Sigismund von Herberstein: Der Marco Polo Russlands

Sigismund von Herberstein
Vor 500 Jahren bereiste der österreichische Adelige Russland und klärte die Welt über das Land auf.

Der Botschafter warnte seine daheim gebliebenen Landsleute mit Nachdruck: "Die Rus unterscheide sich von anderen Völkern durch Habitus, Religion und strengsten Gehorsam." Das mittelalterliche Moskowien, auch Rus genannt, war unbekannt. Erst der österreichische Botschafter Sigismund von Herberstein, Spross einer österreichischen Adelsfamilie, erhellte das Dunkel: 30-jährig brach er vor 500 Jahren von Augsburg aus mit elf Gefährten Richtung Russland auf.

Diesen Jahrestag haben die Historiker des Ludwig Bolzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung genutzt, um eine Konferenz zu organisieren. Ab morgen tauschen sie sich in Graz mit russischen und deutschen Kollegen aus. Interessierte Laien sind ebenfalls gerne gesehen.

Frieden stiften

Die Reiseroute führte Sigismund – den Spross aus dem Krainer Zweig der weit verzweigten österreichischen Familie – im Sattel, in der Kutsche und auf Schlitten über Polen, Litauen und Nowgorod-Weliki nach Moskau. In ein Land, das sich unter Großfürst Wassili III. anschickte, eine europäische Macht zu werden. Im Auftrag von Kaiser Maximilian I. sollte Herberstein, der an der Universität Wien studiert und bereits heikle diplomatische Missionen erledigt hatte, Frieden zwischen Russen und Polen-Litauen vermitteln. Ziel: Ein Bündnis gegen die Osmanen, die 1453 das christliche Konstantinopel erobert, den Islam eingeführt, die Kirchen zerstört oder aus ihnen Moscheen gemacht hatten.

Wassili empfing Sigismund im Kreml zwar mit Pomp, machte aber keine Zugeständnisse. Herberstein kehrte heim, und kam zehn Jahre später wieder. Diplomatisch brachten beide Missionen wenig, dafür schlug das Nebenprodukt der Reisen ein: Seine Schilderungen über das bis dahin in Europa weithin unbekannte Land der "Reissen" wurden weltbekannt. Die Menschen waren begierig, aus erster Hand zu erfahren, was sich im Osten des Kontinents tat und verschlangen sein Moscovia.

Das Standardwerk

"Für Jahrhunderte war die Moscovia das Standardwerk über Russland", sagt die Historikerin Barbara Stelzl-Marx. Der Österreicher war zwar nicht der Erste, der dem Westen Russland erschloss, aber er konnte dank Altslowenisch-Kenntnissen mit den Menschen sprechen. Der Weltenbummler beschrieb beispielsweise die Stellung der Frau, wie man heiratete, das Alltagsleben, oder dass Latein und Universitäten Russen fremd waren.

Auch altrussische Etikette kommt nicht zu kurz: Im Moskowien des 16. Jahrhunderts angekommen, sei es Pflicht, den Großfürsten – so hießen die Herrscher der Rus bevor es Zaren gab – aufzusuchen. Wer ihm für eine Gabe danken möchte, muss mit der Stirn bis zum Boden. Trotzdem: Für den altrussischen Herrscher waren alle unrein, die aus dem katholischen Europa kamen, daher musste er sich nach der Begrüßung unverzüglich die Hände waschen.

Ausgewogen berichten

"Herberstein dürfte sogar in Russland berühmter sein als bei uns", sagt Stelzl-Marx. "Das liegt daran, dass seine Beschreibungen nicht überheblich, sondern sogar aus russischer Sicht ausgewogen sind. Außergewöhnlich, denn damals schrieb man, um die eigene kulturelle Überlegenheit zu untermauern. Das machte Herberstein nicht." Die Russen fühlten sich treffend beschrieben, trotz wenig schmeichelhafter Passagen.

Und so kam es, dass Sigismund ein später Retter steirischen Kulturerbes wurde: Allein der gute Ruf Herbersteins habe das gleichnamige Schloss in der Oststeiermark vor Plünderungen der Roten Armee bewahrt. 1945 lagerten dort die wichtigsten steirischen Kulturgüter wie der Streitwagen von Strettweg und der Steirische Herzogshut. Ein russischer Offizier habe, erzählt Stelzl-Marx, einen Raubzug durch das Schloss verboten, da er "den großen Herberstein" kannte.

Info

"Im Auftrag des Kaisers: Sigismund von Herberstein und seine Reisen nach Moskau vor 500 Jahren", 30. und 31. Mai, Universität Graz,Meerscheinschlössl, Anmeldung: 0316/82 25 00, www.bik.ac.at/konferenz-herberstein/

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