Mit einer Pille Lebensstil-Sünden verhindern

Symbolbild
Für immer jung? Nährstoff-Kombination soll helfen, DNA-Schäden zu reparieren. Experten sind skeptisch.

Täglich eine Pille – und sich mit 90 wie 40 fühlen. Die Menschen träumen seit Jahrhunderten davon, das Altern zu stoppen.

Eine Illusion, nach wie vor – stattdessen gewinnt die Idee des "gesunden Alterns" an Bedeutung. Dabei geht es nicht darum, den Alterungsprozess zu verhindern, sondern möglichst lange gesund zu bleiben. Ernährung spielt hier – als Säule vieler verschiedener Lebensstil-Maßnahmen – eine zentrale Rolle. Wer täglich der empfohlenen Ernährungspyramide gemäß essen würde, könnte vielen Erkrankungen vorbeugen und damit maßgeblich etwas zum besseren Altern beitragen. Doch die wenigsten Menschen ernähren sich und leben "perfekt".

Nährstoffkombination von Grünem Tee bis Tagetes

An diesem Punkt setzen die Versprechen diverser Lifestyle-Produkte an – Pillen und Mixturen, in denen Stoffe stecken, die Vitalität verheißen und auf deren Packungen oft das Zauberwort "Anti-Aging" steht. Wie etwa das neue Produkt einer Schweizer Firma mit dem viel versprechenden Namen "TimeBlock". Dessen "einzigartige Nährstoffkombination" – mit Extrakten aus Grünteeblattspitzen, Weizen- und Gerstengras, Algen, Traubenkernen, Shiitake-Pilzen, Lycopin und Tagetes – helfen soll, DNA-Schäden zu reparieren und zu regenerieren, um das Altern zu verlangsamen. In einer Tagesdosis des Produkts stecken laut Hersteller die Wirkstoffe aus rund sechs Kilogramm Rohkost und drei Liter grünem Tee.

Telomere verlängerten sich

Das klingt spannend, fraglich ist, ob das (doch recht teure) Produkt hält, was es verspricht. Univ.-Doz. Alexander Haslberger vom Department der Ernährungswissenschaften an der Uni Wien hat es unter die Lupe genommen und mit TimeBlock eine Studie an insgesamt 110 Probanden zwischen 31 und 76 Jahren durchgeführt. Bei ihnen wurden vor und nach einer sechsmonatigen Einnahme-Phase die Haupt-Marker für DNA-Schäden, Telomerlänge (siehe Kasten rechts) sowie Zellenergie gemessen. Im Fokus standen vor allem die Effekte des sekundären Pflanzenwirkstoffes EGCG aus Grünem Tee, die Ergebnisse wurden im Journal of Nutrition & Food Sciences veröffentlicht.

Haslberger und seine Arbeitsgruppe stellten fest, dass bei den Probanden eine Verlängerung der Telomere zu messen war. Studienteilnehmer berichteten, sich energievoller zu fühlen, der Zustand von Haut und Haaren verbesserte sich.

Telomere sind nicht alles

Mit einer Pille Lebensstil-Sünden verhindern
Erbgut
Aus Sicht des Ernährungswissenschafters ist die Wirkstoffkombination nicht nur der Telomere wegen interessant. Zumal "es wissenschaftliche Diskussionen gibt, ob es nicht gefährlich sein könnte, würde man sich rein auf deren Verlängerung konzentrieren". Die Telomer-Länge stünde nur statistisch für eine bestimmte Lebenserwartung, sagt auch die Wissenschafterin Elizabeth Blackburn. Die zukünftige Gesundheit eines Menschen könne damit nicht treffsicher vorhergesagt werden, nur ein Teil des Alterns hätte damit zu tun. Die Australierin bekam für ihre Forschung an den genetischen Mechanismen des Alterns 2009 den Medizin-Nobelpreis.

Was beim Altern eine Rolle spielt

"Altern ist ein komplexer Prozess, in dem viele Parameter eine Rolle spielen. Das Produkt setzt bei mehreren Wirkmechanismen an, etwa bei der Epigenetik. Bestimmte Pflanzeninhaltsstoffe können auf die Steuerung, wie Gene abgelesen werden, einen großen Einfluss nehmen", sagt Haslberger. Wie wir essen und leben, führt zu großen Veränderungen des Epigenoms. Was zum Beispiel Studien an eineiigen Zwillingen belegen konnten – abhängig von ihrem Lebensstil unterschieden sie sich im zunehmenden Alter epigenetisch. Polyphenole, wie sie im grünen Tee enthalten sind, gelten in puncto Ernährung als viel versprechende Kandidaten – etwa im Kampf gegen Entzündungen oder Krebs. Vermutlich ist es erst die Kombination verschiedener Substanzen, die wirkt.

Dauerhafte Einnahme ist nicht zu empfehlen

Bleibt die Frage, ob man solche Pillen für immer einnehmen müsse, um "für immer jung" zu bleiben. Laut Haslberger sei es sowieso am besten, sich so zu ernähren, dass Nahrungsergänzungsstoffe nicht nötig sind, aber: "Die meisten Menschen tun das nicht – dazu kommt Stress, der Toxine erzeugt. Zudem gibt es die Individualisierung – jeder Mensch braucht etwas anderes. Ein Sportler benötigt andere Stoffe als ein alter Mensch." An dieser Stelle könnten gute Supplemente ansetzen – und dennoch: "Ich bin der Überzeugung, dass man kein Nahrungsergänzungsmittel permanent nehmen sollte. Eines der Prinzipien in der Ernährung heißt Rotation und Vielfalt". Eine dauerhafte Einnahme sei daher nicht zu empfehlen.

Telomere sind die Endstücke der Chromosomen, eine Art Schutzkappe der DNA, die sich mit jeder Zellteilung verkürzen, bis die Zelle abstirbt. Je älter man wird, desto kürzer werden die Telomere. Je länger die Telomere sind, desto vitaler ist die Zelle. Ihre Verkürzung spielt auch eine Rolle bei der Entwicklung von Krebs.

Unter Epigenetik versteht man molekulare Mechanismen, die zu einem stärkeren oder schwächeren Ablesen von Genen führen, ohne dass die dort gespeicherte Information verändert wird. Dabei spielen Umwelteinflüsse, aber auch Stress sowie Ernährung eine große Rolle. Epigenetik ist ein junges Forschungsgebiet – es zeigt, dass unsere Gehirne nicht die „Zentrale“ unserer Zellen sind, sondern vielmehr eine Art Bibliothek vieler verschiedener Programme – die je nach Bedarf aktiviert oder eben abgeschaltet werden können.

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