Ragweed-Belastung heuer stark

Der Mensch hustet in die Hände und er hält sich beim Niesen die Hände vor – mit dem Effekt, dass bei einem einzigen Nieser enorme Virenmengen in der Hand landen und auf diese Weise dann weitergegeben werden.  
Experten erwarten eine verlängerte Saison bis Oktober und mehr Betroffene.

Atembeschwerden, die bis zu Asthma-Anfällen reichen können, brennende Augen, juckende Nase – wer derzeit über solche Symptome klagt, sollte sie nicht auf die leichte Schulter nehmen. Besonders, wenn Pollenallergien für die Betroffenen den Rest des Jahres kein Thema sind, sollte eine allergische Reaktion auf das höchst aggressive Ragweed (auch Ambrosia oder Traubenkraut) in Erwägung gezogen werden.

Die Zahl der Betroffenen steigen seit Jahren. Rund 30 Prozent aller Inhalationsallergiker (Pollen, Tierhaare, Hausstaubmilben) leiden darunter. Wenn man bedenkt, dass bis zu 25 Prozent der Bevölkerung Allergiker sind, keine unbeträchtliche Zahl.

Stärkstes Allergen

Ragweed gilt für Allergieexperten als das stärkste Pollen-Allergen überhaupt. Nur 15 Pollen reichen, um Beschwerden auszulösen, bei Gräsern sind es 30 bis 50 Pollen. Seit 1991 steigen die Pollenkonzentrationen des aus Amerika und später von Südosteuropa eingeschleppten Krauts vor allem in Ostösterreich. Durch den diesjährigen warmen, trockenen Sommer mit seinem feuchten Start rechnen Experten mit einer überdurchschnittlich starken Belastung.

Uwe Berger, Leiter der Abteilung Aerobiologie und Polleninformation an der MedUni Wien, orientiert sich für die Prognosen an den Regenmengen im Frühsommer. "In Niederösterreich und Wien waren sie höher als im Durchschnitt, dadurch war auch das Pflanzenwachstum stärker." Das heißt: Ohne Eindämmungsmaßnahmen wie etwa der rechtzeitigen Mahd vor der Blüte (siehe unten) sind mehr Pollen in der Luft. Dazu kommt, dass genau dieses feucht-warme Klima auch die weitere Ausbreitung der sehr widerstandsfähigen Pflanze begünstigt, betonen die Meteorologen des Wetterdienstes Ubimet.

Ragweed-Allergiker beschäftigen auch Allergologen immer mehr. Beatrix Tichatschek, stellvertretende Leiterin des Allergieambulatoriums Wien-West: "Bei schönem Wetter werden die Allergiezentren gestürmt." Sie bemerkt seit Jahren eine Zunahme spätsommerlicher Atembeschwerden. Grund dafür ist die Kleinheit der Ragweed-Pollen, die bis in die kleinen Verästelungen der Bronchien gelangen. "Die Patienten leiden sehr, manchmal lösen die Beklemmungen in den Bronchien sogar Angstzustände aus."

Therapie

Die Behandlung ähnelt jener anderer Pollenallergien. "Die einzige kausale Therapie, die an der Wurzel ansetzt, ist eine systemische Immuntherapie." Bei dieser sogenannten SIT wird das Immunsystem mittels Spritzen oder Tropfen mit dem Allergen in Kontakt gebracht und so trainiert, dass es während der Saison nicht mehr überreagiert. Die Ärztin plädiert für frühe Diagnostik und einen baldigen Therapiestart. "Wir setzen SIT bereits ab dem zweiten und dritten Jahr nach erstmaligem Auftreten der Beschwerden ein."

Tichatschek warnt vor zu hohen Erwartungen. "Wir können nur die Toleranz des Immunsystems hinaufsetzen. Eine völlige Heilung ist aber nicht möglich. Auch diese Patienten brauchen manchmal entzündungshemmende Nasen- oder Augensprays. Durch das Training können die Beschwerden allerdings stark reduziert werden." Und das, betont die Allergologin, sei bei hohem Leidensdruck durch beklemmende Atemnot schon viel.

Ragweed-Belastung heuer stark

Entlang von Bahntrassen und Straßen breitet sich die widerstandsfähige Ragweed-Pflanze besonders gern aus. Im Sog des Verkehrs werden die Samen weitergetragen, Ragweed schafft so eine Ausbreitungsgeschwindigkeit von ein bis zwei Kilometer pro Jahr. Pollen können über Hunderte Kilometer verfrachtet werden.

Dieses Problem beschäftigt Uwe Berger vom Pollenwarndienst, der die Ragweed-Ausbreitung in Ostösterreich seit Jahren beobachtet. Neben der jeweiligen regionalen Belastung gibt es nämlich vor allem in Ostösterreich zahlreiche importierte Ragweed-Pollen. „Wenn der Wind stimmt, können sie sogar tausend Kilometer weit getragen werden.“ In Ungarn ist Ragweed zur Plage geworden, die hohe Kosten für die Bekämpfung verursacht.

Anhand des Zeitpunkts der täglichen Belastungsspitzen kann Berger die Herkunft eruieren: Ist die höchste Belastung etwa zu Mittag, handelt es sich um eine regionale Belastung. Denn die importierten Allergene erreichen ihre Hauptbelastungszeit erst um Mitternacht.

Zur Bekämpfung schulen Berger und sein Team unter anderem die Straßenmeistereien in Niederösterreich und dem Burgenland. Denn bei der Ausrottung von Ragweed kommt es darauf an, die Pflanzenbestände zum richtigen Zeitpunkt – noch vor der Blüte – zu mähen. Die Pflanzen müssen auch im privaten Bereich verbrannt werden. Am Komposthaufen züchtet man sich sonst die nächste Population heran.

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