Schnelle Teilchen gegen Tumorgewebe

Elektronenmikroskopische Aufnahme mehrerer Humaner Papillomviren (HPV, undatiertes Handout). Der Nobelpreis für Medizin geht in diesem Jahr unter anderem an den Heidelberger Krebsforscher Harald zur Hausen. Das teilte das Karolinska-Institut am Montag (06.10.2008) in Stockholm mit. Zur Hausen erhält eine Hälfte der Ehrung für die Entdeckung der Papillomviren, die Gebärmutterhalskrebs auslösen können. Dies hat inzwischen zu einem Impfstoff gegen diesen Tumor geführt. Zur Hausen habe sich mit seiner Idee, dass Viren den Krebs auslösen können, gegen das geltende Dogma gewandt, begründete die Nobelstiftung ihre Wahl. Gebärmutterhalskrebs ist weltweit der zweithäufigste Krebs bei Frauen. Foto: Deutsches Krebsforschungszentrum dpa/lsw (zu dpa 0340 vom 06.10.2008) +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ionenstrahlen wirken in den Krebszellen und schonen das Gewebe rundherum. Ende 2015 werden in dem Zentrum in Wiener Neustadt die ersten Patienten behandelt.

In Sekundenbruchteilen werden die elektrisch geladenen Teilchen mehrere 100.000 Umläufe absolvieren. Mit bis zu 75 Prozent der Lichtgeschwindigkeit werden sie den Teilchenbeschleuniger verlassen und den größten Teil ihrer Energie direkt im Tumor abgeben und diesen zerstören: Ab Ende 2015 sollen im „MedAustron“ in Wiener Neustadt gezielt ausgewählte Krebspatienten eine Ionentherapie erhalten. Heute, Freitag, übergibt der Generaldirektor des Schweizer Forschungszentrums CERN, Prof. Rolf-Dieter Heuer, offiziell einen zentralen Teil des Teilchenbeschleunigers – die Ionenquelle – an MedAustron. Die Anlage wurde am CERN entwickelt.

Die in der Ionenquelle produzierten und danach beschleunigten energiereichen Teilchen haben ihre höchste biologische Wirksamkeit im Tumor, betont die Strahlenmedizinerin und medizinische Leiterin von MedAustron, Univ.-Prof. Ramona Mayer. „Das Gewebe vor dem Tumor wird deutlich geschont und unmittelbar dahinter fällt die Dosis steil ab.“ Deshalb eignet sich diese Therapie besonders für Menschen mit Erkrankungen wie Augen- oder Hirntumoren, wo sich in unmittelbarer Nähe des Tumors oft strahlenempfindliche Organe wie z. B. Sehnerv oder Hirnstamm befinden.

„In der herkömmlichen Strahlentherapie kann es immer wieder dazu kommen, dass nicht die optimale Bestrahlungsdosis verwendet werden kann, weil dadurch umliegendes Gewebe geschädigt würde“, sagt Mayer. „In solchen Fällen ist die Protonentherapie eine gute Alternative.“ Auch für Kinder: „Durch ihre lange Lebenszeit ist bei ihnen das Risiko für Spätfolgen besonders groß – mit der Ionentherapie kann diese Gefahr deutlich reduziert werden.“

Ambulant

Ob ein Patient tatsächlich für diese Form der Bestrahlung geeignet ist, wird in den Spitälern im sogenannten „Tumorboard“ – dem Spezialistenteam, das den Patienten dort betreut – entschieden: „Dieses muss eine Empfehlung abgeben.“ Die Bestrahlung in Wiener Neustadt selbst ist ambulant.

Weltweit gibt es derzeit nur drei Zentren (in Japan, Deutschland, Italien), in denen zwei verschiedene Teilchenstrahlen – Protonen und Kohlenstoffionen – eingesetzt werden. MedAustron wird das vierte. „Kohlenstoffionen haben eine drei- bis fünffach höhere biologische Wirksamkeit als die herkömmliche Strahlentherapie und auch die Protonen“, so Mayer. „Das heißt, sie wirken auch dort, wo man mit diesen beiden Strahlentherapien nicht mehr weiter kommt.“ Erste Daten zeigen gute Erfolge bei schwer behandelbaren Krebsarten wie Bauchspeicheldrüsenkrebs.

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