Nach 13 Jahren Lähmung die Beine bewegen

Nach 13 Jahren Lähmung die Beine bewegen
Acht Menschen konnten Teil der Beinfunktion wiedererlangen.

Manche Medien schreiben bereits von einem medizinischen Durchbruch: Acht Menschen, deren Beine durch eine Rückenmarksverletzung seit vielen Jahren gelähmt waren, haben zumindest teilweise wieder ein Gefühl in den Beinen und eine bewusste Kontrolle über die Muskulatur erlangt. Und können sogar - mit Unterstützung - einige Schritte tun.

Die Daten sind jetzt im Fachjournal Scientific Reports erschienen. Geleitet wurden die Untersuchungen von dem renommierten Neurowissenschafter Miguel Nicoleli von der Duke University. Die Arbeit war ein Teil des Walk Again Projekts in Sao Paulo, Brasilien.

Die Patienten verwendeten spezielle "Hirn-Computer-Schnittstellen". Mit ihrer eigenen Hirnaktivität simulierten sie in einem speziellen Computerprogramm ihre Beinaktivität. Sie steuerten mit ihren Gedanken in der virtuellen Welt virtuelle Beine eines Avatars - so, als wären es ihre echten.

Nach 13 Jahren Lähmung die Beine bewegen
Nicolelis arbeitet seit knapp zwei Jahrzehnten daran, Systeme zu verfeinern, die hunderte verschiedene Signale von Neuronen im Gehirn aufnehmen und daraus jene herausfiltern, die an die Nerven und Muskeln den Auftrag zu einer Bewegung weiterleiten - und damit auch letztlich den Wunsch zur Bewegung in eine solche umsetzen.

Erstmals beobachtet

"Unsere Studie hat ergeben: Patienten, die lange mit einer solchen Mensch-Maschine-Schnittstelle trainieren, zeigen Verbesserungen in der Beweglichkeit und im Tastempfinden unterhalb der Rückenmarksverletzung", sagt Nicolelis. "Bis jetzt hat niemand eine Verbesserung dieser Funktionen bei Patienten so viele Jahre nach dem Eintreten einer kompletten Querschnittlähmung gesehen", betont der Forscher. "Dieses überraschende Ergebnis haben wir zu Projektbeginn nicht vorhergesehen."

Bei mehreren Patienten stellten sich Verbesserungen sieben Monate nach Beginn des virtuellen Trainings ein. Nach einem Jahr hatten sich das Gefühlsempfinden und die Muskelkontrolle bei vier Patienten so stark verbessert, dass die Ärzte ihre Diagnose von "komplettem Querschnitt!" auf "inkompletten Querschnitt" "hochstuften".

Was eine 32-Jährige lernte

Bei einer kompletten motorischen Lähmung und einer vollständigen Durchtrennung der Nerven an einer bestimmten Stelle des Rückenmarks fehlen Muskelkraft und Empfindungsvermögen der betroffenen Regionen vollständig, während bei einer inkompletten Lähmung eine Restmotorik und/oder eine Restsensibilität vorhanden sind.

Die größten Fortschritte machte eine 32-jährige Frau, die zu Studienbeginn seit 13 Jahren gelähmt war. Zu Studienbeginn konnte sie auch mit Hilfe eines speziellen Gerüsts nicht stehen, aber mit der Zeit gelang es ihr, mit HIlfe eines Stützapparates und der Hilfe des Therapeuten ein wenig zu gehen. Mit 13 Monaten konnte sie ihre Beine willentlich heben - sie befand sich dabei in einem Stützgurt.

Das untenstehende Video zeigt, was die Frau alles wieder gelernt hat:

"Ein großer Teil der Patienten, bei denen ein kompletter Querschnitt diagnostiziert wird, haben trotzdem noch einige intakte Nerven", sagt NIcolelis. "Diese Nerven können für viele Jahre ruhen, weil kein Signal vom Gehirn zu den Muskeln übertragen wird. Aber es könnte ausreichen, um Signale aus dem Bewegungszentrum des Gehirns nach speziellem Training weiterleiten zu können."

Sehen Sie hier ein Video des Walk-Again-Projekts.

Bei den acht Patienten handelte es sich um sogenannte Paraplegiker. Paraplegie bezeichnet den kompletten oder inkompletten Verlust von Sensibilität und Beweglichkeit in den unteren Extremitäten. Häufig kommt es zusätzlich zu einer Einschränkung oder zum kompletten Verlust der Rumpfkontrolle.

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