Schlafmangel ist am Wochenende nicht nachzuholen

Schlafmangel ist am Wochenende nicht nachzuholen
Fehlender Schlaf während der Woche kann am Wochenende nicht kompensiert werden - und wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus.

Gähnen, Tagesmüdigkeit, Konzentrationsprobleme bis hin zu einem gestörten Blutzuckerspiegel. Schlafmangel wird gerne in Kauf genommen, wenn der Tag sonst einfach zu kurz scheint, um alles zu erledigen. Doch das wirkt sich negativ auf die Gesundheit aus. Und wer glaubt, er kann den Schlaf am Wochenende nachholen, irrt sich. Das zeigt eine aktuelle Studie, die im American Journal of Physiology-Endocrinology and Metabolism veröffentlicht wurde.

Dafür ahmten 30 Studienteilnehmer einen Schlafrhythmus einer schlafarmen Arbeitswoche nach und schliefen dafür am darauffolgenden Wochenende extra lange, um sich zu erholen. Während des gesamten Untersuchungszeitraums wurden immer wieder diverse Gesundheits- und Konzentrationstests durchgeführt. Das Ergebnis ist wenig überraschend: Die Teilnehmer waren in der simulierten Arbeitswoche viel erschöpfter, erholten sich aber nach dem Erholungsschlaf am Wochenende. Sie waren weniger müde - allerdings erholte sich ihre Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit nicht.

"Zwei Nächte ausgedehnter Erholungsschlaf sind nicht ausreichend, um Defizite von leichtem Schlafmangel zu kompensieren", schlussfolgern die Studienautoren. "Das ist besonders wichtig für Menschen, die in sicherheitskritischen Berufen wie im Gesundheitssystem oder im Transportwesen arbeiten." Die Autoren vermuten außerdem, dass der negative Effekt sich verstärkt, je öfter der Zyklus aus Schlafmangel und Schlafkompensation wiederholt wird.

Warum schlafen wir? Der Frage nach dem Sinn der Ruhephase gehen Forscher seit Jahrhunderten nach. Aus ihren Studien ergibt sich ein Mosaik aus Antworten - von der Auswirkung auf die Attraktivität bis hin zur Ursache von Verkehrsunfällen.

1. Schlaf fördert die grauen Zellen

Chiara Cirelli von der Universität Wisconsin hat herausgefunden: Der Mensch schläft, damit sich seine Gehirnzellen regenerieren. Im Schlaf werden Zellen produziert, die wiederum die Bildung von Myelin erhöhen. Diese Membran bildet eine isolierendeSchutzschicht um die Nervenzellen. Die Erkenntnis beeinflusst auch die Behandlung von Multipler Sklerose: Bei der Nervenkrankheit wird die Myelinschicht an Nerven in Gehirn und Rückenmark zerstört, und Schlafmangel verstärkt vermutlich die Symptome.

2. Schlafmangel macht uns unattraktiv

Für eine Studie fotografierte ein schwedisches Forscherteam ihre Probanden jeweils nach einer achtstündigen Nachtruhe und nachdem sie 31 Stunden wach gewesen waren. Eine andere Gruppe bewertete die Fotografierten nach mehreren Kriterien, etwa: Wie glücklich, fit und gesund wirken sie? Den Augen der Menschen mit Schlafmangel las die Jury die größten Sorgen ab, und blasse Haut und hängende Mundwinkel machten sie im Gegensatz zu den Langschläfern zu unattraktiven Zeitgenossen. Studienleiterin Tina Sundelin weist darauf hin, dass das Gesicht unseres Gegenübers stark beeinflusst, wie wir ihm begegnen. Müdigkeit und die Merkmale von Schwäche, die sich nach Schlafmangel abzeichnen, wirken sich mehr auf die menschliche Kommunikation aus, als viele annehmen.

3. Vollmond raubt die Ruhe

Schlafmangel ist am Wochenende nicht nachzuholen
Die Attrappe einer Krähe zur Abschreckung anderer Vögel steht am Montag (06.02.2012) auf einem Hausgiebel bei Laatzen (Region Hannover), während am Horizont der Mond aufgeht. Auch in dieser Woche hält der strenge Dauerfrost in Deutschland an. Foto: Julian Stratenschulte dpa/lni +++(c) dpa - Bildfunk+++
Ein Mythos, der sich hält – und von Schweizer Forschern belegt worden sein soll. Chronobiologen von der Uni Basel lasen aus einer Schlafstudie mit 33 Teilnehmern, dass sie in Vollmondnächten durchschnittlich fünf Minuten länger zum Einschlafen brauchten und insgesamt 20 Minuten weniger schliefen. Messungen der Hirnaktivität zufolge währte auch die Tiefschlafphase kürzer und es wurde weniger Melatonin produziert. Das Hormon steuert die Schlaf- und Wachphasen. Wissenschaftler in ganz Europa betrachten die Ergebnisse mit Skepsis, schließlich hatten frühere Studien zum Thema den Einfluss des Mondes ausgeschlossen.

