien. Dort wird viel Geld in Start-ups investiert, die Strategien gegen das Altern entwickeln. So gab vor Kurzem der Start-up-Inkubator Y-Combinator bekannt, dass man dort bereit wäre, eine Million Dollar in Ideen, die "das Altern heilen", zu investieren. Zentrale Leitfigur ist Ray Kurzweil, Leiter der technischen Entwicklung bei Google. Er ist davon überzeugt, dass die Menschheit auf den Moment der Singularität zusteuert. Jener Augenblick, an dem künstliche Intelligenz als dominante Kraft das menschliche Wissen überflügeln wird. Im Jahr 2045 soll es so weit sein. Es ist eine Welt, in der Gesundheit durch Technik machbar ist. In der Nanobots durch den Körper steuern, um kaputte Zellen zu reparieren oder Medikamente zielgenau einzusetzen.

200 Jahre nach Veröffentlichung des Romans "Frankenstein" von Mary Shelley diskutieren Menschen über die Ära des Trans- bzw. Posthumanismus mit Mensch-Maschinen-Wesen, Cyborgs. Deren Körperteile wie bei einem Auto ausgetauscht werden können. Ewiges Leben verheißt außerdem die Idee, das menschliche Bewusstsein als Datenpaket in eine Cloud hochzuladen. Es könnte in den Kopf eines "frischen" Cyborgs übertragen werden. Bis es so weit ist, schluckt Kurzweil laut Medienberichten täglich 90 Tabletten, die ihn fit halten sollen.

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Andere probieren es mit Fasten. Strenge Kalorienrestriktion ist im Valley ein Hype unter den "Techies". Bei der 5:2-Diät wird fünf Tage lang gegessen und zwei Tage gefastet. Verminderte Nahrungsaufnahme gilt nicht nur als Schlüssel zur Jugend (siehe Interview unten), sondern soll zu vermehrter Produktivität und Vitalität führen. Deshalb "tracken" die Fastenjünger mit technischen Hilfsmitteln ihre Körperwerte. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Dazu werden Pillen eingeschmissen, um Geist und Körper zu boosten. Mikromengen von LSD oder Nootropika – Smart Drugs, die die Gehirnleistung ankurbeln sollen – sind nur einige Beispiele. Viele Ärzte haben sich auf Lebensverlängerung und Selbstoptimierung spezialisiert.

"Beste Version von uns"

Ein Beispiel dafür ist Molly Maloof, Ärztin im Silicon Valley, über die das US-Magazin Quartz berichtete. Sie wird von Entrepreneurs konsultiert, für die Maloof einen teuren Gesundheitsplan entwickelt, der darauf abzielt, das Maximum aus dem Leben herauszuholen. Im Preis inkludiert ist eine Armada an Tests, schließlich verordnet sie einen Mix Nahrungsergänzungsmittel, um "die Gehirnfunktion zu steigern". Über den Langlebigkeitstrend im Valley sagt sie im KURIER-Interview: "Dass wir sterben werden, ist das Schicksal der Menschen. Doch der Transhumanist in mir ist davon überzeugt, dass wir gegen die Verschlechterung von Körperfunktionen kämpfen müssen. Wir sollten die beste Version von uns selbst werden."

In diese Richtung gehen auch die Ambitionen von Aubrey de Grey von der SENS Research Foundation. Er gilt als einer der wichtigsten Anti-Aging-Pioniere und ist überzeugt, dass der Mensch eines Tages um ein Vielfaches älter werden kann, indem Substanzen entwickelt werden, die alle Aspekte des Alterns abschaffen. Aus seiner Sicht handelt es sich um Reparatur- und Verjüngungsstrategien, mit denen sich jeder Mensch mittleren Alters Zeit kaufen wird. Vielversprechende Ansätze existieren heute schon – man denke etwa an die "Gen-Chirurgie" mit Hilfe der Genschere CRIPSR/Cas 9. Sie soll krankmachende DNA-Abschnitte entfernen oder aber Tierorgane so verändern, dass sie der Mensch nicht abstößt. Das inkludiert auch die Idee, Erbgut hinzuzufügen, um es zu optimieren. So könnten nicht nur größere Menschen entstehen, sondern auch fittere und langlebigere.

Alles nur vage Zukunftsvisionen? Mag sein. Dennoch glauben viele daran – und sorgen entsprechend vor. Etwa, indem sie sich bei der Alcor Life Extension Foundation oder im Cryonics Institute in den USA kryokonservieren lassen – in der Hoffnung, dass neue Technologien sie eines Tages wachküssen und gesund machen werden. Manche setzen dabei auf reine Neuro-Konservierung, nur der Kopf wird "tief"gekühlt. Wie etwa jener einer zweijährigen Thailänderin, die im Jahr 2015 an einem Gehirntumor starb. Irgendwann, in der Zukunft, könnte ihr "Wesen" zum Beispiel als Avatar wieder auferstehen.

Genschere CRISPR/Cas 9 Sie ermöglicht es, im Erbgut jedes Lebewesens, an jeder gewünschten Stelle, auf einfache Weise Veränderungen vorzunehmen, indem Genabschnitte entfernt werden. Das nennt man auch Genchirurgie. Auf diese Weise könnte man zum Beispiel krankmachende Genmutationen entfernen.

