Neue Prothesen mit feinem Tastsinn

Neue Prothesen mit feinem Tastsinn
Forscher verbesserten Schnittstelle zwischen künstlichem Arm und vorhandenen Nerven.

Fingerspitzengefühl in der Handprothese? Zwei Forscherteams ist es gelungen, neuartige Verschaltungen zwischen künstlicher Gliedmaße und vorhandenen Nerven im amputierten Arm herzustellen. Die Wissenschaftler konnten auf unterschiedliche Weisen das Gespür für Gegenstände derart verbessern, dass die Patienten sogar Weintrauben und Kirschen abzupfen konnten, ohne die Früchte dabei zu zerquetschen. Die Ergebnisse beider Studien sind im Journal „Science Translational Medicine“ beschrieben.

Amerikanische Manschetten

Das amerikanische Team um Daniel Tan und Matthew Schiefer von der Case Western Reserve Universität in Cleveland nutzte eine elektronische Manschette, mit der sogenannte Neuroprothesen an das Nervensystem des Trägers angeschlossen wurden. Drei solcher Manschetten im Arm reichten aus, um einem Patienten Gefühle von 19 verschiedenen Stellen seiner künstlichen Hand zu übermitteln.

Ein Patient konnte im Experiment damit etwa unterscheiden, ob er einen Wattebausch oder Sandpapier berührt. Außerdem verbesserte sich die Feinmotorik. So ließ sich mit der Prothese eine Weintraube von einer Rispe abpflücken, ohne sie zu zerquetschen. Es gelang damit auch, eine Kirsche unbeschädigt von ihrem Stiel abzuzupfen.

Das Team entwickelte für die Prothese Algorithmen, die die Berührungsinformation von den Sensoren der Prothese in vielfältige elektronische Signale umwandeln. Die Signale werden an die Nerven weitergeleitet und rufen verschiedene Empfindungen hervor. Anders als bei einigen älteren Prothesen blieb die hohe Empfindsamkeit zudem langfristig erhalten.

Die Nutzer der neuen Prothesen berichteten außerdem von verringertem Phantomschmerz im fehlenden Arm und von einem deutlichen Gefühl der Verbundenheit mit den künstlichen Gliedmaßen. Sie gaben an, erstmals seit dem Unfall „ihre“ Hand zu spüren.

Schwedische Knochenarbeit

Die Gruppe schwedischer Forscher um Max Ortiz Catalan von der Universität Göteborg verfolgt einen anderen Ansatz: Sie entwickelte eine Armprothese, die im Knochen des Oberarms verankert ist und im Inneren des Arms direkt an Muskeln und Nerven anschließt. Diese enge Verbindung zwischen Körper und Prothese ermöglicht dem Patienten eine größere Beweglichkeit, eine einfachere Handhabung des künstlichen Arms und eine erhöhte Empfindsamkeit.

Probanden

Die Prothese von Tan und seinen Kollegen wurde an zwei, die vom schwedischen Team an einem Patienten erprobt. Dabei trugen die Patienten die Prothese bis zum Einreichen der Studie bereits bis zu zwei Jahre lang. Und immer noch lieferten die künstlichen Gliedmaßen gute sensorische Rückmeldungen ans Hirn des Trägers. „Eine verlässliche Kommunikation zwischen der Prothese und dem Körper war das fehlende Glied zu einer klinischen Anwendung von neuronaler Steuerung und sensorischer Rückmeldung, und die gibt es nun“, sagte Ortiz Catalan.

In einem begleitenden Kommentar erläutern Dario Farina von der Universität Göttingen und Oskar Aszmann von der Medizinischen Universität Wien die Bedeutung der neuen Ergebnisse. Bislang gebe es keine marktgängigen Prothesen, die Empfindungen befriedigend wiedergeben. Die vorliegenden Studien - zu insgesamt erst drei Patienten - liefern demnach die ersten langfristigen Erfolge und wecken damit Hoffnungen auf dauerhaft tragbare Neuroprothesen. Dennoch bedürfe es weiterer Studien, um den tatsächlichen Nutzen der sensorischen Rückmeldungen für die Ausführung verschiedener feinmotorischer Aktivitäten nachzuweisen, betonen Farina und Aszmann.

Kommentare