Oberhauser: "Mehr Zeit für Patienten"

Oberhauser: "Mehr Zeit für Patienten"
Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser will niedergelassene Ärzte entlasten und Lücken schließen.

KURIER: Selbst im Akutfall eines Bandscheibenvorfalls wartet man wochenlang auf eine Magnetresonanztomografie (MRT). Verschärft sich aus Spargründen die Zweiklassenmedizin?

Sabine Oberhauser: Nicht aus Spargründen, sondern zum Teil aus Managementfehlern. Bei einem Bandscheibenvorfall muss der zuweisende Arzt differenzieren: Wenn der Patient Lähmungserscheinungen hat, braucht er rasch eine OP. Es gibt aber auch Situationen, wo man warten kann, hier muss der Arzt den Patienten informieren. Wir haben zum Teil auch ökonomische Interessen bei den Instituten, daher wird mitunter auch verknappt.

Ist es nicht eher die Krankenkasse, die limitiert? International nehmen Kernspintomografien um acht Prozent zu. Doch die Krankenkasse bezahlt nur eine Erhöhung von 0,5 Prozent.

Die Verträge werden von der Sozialversicherung und den Anbietern unterschiedlich ausgelegt. Hier gibt es Gespräche auf allen Ebenen, auch mit uns.

In Wien scheint es besonders schlimm zu sein.

Es gibt vermehrt Schwierigkeiten im Osten, weniger im Westen.

Könnte also ein Patient für eine Untersuchung in ein anderes Bundesland fahren?

Rein theoretisch, aber das ist kein befriedigender Zugang. Die Zahl der MR-Untersuchungen wird steigen. Aber man muss sich auch anschauen, ob jede MR-Untersuchung nötig ist. Ein alter Kreuzbandriss kann noch warten.

Es gibt kaum Schmerztherapie auf Krankenschein, Schmerzambulanzen werden zunehmend gesperrt. Muss da nicht auch etwas geschehen?

Aufgrund der Arbeitszeitreduktion in den Spitälern wird manches zurückgefahren. Schmerztherapie muss man interdisziplinär abhandeln – das kann auch in Stationen oder beim niedergelassenen Arzt stattfinden.

Schilddrüsenärzte auf Krankenschein gibt’s in Wien so gut wie keine – und zu wenig Spezialambulanzen, obwohl die Zahl der Krankheitsfälle steigt.

Die Wiener Gebietskrankenkasse hat mir zugesagt, hier Abhilfe zu schaffen.

Auf Ergo- oder Logotherapie für Kinder wartet man ein Jahr. Es gibt 26 Kinderpsychiater, man bräuchte 100.

Kinderpsychiatrie war eines der ersten Dinge, die ich neu im Amt als Mangelfach erklärt habe, um die Ausbildungskapazität zu steigern. Da sind wir dran. Wir haben insgesamt bei der Psychiatrie auf Krankenschein Engpässe, aber viele Wahlärzte.

Wahlarzt heißt: 100 Euro bezahlen und 20 Euro von der Kasse rückerstattet bekommen.

Ich kann keinen Arzt in einen Vertrag zwingen. Immer mehr Ärzte weichen in die Privatmedizin aus. Ich will mit den Sozialversicherungen nach Gründen suchen. Wir müssen das Kassensystem so gestalten, dass es mehr Zeit für die Patienten gibt. Die Chance gibt’s – auch wenn die Ärztekammer das nicht hören will – mit der neuen Primärversorgung. Dort kann eine diplomierte Krankenschwester oder eine Sozialarbeiterin Aufgaben übernehmen und sich Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit einem Team ganzheitlicher um Patienten kümmern. Dazu gehört auch ein anderes Honorierungssystem mit einer gescheiten Fallpauschale pro Patienten.

Die Ärzte kritisieren an diesen Zentren, die noch verhandelt werden, dass sie teurer wären als das Hausarztmodell, weil es mehr Personal braucht, das es am Markt gar nicht gibt.

Wir wissen, dass es abseits der Kammerfunktionäre Interesse von Medizinern gibt, die nicht allein in einer Ordination sitzen wollen und auch nicht mehr wie die Verrückten Patienten durchschleusen wollen, um auf ihr Geld zu kommen.

Zeit für Patienten kostet mehr Geld. Gibt’s das?

Das Geld wird sich nicht wundersam vermehren, und so schlecht ist das Gesundheitswesen nicht finanziert. Vielleicht erlauben die Zentren und Netzwerke eine Reduzierung im Spitalsbereich.

Soll man Sozialversicherungen zusammenlegen?

Für mich wichtiger ist: gleicher Beitrag, gleiche Leistung. In Deutschland haben sich Großkrankenkassen nicht wirklich gerechnet.

Jeder dritte Österreicher hat eine Zusatzversicherung. Das Gesundheitswesen wird zu einem Viertel von Privatleistungen finanziert. Darf man denn da über Privatmedizin schimpfen?Mein Ansatz ist: Entweder ich verbiete eine Zusatzversicherung. Dann würde man sich per Kuvert eine bessere Leistung erkaufen. Zusatzversicherung ist der saubere Teil des Systems, man muss nur aufpassen, dass es nicht überbordend wird.

Viele Patienten haben das Gefühl, dass der Druck aufs Spitalswesen durch die steigende Migrantenzahl enorm ist.

Die meisten eMails, die wir bekommen, enden so: "Ich bin nicht ausländerfeindlich, aber ..." Ich glaube, dass viele Menschen gar nicht mit Flüchtlingen konfrontiert sind, auch nicht im Spital. Es sind Migranten, die das Spitalssystem vermehrt frequentieren – weil es in ihrer Heimat Polikliniken gab. Da muss man besser informieren. Aber dass die Ausländer alles und die Inländer nichts mehr kriegen, ist absoluter Blödsinn. Flüchtlinge kommen natürlich geballter, auch um Dolmetschkosten einzusparen.

Hat sich Ihr Blick aufs Gesundheitswesen durch Ihre eigene schwere Erkrankung geändert?

Man kommt drauf, wie wichtig das Zwischenmenschliche ist. Und ich habe gesehen, wie stark der Druck auf die im Spital Tätigen ist.

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