Nanobots Dahinter steckt die Vision, Roboter in Größe von etwa einem Bit im Körper des Menschen einzu- setzen, wo sie direkt vor Ort Krebs und andere Krankheiten "reparieren" sollen. Etwa, indem sie bösartige Zellen in den Selbstmord treiben. Auch medizinische Wirkstoffe könnten mit Hilfe von Nanobots direkt an den Ort des Krankheits- geschehens gebracht werden.

Kryokonservierung Mit Hilfe dieses Verfahrens lassen sich Menschen einfrieren, in der Hoffnung, eines Tages aufgetaut weiterleben zu können – wenn es ein Heilmittel gegen die ursprüngliche Krankheit gibt. Der Prozess muss zwischen ein und 15 Minuten nach Todeseintritt beginnen. Der Körper wird erst gekühlt, das Blut entfernt und durch ein Kältemittel ersetzt (Vitrifizierung). Die Langzeitlagerung erfolgt in Stickstofftanks bei Minus196 Grad Celsius.

Transhumanismus Hier geht es um die Idee einer Verbesserung des Menschen mit Hilfe von Technik – dabei könnten "Mensch-Maschine-Wesen" entstehen, s.g. Cyborgs.

Posthumanismus Dieser ist mit dem Transhumanismus verknüpft – und verfolgt die Philosophie einer Überwindung des menschlichen Stadiums. Damit verknüpft wäre auch die Idee einer Unsterblichkeit durch die Existenz in einer virtuellen Welt, in der man etwa sein Bewusstsein in eine Cloud hochlädt.

KURIER: Wie alt kann der Mensch werden?

Univ.-Prof. Beatrix Grubeck-Loebenstein: Das ist eine schwierige Frage. Die Idee, dass der Mensch immer älter wird und unsterblich, irgendwann einmal, ist nicht seriös wissenschaftlich abgesichert. Vom aktuellen Wissensstandpunkt liegt das maximale Alter nach wie vor bei etwa 120 Jahren. Dies ist das Ergebnis dessen, dass dafür nötige Regenerationsvorgänge nur eine bestimmte Zeit lang ablaufen können. Wenn es keine Regeneration mehr gibt, braucht man Reparatur. Die Reparaturmechanismen, die der Körper zu bieten hat, sind ebenfalls eingeschränkt.

Welche Ziele verfolgt die Alternsforschung?

Ihr Ziel ist es nicht, dass der Mensch immer älter wird, sondern dass möglichst viele Personen möglichst gesund alt werden, sodass man sein Leben gesund und unabhängig verbringen kann. Das ist, worauf es ankommt.

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Beatrix Grubeck-Loebenstein

Was weiß man über das Altern?

In den vergangenen zehn oder zwanzig Jahren ist da sehr viel weitergegangen. Worauf es jetzt ankommt, ist ein klares Studium dessen, wie die Funktionen des Körpers möglichst lange aufrechterhalten werden können, sodass keine Erkrankungen entstehen. Das Altern als solches – von Organen und deren kleinsten Einheiten, den Zellen – ist ein prädisponierender Faktor für die Entstehung von Erkrankungen. Je weniger der Alterungsprozess voranschreitet, desto weniger werden die Erkrankungen ausbrechen. Man hat viel durch das Studium von Modellorganismen gelernt – von kleinen Wesen wie Hefe, dem Wurm C. elegans oder Drosophila, der Fruchtfliege. Sie alle leben kurz und man kennt deren Genom im Wesentlichen. Man ging systematisch vor, jedes Gen auszutauschen, um zu schauen, wie sich das auf die Lebenserwartung auswirkt. Diese Lebewesen werden dann zwar älter, aber das alles ist ja in einem viel geringeren Rahmen. Auch, wenn so ein Wurm statt 21 Tage 40 Tage alt wird, heißt das nicht, dass ein Mensch in Zukunft 200 Jahre alt wird. Weil man einkalkulieren muss, dass die Umwelt einen starken Einfluss hat. Altern ist ein Drittel Genetik und zwei Drittel Umwelt. Durch das Untersuchen der Gene kurzlebiger Organismen haben wir trotzdem viel gelernt. So ist man etwa draufgekommen, dass die Ernährung eine ganz wesentliche Rolle spielt. Die kalorische Reduktion ist von großer Bedeutung, das sogenannte Dinner-Cancelling. Diese Reduktion und somit die Verlangsamung des Stoffwechsels wirken sich offensichtlich auf das gesunde Altern aus.

Der Alterungsprozess ist komplex.

Der Prozess setzt sich aus vielen verschiedenen Komponenten zusammen. Es ist nicht nur die Beschleunigung des Stoffwechsels, sondern es geht auch um Sauerstoffradikale. Eine alternde Zelle, eine sogenannte seneszente Zelle, hat in den Mitochondrien, in den Kraftwerken der Zellen, Schaden und produziert mehr Sauerstoffradikale. Diese werden auch durch Umweltfaktoren generiert. Man hat also alle möglichen Defekte innerhalb der Zellen. Bei einem Übermaß an Sauerstoffradikalen kommt es auch leichter zur Schädigungen der Erbsubstanz, der DNA. Die muss dann repariert werden. Aber dieses Reparaturvermögen ist auch etwas, das irgendwann nicht mehr voll vorhanden ist. Man kann eine Zeit lang reparieren, doch irgendwann werden diese Systeme ebenfalls müde.

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