17 Millionen historische Zeitungsseiten digitalisiert

Historische Zeitungen geben Einblicke in das Alltagsgeschehen des jeweiligen Tages.
Seit 2003 digitalisiert die Nationalbibliothek ihre Zeitungen. Die digitale Bibliothek ist ein Renner bei den Nutzern.

Die ältesten Exemplare haben noch nicht viel mit unserer Vorstellung von Zeitung zu tun: Handgeschriebene Seiten aus dem 16. Jahrhundert, mit denen sich die Kaufleute der Fugger-Dynastie Infos aus jenen Städten holten, in denen sie Handel getrieben haben. Und das waren viele: Venedig, Genua, Mailand, Turin, Rom, Antwerpen, Prag, Lyon, Köln, Istanbul und Wien. Alle Themen, die sich auch in heutigen Zeitungen finden, sind in den Fugger-Zeitungen vertreten: Politik, Feierlichkeiten, Religion und Konfession, Kriminalfälle und Wirtschaft.

Für jedermann zugänglich

17 Millionen historische Zeitungsseiten digitalisiert
ÖNB/anno
Dass sich jeder davon überzeugen kann, ist dem Projekt Anno (Austrian Newspapers Online) der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) zu danken. Denn 1656 kam die Fugger’sche Bibliothek in den Besitz der kaiserlichen Hofbibliothek und wurden von Augsburg nach Wien übersiedelt. Mittlerweile ist sie digitalisiert und kann online gelesen werden. Wie mehr als 17,2 Millionen andere Zeitungsseiten. "Zu den Nutzern gehören Genealogen, die an Sterbe- und Tauflisten interessiert sind, Musikjournalisten, die Konzert-, Opern- und Theaterberichte zu Uraufführungen suchen", sagt Christa Müller, Projektverantwortliche in der ÖNB. "Werbung, Frauen- und Fortsetzungsromane werden von Genderforschern als Quelle herangezogen. Kostümbildner sind an Modezeitschriften interessiert, Sporthistoriker suchen Berichte zu Großereignissen." Sportzeitungen und Titel in Esperanto seien auch die Renner bei den Aufrufen.

Spartenzeitungen für verschiedene politische Ansichten

17 Millionen historische Zeitungsseiten digitalisiert
ÖNB/anno
Vor allem in der Zwischenkriegszeit, als viele politische Gesinnungen miteinander konkurrierten, spiegeln Sparten-Zeitungen das Weltbild ihrer Leser wider. Diese Spartenzeitungen gab es für alle möglichen Berufsstände, Religionen und politischen Ansichten. Damit konnte sich der Leser in Sicherheit wiegen: Es sind viele, die meine Überzeugung teilen – ein früher Rückzug in geschlossene Meinungsräume, wie wir es heute aus den Sozialen Medien kennen.

Zeitungen zeigen Gedankenwelt der Zeit

Jedes Regime versuchte also, seine Gedankenwelt an den Leser zu bringen. Daher findet es Müller "besonders spannend, einen beliebigen Tag im Kalender auszuwählen und in Zeitungen unterschiedlicher politischer und weltanschaulicher Ausrichtung zu lesen, um zu erfahren, welche Themen Journalisten gewählt und wie sie darüber berichtet haben." Der Tag mit den meisten Zeitungsausgaben ist übrigens der 15. Juli 1916 mit 73 gescannten Zeitungen. An mehr als 800 Tagen gibt es 50 oder mehr Zeitungen, berichtet Müller: "Man kann also breite Vergleiche anstellen."

Kleinanzeigen

Besonders ergiebig sind auch die Kleinanzeigen, erfährt man da doch viel über den Alltag anno dazumal. So wurde schon mal ein ganzer Hausrat angeboten: "Messingbett, 2 Kästen, Garderobe, Diverses billigst abzugeben". Solche Anzeigen finden sich vor allem nach 1938, und man ahnt den traurigen Hintergrund dieser Notverkäufe – auch, wenn statt des jüdischen Namens nur eine Chiffre angegeben ist.

Für alle, die jetzt Lust bekommen haben, die Zeitungen von ihrem Geburtstag suchen: Bis zum 31.12.1946 steht alles online. Müller: "Und ein Ende ist noch nicht in Sicht."

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