Hirnstimulation kann ehrlicher machen

Signalübertragung zwischen Nervenzellen: Bei Multipler Sklerose ist die Übertragung verlangsamt bzw. ganz unterbrochen.
Im Testversuch wurde das Moralgefühl der Studienteilnehmer verstärkt - allerdings gab es bestimmte Ausnahmen.

Wissenschafter der Universität Zürich haben gemeinsam mit Kollegen aus Boston und Chicago nachgewiesen, wo im Gehirn das Abwägen zwischen ehrlichem und eigennützigem Verhalten stattfindet, wie die Uni Zürich am Montag mitteilte. Laut ihrer Studie ist es möglich, ehrliches Verhalten durch gezielte Hirnstimulation zu verstärken.

Im Experiment nahmen die 145 Studienteilnehmer an einem Würfelspiel teil, bei dem sie ihren Gewinn durch falsche Angabe der Augenzahl steigern konnten. Tatsächlich sagten die Probanden häufig die Unwahrheit, viele blieben aber auch ehrlich. Acht Prozent logen jedoch ständig, um ihren Gewinn zu steigern, wie die Forscher im Fachblatt "PNAS" berichteten. "Die meisten Menschen wägen Motive des Eigeninteresses gegenüber der Ehrlichkeit von Fall zu Fall ab. Sie schummeln ab und an, aber nicht bei jeder Gelegenheit", erklärte Michel Marechal von der Universität Zürich.

Gleichstromstimulation half nicht bei notorischen Lügnern

Um nachzuweisen, welche Hirnstrukturen an dem Abwägen beteiligt sind, stimulierten die Forscher den sogenannten rechten dorsolateralen präfrontalen Kortex. Dazu benutzten sie transkranielle Gleichstromstimulation, eine nicht-invasive Methode, die Hirnzellen empfindlicher und dadurch aktiver macht.

Wenn die Forscher diese Hirnregion der Probanden stimulierten, logen diese weniger. Allerdings blieb die Stimulation bei den notorischen Lügnern ohne Effekt. "Die Stimulation verstärkte ehrliches Verhalten vorwiegend bei Personen, für die Lügen einen moralischen Konflikt darstellte", sagte Studienautor Christian Ruff. "Sie beeinflusste aber nicht diejenigen, die einzig an der Maximierung ihres Vorteils interessiert waren."

Die Hirnstimulation funktionierte nur beim Abwägen zwischen eigennützigen und moralischen Motiven, nicht aber bei Entscheidungen ohne moralische Aspekte. Ebenso zeigte sich kein Effekt, wenn es um einen Konflikt zwischen zwei moralischen Motiven ging, zum Beispiel zwischen Ehrlichkeit und der Möglichkeit, einer anderen Person zu helfen.

Ehrlichkeit eine Frage der biologischen Veranlagung?

Das Resultat sei ein wichtiger Schritt, um die Prozesse hinter ehrlichem Verhalten zu ergründen, schrieb die Uni Zürich. Die Studie werfe zudem die Frage auf, inwiefern Ehrlichkeit auf biologischer Veranlagung beruhe. "Diese Hirnprozesse könnten grundlegend sein für individuelle Unterschiede in der Ehrlichkeit - auch in Bezug auf pathologische Ausprägungen", erklärte Ruff.

Diese Theorie gilt es genauestens zu prüfen. Sollte sie sich aber bewahrheiten, hätte dies wohl Auswirkungen auf die Rechtsprechung. "Sollte Unehrlichkeit tatsächlich auf biologische Voraussetzungen zurückzuführen sein, stellt unsere Studie infrage, in welchem Ausmaß Menschen für ihr Verhalten zur Rechenschaft gezogen werden können", so Marechal.

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