4. Schlafmangel macht dick

Gesundheitsexperte Nicolai Worm erklärt in seinem gleichnamigen Buch die „Schlafmangel-Fettfalle“: Wer zu wenig schläft, wird schneller übergewichtig. Das liegt daran, dass ein Mensch am Tag nach einer unruhigen bis feuchtfröhlichen Nacht mehr Hunger verspürt. Ein Viertel mehr Hunger beziehungsweise Appetit, noch dazu meist auf Süßigkeiten oder salziges Junkfood, führen zu einer erhöhten Kalorienzufuhr. Die Energie wird aber nicht verbraucht, da der müde Körper auf Sparflamme läuft.

5. Wenn der Körper das Atmen vergisst

Es gibt zahlreiche Formen von Schlafstörungen. Die gefährlichste ist die sogenannte Obstruktive Schlafapnoe. Hinter dem Begriff verbergen sich regelmäßige Atempausen während des Schlafes. In Österreich wird die Zahl der Betroffenen auf 400.000 geschätzt, weniger als jeder Zehnte davon ist in Therapie. Bleibt die Störung unentdeckt, kann sie zu Sauerstoffmangel und in der Folge zu Herz- und Stoffwechselkrankheiten, Bluthochdruck und Depressionen führen. Besonders Patienten mit diesen Erkrankungen, bei denen Medikamente nicht anschlagen, sollten sich an einen Facharzt wenden. Betroffene bergen auch eine Gefahr für andere: Schlafapnoetiker verfallen oft in Sekundenschlaf, was im Straßenverkehr zu einem Unfallrisiko führt. Sie sind siebenmal häufiger in Unfälle verwickelt.

6. Schlafmangel beeinflusst über 700 Gene

Schlafmangel ist am Wochenende nicht nachzuholen
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Sechs Stunden reichen nicht: Wer zu wenig schläft, wird anfälliger für Entzündungen, Stress, Stoffwechselstörungen und ein schwaches Immunsystem. Das bewiesen Forscher der britischen Universität von Surrey. Für ihre Studie durften 26 Probanden zuerst sieben Nächte lang maximal sechs, dann eine Woche bis zu zehn Stunden schlafen. Blutproben nach dem Schlafentzug zeigten, dass 444 Gene herunter- und 267 hochreguliert waren. Es war die erste Untersuchung zur Gesamtmenge der Gene, die von Schlaf beeinflusst werden.

7. Das Herz dankt für sieben Stunden Schlaf

Sieben oder mehr Stunden Schlaf pro Nacht verbessern die Vorteile eines gesunden Lebensstils für das Herz deutlich. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des National Institute for Public Health and Environment und der Uni Wageningen, Niederlande. Ausreichend Bewegung,eine gesunde Ernährungsweise, wenig Alkohol und nicht Rauchen senken das Risiko für Herzgefäßkrankheiten um 57 Prozent. Kam auch noch ausreichend Schlaf hinzu, sank das Risiko aber noch deutlicher (65 %). Auch die Zahl der Todesfälle ging stärker zurück.

8. Jugendliche und der soziale Jetlag

Der „soziale Jetlag“ bei Jugendlichen scheint zuzunehmen, sagt der Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Reinhold Kerbl. Sozialer Jetlag entsteht, wenn Nachtmenschen gezwungen werden, zu früh am Morgen Leistung zu erbringen. Daraus resultieren Müdigkeit bis hin zu Depressionen, im Ernstfall auch psychische Störungen und Übergewicht. „Jugendliche haben ein erhöhtes Risiko für den sozialen Jetlag, weil sich innerhalb weniger Jahre der Zeitpunkt der Schlafmitte stark nach hinten verschiebt“, so Kerbl. Nächtlicher Gebrauch von Mobiltelefonen und Computern, TV im eigenen Zimmer, Partys am Wochenende verstärken das Problem. Das Vorverlegen der Bettgehzeiten bringe nur wenig, meint Kerbl und regt an, über einen späteren Schul- bzw. Arbeitsbeginn nachzudenken.

9. Aktive Tage für bessere Nachtruhe

Bewegung hilft gegen Wechsel-Beschwerden. Eine amerikanische Studie hat belegt: Wer sich täglich bewegt, hat Hitzewallungen, nächtliche Schweißausbrüche und Schlafstörungen besser unter Kontrolle. Die Teilnehmerinnen im Alter von 54 bis 63 Jahren mussten ein Schlaf-Tagebuch führen und Schlaf-Monitore tragen. In Fragebögen notierten sie ihre körperliche Aktivität, einschließlich Hausarbeit, pflegerische Aufgaben und Sport. Frauen, die sich intensiver bewegten, berichteten über besseren Schlaf und weniger nächtliches Erwachen.

10. Schlafentzug hilft bei Herbstdepression

Die Tage werden bereits im September merklich kürzer, und mit dem Herbst steht vielen Menschen eine antriebslose Zeit bevor. Die Herbstdepression gilt als Volkskrankheit und bedeutet eine wetterbedingte Niedergeschlagenheit, die bis zum Frühling anhält. Leipziger Forscher lieferten 2011 einen überraschenden Therapieansatz: Neben dem herkömmlichen Rat zu mehr Bewegung und Licht, frischer Luft und gesunder Ernährung empfehlen sie Schlafentzug. Für die Studie im Schlaflabor gewährten sie Depressionspatienten nur wenige Stunden Schlaf und hinderten sie daran, tagsüber ein Nickerchen zu halten. Ihr Zustand besserte sich.

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