Jolie: „Fühle mich nicht weniger als Frau“

Angelina Jolie ließ sich vorbeugend wegen ihres hohen Risikos beide Brüste entfernen.

Es ist ein radikaler Schritt: US-Schauspielerin Angelina Jolie (37) hat sich beide Brüste entfernen lassen. Bei ihr ist das BRCA1-Gen mutiert: „Meine Ärzte vermuten, dass bei mir das Risiko für Brustkrebs bei 87 Prozent und Eierstockkrebs bei 50 Prozent liegt, auch wenn das Risiko von Frau zu Frau unterschiedlich ist“, schreibt Jolie in einem Beitrag für die New York Times.

Jolie: „Fühle mich nicht weniger als Frau“

In Österreich haben nach Schätzungen bis zu 25.000 Frauen eine Mutation der Brustkrebsgene BRCA1 und BRCA2. Jede zweite von ihnen erkrankt bis zum 50. Lebensjahr an Brustkrebs (Gesamtbevölkerung: 1 bis 2 %), danach steigt das Risiko weiter an. „Nicht jede Frau, in deren Familie es einmal einen Brustkrebsfall gab, muss sich jetzt aber Sorgen machten“, betont der Chirurg und Brustkrebs-Spezialist Univ.-Prof. Michael Gnant, MedUni Wien /AKH Wien: In neuen Leitlinien ist aufgelistet, wie viele Krebsfälle in welcher Altersgruppe in einer Familie aufgetreten sein müssen, damit ein Gentest (durch Blutabnahme) empfohlen und bezahlt wird (Kosten: ca. 3000 €). Dazu gibt es ein Netz von 57 Beratungsstellen zur Testung und Betreuung der Frauen (Internet-Adresse am Textende).

Zurückhaltender

„In Österreich entscheiden sich bis zu 20 Prozent der Frauen, die von einer solchen Gen-Veränderung betroffen sind, für die Entfernung der Brüste und bis zu 25 Prozent für die Eierstockentfernung“, sagt Gynäkologe Univ.-Prof. Christian Singer, Leiter des Labors für erblichen Brust- und Eierstockkrebs an der MedUni Wien / AKH Wien. „In den USA sind es bis zu 50 Prozent. Dort wird das viel aggressiver beworben und auch die Risikowahrnehmung ist eine andere.“ – „In den USA ist in den vergangenen Jahren ein Anstieg der Amputationen um zehn Prozent zu beobachten“, sagt Gnant: „Das ist verrückt und das Ergebnis eines Hypes der absoluten Risikovermeidung. Bei uns ist das Vorgehen zurückhaltender, sehr viel mehr Frauen entscheiden sich dazu, mit der Brustentfernung zumindest eine Zeitlang zuzuwarten.“

Grundsätzlich haben Betroffene zwei Möglichkeiten:
–Eine intensivierte Früherkennung u.a. durch eine jährliche Magentresonanztomografie (MRT) ab 25. „Damit finden wir im Vergleich zur Mammografie 50 Prozent mehr Karzinome in einem frühen Stadium“, sagt der Radiologe Univ.-Prof. Christian Helbich. „Allerdings bedeutet das auch für viele Frauen eine unglaubliche psychologische Belastung“, so Singer.
–Die vorbeugende Entfernung des Drüsengewebes bzw. der Eierstöcke (hier ist die Krebsfrüherkennung schlechter als bei Brustkrebs). Bei der Brust ist danach das Einsetzen von Implantaten (diesen Weg wählte Jolie) oder ein Aufbau mit Eigengewebe (Bauch- oder Rückenmuskel) möglich. Singer: „Das Ergebnis ist mittlerweile ausgezeichnet und von dem einer kosmetischen OP kaum zu unterscheiden.“

www.brustgenberatung.at

www.frueh-erkennen.at

Jolie: „Fühle mich nicht weniger als Frau“

US-Schauspielerin Angelina Jolie hat sich aus Angst vor Krebs vorsorglich beide Brüste abnehmen lassen. "Meine Mutter kämpfte fast ein Jahrzehnt gegen Krebs und starb mit 56. Sie hielt gerade lang genug durch, um ihre ersten Enkelkinder zu treffen und sie im Arm zu halten. Aber meine anderen Kinder werden nie die Chance haben, sie zu kennen und zu erleben, wie liebevoll und warmherzig sie war", eröffnete die Schauspielerin ihren offenen Brief mit dem Titel "My Medical Choice" in der New York Times.

