Neun Minuten für Quentins Leben

Neun Minuten für Quentins Leben
Nach einem Bade-unfall brachten die Eltern das Herz ihres Sohnes wieder zum Schlagen. Ihr Wissen geben sie weiter.

Der Rhythmus des Radetzkymarsches. Und: Fest drücken, schnell drücken, nicht aufhören zu drücken. Es kann nichts kaputtgehen. Ich kann nichts falsch machen‘ – An diese prägnanten Worte eines Arztes vor Jahren bei einem Vortrag musste ich sofort denken. Das hat Quentin das Leben gerettet“, sagt Astrid Wolfram, 33.

4. September 2011, ein heißer Sonntag: Astrid und Michael Wolfram, 40, aus Wien fahren mit ihrem eineinhalbjährigen Sohn Quentin zu Freunden nach Bad Fischau, NÖ. Quentin sitzt mit Schwimmscheiben in der Sandkiste im Garten. Doch in einem unbeobachteten Moment fällt er in das Schwimmbecken: „Als ihn mein Schwager herausgezogen hat, war er ohne Lebenszeichen, ohne Herzschlag und Atmung, ganz blau.“

Radetzkymarsch. Astrid Wolfram summt die Melodie und drückt kräftig auf die Mitte des Brustkorbes. Durch das Summen ist sie automatisch im richtigen Rhythmus von rund 100 Herzmassagen pro Minute: „Ich habe fest zugepackt – mir war egal, ob eine Rippe bricht. Ich hatte eher die Sorge, dass ich zu leicht drücke.“ Nach jeweils rund 30 Mal drücken übernimmt ihr Mann und beatmet.

Kerngesund

Neun Minuten lang wechseln einander die Eltern ab – dann trifft der Rettungshubschrauber ein: „Zu diesem Zeitpunkt spürten wir wieder Puls und Atmung und auch Quentins Gesichtsfarbe war bereits etwas rosiger.“ Eine Woche war er im SMZ-Ost im künstlichen Tiefschlaf, nach zwei Wochen konnte er wieder gehen, nach drei Wochen durfte er nach Hause: „Er ist kerngesund und ganz der alte. Wir sind überglücklich, dass er so lebhaft ist.“

Astrid und Michael Wolfram sehen es „als unsere Aufgabe, aktiv das Wissen weiterzugeben, dass jeder Mensch Hand anlegen muss und kann. Wir wollen vermitteln, dass das sehr einfach ist. Deshalb unser Appell: ,Traut euch‘.“ Gemeinsam mit Univ.-Prof. Fritz Sterz – Uniklinik für Notfallmedizin am AKH in Wien – und Univ.-Prof. Wolfgang Schreiber, Chefarzt des Roten Kreuzes, organisierten sie Mittwochabend in der Ottakringer Brauerei ein Reanimationstraining für mehr als 150 Menschen.

Zahlreiche Ärzte, Krankenpfleger und Sanitäter halfen ehrenamtlich mit – darunter auch Notfallmediziner Christof Havel: Er war es, der vor einigen Jahren im Rahmen einer Kulturveranstaltung über richtige Reanimation gesprochen hatte – eine der Teilnehmerinnen war Astrid Wolfram: „Zum Glück sind die wichtigsten Botschaften bei mir hängen geblieben.“

Das Ehepaar Wolfram will aber auch politisch etwas bewegen: „Es muss im Lehrplan fix verankert werden, dass jedes Jahr neben dem Feuer- auch der Herzalarm geübt werden muss“ – wofür sich seit Jahren auch die Initiative „Leben Retten“ von Prof. Sterz einsetzt. Michael Wolfram: „Alles, was man tut, ist richtig. Das Nichtstun ist das Falschmachen.“

Initiative „Leben retten“ - „Kinder haben keine Scheu“

Donnerstagnachmittag am TGM (höhere technische Schule) in Wien-Brigittenau: Ein 20-Jähriger bricht im Sportunterricht zusammen: Herzstillstand. Turnprofessoren starten sofort die Reanimation – mit Erfolg. „Jede Minute ohne Wiederbelebungsmaßnahmen senkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um rund zehn Prozent“, sagt Univ.-Prof. Fritz Sterz von der Uni-Klinik für Notfallmedizin der MedUni Wien und Initiator des Projektes „Leben retten“: Studenten der MedUni vermitteln Volksschülern Grundbegriffe der Reanimation: „Kinder haben keine Scheu, die tun einfach und stehen nicht wie Erwachsene ängstlich herum.“ Durch Wiederbelebung und frühen Einsatz eines Defis kann die Überlebenswahrscheinlichkeit bei plötzlichem Herzstillstand von 5 auf über 70 Prozent gesteigert werden: „Deshalb sollte das neun Schuljahre lang zwei Mal jährlich geübt werden.“

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