Studie: Nichtraucherschutz in Lokalen funktioniert kaum
Wer sich vor überhöhten Konzentrationen an Feinststaub schützen möchte, sollte nicht nur Raucherlokale, sondern auch Nichtraucherbereiche von Mischlokalen meiden. Das lässt sich zumindest aus einer Studie schließen, die in Wien durchgeführt wurde. Die Studienautoren fragten sich, wie gut die Vorgaben des geltenden Tabakgesetzes eingehalten werden.
Die Studie könnte auch die aktuelle Rauchverbot-Debatte, in der die Bundesregierung unter Druck steht, befeuern. Das "Don’t smoke"-Volksbegehren haben innerhalb weniger Tage schon mehr als 400.000 Österreicher unterschrieben. Zuletzt hatten ÖVP und FPÖ dennoch angekündigt, das für Mai 2018 angekündigte Rauchverbot im Eilverfahren zu kippen.
Offenbar plant die Regierung trotz Widerstandes aus der Bevölkerung sogar eine unbefristete Verlängerung der geltenden Regelung. Diese funktioniert aber, wie die aktuelle Studie zeigt, in der Praxis sehr schlecht. Im Parlament will die SPÖ darum etwa eine Dringliche Anfrage an Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bezüglich der Verlängerung einbringen.
Mehr als 90 Prozent verstießen gegen Tabakgesetz
Die Studie stellt jener Regelung, die vor der Verlängerung steht, ein schlechtes Zeugnis aus: In 27 von 28 Lokalen mit Raucher- und Nichtraucherbereich, alle im Wiener Bezirk Rudolfsheim-Fünfhaus, wurden Verstöße festgestellt. Es ging bei der Untersuchung um die Trennung und Kennzeichnung der Bereiche sowie – als Auswirkung – um den Schutz vor schädlichen Rauchinhaltsstoffen, wie Studienautor Peter Tappler und der Umweltmediziner Hans Peter Hutter, Sprecher der "ÄrztInnen für eine gesunde Umwelt", am Dienstag bei einer Pressekonferenz erklärten.
Raumluftproben stichprobenartig gemessen
Bei stichprobenartigen Raumluftmessungen wurde die Konzentration von Nanopartikeln erfasst, die wegen ihrer geringen Größe bis in die Lungenbläschen vordringen und damit enorm schädlich sein können. Hier wurden in den Nichtraucherbereichen Überschreitungen bis zum Zehnfachen des Werts vor dem Lokal gemessen. Der Spitzenwert lag bei 110.000 Feinststaub-Teilchen pro Kubikzentimeter.
In einem reinen Nichtraucherlokal finden sich nach Angaben der Fachleute meist unter 5.000 Partikel. Durchschnittlich wurden in den Raucherbereichen etwa 100.000 Teilchen gemessen, in angrenzenden Nichtraucherbereichen 40.000. Im Außenbereich betrug der Durchschnittswert ungefähr 10.000.
Trennungstüren standen offen
In 26 der 28 Lokale waren Türen zur Trennung von Raucher- und Nichtraucherbereich offen oder nicht vorhanden. Außerdem wird in der Studie bemängelt, dass 21 Betriebe keine oder keine korrekte Kennzeichnung an den Eingängen oder im Lokalinneren aufwiesen. Stichprobenartige Kontrollen durch die Behörde würden in Wien erst seit Jänner durchgeführt, sagte Umweltanalytiker Tappler, in anderen Bundesländern seines Wissens gar nicht.
Studienautor: Zeitpunkt Zufall
"Es ist keine politische Studie", betonte Tappler, zumal sie bereits im November konzipiert worden sei, noch ehe die ÖVP-FPÖ-Koalition sich auf das Kippen des beschlossenen Rauchverbots in der Gastronomie einigte. Das Gesetz hätte am 1. Mai in Kraft treten sollen. Geplant war eigentlich eine Vorher-Nachher-Studie, sagte Tappler.
Bereits vor einigen Jahren wurde eine ähnliche Studie in Lokalen im siebenten Wiener Gemeindebezirk durchgeführt - mit ähnlichen Ergebnissen. Diesmal wollte man bewusst außerhalb des Gürtels messen. Eine ursprünglich geplante dritte Untersuchung, die eine Vorher-Nachher-Studie geworden wäre, wird man nun wohl nicht mehr durchführen können, weil die Regierung das Rauchverbot kippen wird.
Für Mediziner Hutter ist die Untersuchung eine Grundlage für Entscheidungsträger. Er merkte bei der Pressekonferenz in Richtung Politik an: "Wir beobachten leider: Egal, wie groß die Evidenz ist, sie wird schlichtweg nicht in Entscheidungsprozesse einbezogen. Warum das so ist, entzieht sich unserer Kenntnis.“
ÖVP und FPÖ werden ihren Initiativantrag zur Aushebelung des generellen Rauchverbots in der Gastronomie am Mittwoch fertig haben und im Nationalrat einbringen. Bereits am Montag war durchgesickert, dass die Regierungsparteien diese Woche mit der Verlängerung des Rauchens in Lokalen Ernst machen. In der Sitzung am Donnerstag soll der initiativantrag auch noch mit einer Fristsetzung versehen werden, um eine Beschlussfassung in der Plenarwoche vom 21. und 22. März sicherzustellen.
Dies bedeutet, dass das Gesetz ohne Begutachtungsfrist im Nationalrat beschlossen werden soll. Dazwischen muss die Novelle im Gesundheitsausschuss des Nationalrats behandelt werden. Angesetzt ist dieser für den 6. März.
Der Wiener Gastwirt Heinz Pollischansky hat vor rund drei Jahren eine Unterschriftenaktion für Raucherzonen gestartet. Die private Initiative soll laut dem Organisator von bis zu 500.000 Personen unterstützt worden sein, laut Standard aber im Keller der Wiener ÖVP verschollen sein.
Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hatte zuletzt wiederholt auf ebendiese Pro-Rauchen-Unterschriften verwiesen. Deren Verbleib wirft jedoch Rätsel auf.
Es gibt einen Hinweis, wo die Unterschriften zumindest vorübergehend gelandet sein dürften: Der ehemalige Wiener ÖVP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch soll sie in Empfang genommen haben - weil die Bundesregierung dies verweigerte. Wie Hoch im Standard ausführte, hat er den "Riesenberg an Zetteln" in den Keller der ÖVP geräumt.
Pollischansky: Mindestens 480.000 Unterzeichner
Dort hat die Partei inzwischen aber nachgeschaut. Ergebnis: "Wir haben sie nicht", betonte ein Sprecher der Partei am Dienstag. Allerdings ist die Wiener ÖVP inzwischen umgezogen. Nachgezählt wurden die Unterschriften jedenfalls nicht, wie Hoch - der seit 2015 auch nicht mehr Landesgeschäftsführer ist - berichtete.
"Wir haben bei 480.000 aufgehört zu zählen, da waren noch Zettel übrig", erinnerte sich Pollischansky nun. Er habe "viele Kartons" mit Bergen von Unterschriften zusammengetragen. Diese seien der Wiener ÖVP nur "geborgt" worden und er hätte sie jetzt gerne zurück, erläuterte der Gastronom.
Hartinger-Klein: Kein Kommentar
Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wollte zum geplanten Kippen des Rauchverbots durch Türkis-Blau am Dienstag nichts sagen. Am Rande einer Pressekonferenz sagte sie auf Anfrage nur, sie habe bereits erklärt, als Gesundheitsministerin keine Freude damit zu haben.
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