Auch Jolie trägt das Gen BRCA1 in sich, das das Risiko an Brust- oder Eierstockkrebs zu erkranken stark erhöht. Die Ärzte rechneten ihr aus, dass sie ein Risiko von 87 Prozent hätte an Brustkrebs sowie 50 Prozent an Eierstockkrebs zu erkranken.

"Sobald ich wusste, dass dies meine Realität war, beschloss ich, proaktiv zu sein und das Risiko so gut es ging zu minimieren."
Jolie traf die Entscheidung, sich zunächst einer präventiven, doppelten Brustamputation zu unterziehen: "Ich begann mit den Brüsten, da mein Risiko hier größer und die Operation viel komplexer ist".

Dreimonatige Prozedur

Ende April beendete sie die dreimonatige Prozedur mit dem Wiederaufbau der Brust mit Implantaten. Obwohl sie diese Angelegenheit privat halten konnte, wende sie sich nun doch an die Öffentlichkeit, damit andere Frauen von ihrer Erfahrung profitieren könnten.

"Krebs ist nach wie vor ein Wort, das Angst in die Herzen der Menschen schlägt, wodurch ein tiefes Gefühl der Ohnmacht entsteht. Aber heute ist es möglich, durch einen Bluttest herauszufinden, ob man anfällig für Brust- und Eierstockkrebs ist, und dann entsprechend reagieren kann", motivierte die Schauspielerin betroffene Frauen.

Und auch an die Männer appellierte sie: "Ich bin glücklich in Brad Pitt einen Partner zu haben, der so liebevoll und unterstützend ist. Alle, die eine Frau oder Freundin haben, die das gleiche durchmachen, sollen wissen, dass der Partner ein sehr wichtiger Teil dieser Prozedur ist."

Pitt sei während allen Operationen an ihrer Seite gewesen und hätte sie unterstützt: "Wir wussten, dass es das Richtige für unsere Familie ist und, dass es uns näher bringt. Und das hat es", und weiter "Wir haben es sogar geschafft in diesen schweren Momenten gemeinsam zu lachen".

Bereuen würde die Schauspielerin ihre Entscheidung nicht, denn nun kann sie ihren Kindern ehrlich sagen, sie müssen sich keine Sorgen um ihre Mutter machen. "Ich wollte dies hier schreiben, um anderen Frauen zu sagen, dass die Entscheidung, eine Mastektomie machen zu lassen, nicht leicht war. Aber ist bin sehr glücklich, dass ich es gemacht habe. Meine Chancen der Erkrankung an Brustkrebs sind von 87 auf unter 5 Prozent gesunken." Klarstellen wolle sie noch: "Ich fühle mich nicht weniger als Frau. Ich fühle mich ermächtigt, dass ich eine gute Wahl getroffen habe, die in keiner Weise meine Weiblichkeit mindert".

Angelina Jolie ist kein Einzelfall. Ererbte Mutationen sind für einen Teil der Brustkrebserkrankungen verantwortlich. Etwa zehn Prozent der Mammakarzinomfälle treten familiär gehäuft auf. Daran "schuld" sind Mutationen im BRCA1- bzw. im BRCA2-Gen. Das betrifft in Österreich etwa 25.000 Frauen. Bei Vorliegen solcher Erbanlagen kommt es auch zur starken Erhöhung des Eierstockkrebs-Risikos. Vergangenes Jahr wurde deshalb ein flächendeckendes kostenloses Betreuungssystem etabliert. Entschließt sich eine Frau zur Entfernung von Brüsten und Eierstöcken, reduziert sich das Erkrankungsrisiko dramatisch.

Mutationen in den beiden Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA2 bringen eine ausgesprochen hohe Gefährdung mit sich. Gynäkologe Christian Singer (MedUni Wien/AKH/Senologie) erklärte anlässlich der Präsentation des Programms : "Frauen mit solchen Mutationen haben laut internationalen Studien ein 50-prozentiges Risiko, bis zum 50. Lebensjahr an Brustkrebs zu erkranken, Nicht-Trägerinnen solcher Mutationen eines von zwei Prozent." Bis zum 70. Lebensjahr erhöhen sich diese Prozentsätze auf ein Erkrankungsrisiko von 87 zu acht Prozent. Bei Eierstockkrebs sind es bis zum 70. Lebensjahr 44 Prozent (Mutationsträgerinnen) zu weniger als ein Prozent.

Flächendeckendes Betreuungssystem

Für die potenziell in Österreich rund 25.000 Betroffenen kostenlos, flächendeckend und qualitätsgesichert: Radiologen und Gynäkologen haben mit Unterstützung von Bund, Bundesländern und Krankenversicherung ein System zur Identifizierung und Betreuung vor allem von Frauen geschaffen, die wegen ererbter Mutationen in den Brustkrebsgenen BRCA1 und BRCA1 ein hohes Risiko für ein Mammakarzinom und/oder Eierstockkrebs haben. "Österreich ist damit in dieser Sache international führend", sagte dazu Radiologe Thomas Helbich (MedUni Wien/AKH).

Genau an diese Frauen will man jetzt in Österreich unter Beachtung neu erstellter Leitlinien und über 57 über das Bundesgebiet verteilte und nach den gleichen Kriterien arbeitenden Zentren in Spitälern herankommen. Das sollte so geschehen:

- Jeder Hausarzt und jeder Gynäkologe sollte die Patienten (es gibt Brustkrebs auch bei Männern) fragen, ob in ihrer Familie vermehrt Brust- und/oder Eierstockkrebs aufgetreten ist. Ist das bei zwei oder mehr Personen der Fall gewesen, sollte der Patient an eines der Zentren überwiesen werden.

- An dem Zentrum wird zunächst eine Familienanamnese mit Stammbaum erstellt. Fällt der "verdächtig" aus, wird eine Blutabnahme mit Test auf BRCA1- und BRCA2-Mutationen angeboten.

- Nach allfälliger Vornahme der Gen-Untersuchung in Wien (MedUni Wien/AKH) wird die Patientin nach ein bis zwei Monaten wiederbestellt.

- Will die Betroffene das Resultat der Genuntersuchung wissen, erfolgt eine ausführliche und neutrale Information: über die Möglichkeiten einer intensiven Früherkennung oder die Möglichkeit zur vorsorglichen Entfernung der Brust (samt Rekonstruktion) und/oder der Eierstöcke.

Im Fall eines Entschlusses zum Abwarten mit Früherkennung gibt es einmal jährlich eine Magnetresonanzuntersuchung (MRT) der Brüste ab dem 25. Lebensjahr und Mammografie ab dem 35. Lebensjahr. In Sachen Eierstockkrebs wird zu einer jährlichen Ultraschalluntersuchung ab dem 35. Lebensjahr und Tumormarker-Tests aus dem Blut geraten. Mit der MRT-Untersuchung werden um 50 Prozent mehr Tumoren erkannt als mit der Mammografie. Für Eierstockkrebs sind bisher die Früherkennungsuntersuchungen leider noch nicht so aussagekräftig wie beim Mammakarzinom.

Operationen reduzieren bei Frauen mit BRCA-Mutationen das Karzinomrisiko enorm. Helbich: "Die prophylaktische Entfernung der Brüste und Eierstöcke senkt das Risiko für Mammakarzinome um 95 Prozent und das für Eierstockkarzinome um 80 Prozent." Im Endeffekt kann damit de facto eine Annäherung an die viel geringere Gefährdung von Frauen ohne diese familiäre Belastung erzielt werden.

Ich halte es für eine kluge Entscheidung. Letztendlich muss jede Frau selbst entscheiden, ob sie damit leben kann.“ Karin Gilan, 60, ist kein Hollywoodstar wie Angelina Jolie. Doch auch die Pädagogin aus Ebreichsdorf trägt das Brustkrebs-Gen in sich. Vor einigen Jahren entschloss sie sich zu einer Totalentfernung, samt Gebärmutter und Eierstöcken. Der Hintergrund: Sechs weibliche Familienmitglieder – „bis zur Urgroßmutter“ – starben an bösartigen Tumoren in Brust und Eierstöcken. Einige waren noch keine 50 Jahre alt.

Eine derartige Familiengeschichte prägt. Das betont auch Karins Tochter Natalie, die demnächst 36 wird. Das Ergebnis der Genanalyse im AKH war für die Airline-Mitarbeiterin kein Schock. „Ich bin damit aufgewachsen, dass viele Verwandte Krebs haben. Ich bin davon ausgegangen, dass ich dieses Gen auch habe.“ Als dann bei ihr verändertes Brustgewebe entdeckt wurde, entschied sie sich – parallel zu ihrer Mutter – zur Brust-OP, ließ sich Implantate einsetzen. Wehmut nach „ihrer“ Brust verspürt sie nicht. „Meine Devise war: Ganz oder gar nicht.“ Vor der OP ließ sie sich aber noch ein Gipsmodell anfertigen.

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